Konflikt mit Russland Deutsche Firmen fürchten harte Sanktionen

Die Sanktionen gegen Russland zeigen ihre Wirkung – bei der deutschen Wirtschaft. Erste Firmen stellen Investitionen in Russland zurück und mahnen, Sanktionen träfen „wie ein Bumerang“ die deutsche Wirtschaft.

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Die Flaggen der EU-Mitgliedsländer in Brüssel: Die Unsicherheit weiterer Sanktionen lähmt die deutsche Wirtschaft. Quelle: dpa

Berlin Drohende Wirtschaftssanktionen gegen Russland machen der deutschen Industrie zunehmende Sorgen. In den Chefetagen der Unternehmen wird befürchtet, dass dann Milliardenaufträge, Fusionen oder andere Projekte wackeln könnten. Offen sagt dies zwar noch niemand, aber hinter vorgehaltener Hand heißt es beispielsweise bei einem Mittelständler: „Harte Sanktionen des Westens könnten zum Eigentor werden.“ Denn völlig offen ist, wie Russland seinerseits auf solche Strafmaßnahmen reagieren würde. Nicht nur künftige Aufträge, sondern auch laufende Projekte könnten in Gefahr geraten, so die Angst der Firmenbosse.

Die Unsicherheit, ob die Europäische Union wegen der Ukraine-Krise Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, lähmt bereits heute einige Firmen-Entscheidungen. „Es sind schon Investitionsvorhaben zurückgestellt worden“, sagte der Leiter der Russland-Niederlassung der Beratungsfirma Rödl & Partner, Andreas Knaul, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. „Dabei geht es vor allem um Investitionen von Mittelständlern im jeweils einstelligen Millionenbereich.“ Auch Pläne würden aufgeschoben, weil niemand wisse, wie sich die politische Lage entwickle. Einige Unternehmen hätten auch Angst vor Enteignungen als Reaktion Russlands auf Strafmaßnahmen des Westens. „Das ist nichts, was die Investitionsfreude stärkt“, sagte Knaul.

„Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden wie ein Bumerang den deutschen Mittelstand treffen“, betonte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Die Mehrzahl der 6.300 deutschen Unternehmen in Russland seien kleine und mittelgroße Betriebe. Von einigen Konzernen ist zu hören, dass europäische Spitzenpolitiker bereits sondiert hätten, welche Folgen eine Sanktionsspirale haben könnte. Dies zeige vielen Firmenchefs, wie ernst es der Westen im Konflikt mit Russland meine.

Ob und wann Wirtschaftssanktionen verhängt werden, ist völlig offen. In der EU-Kommission heißt es, dass „für alle Eventualitäten“ bereits interne Vorbereitungen liefen. Allerdings sei es gerade nicht das Ziel der EU, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Es gehe vielmehr darum, dass die Regierung in Moskau in der Ukraine-Krise einlenke. Der Westen wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, die ukrainische Halbinsel Krim illegal annektiert zu haben, was dieser zurückweist.


Siemens-Chef Kaeser gibt sich demonstrativ entspannt

Grund zur Nervosität dürfte der Versorger RWE haben, der gerade angekündigt hat, seine Öl- und Gasförder-Tochter Dea an eine Investorengruppe um den russischen Milliardär Michail Fridman zu verkaufen. Einige Politiker der Unionsfraktion sorgen sich angesichts des Ukraine-Konflikts um eine größer werdende Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland. Sie fordern daher unter anderem, die Dea-Gespräche auf Eis zu legen. RWE-Chef Peter Terium hofft weiter darauf, dass der Milliardendeal durchgeht. Er stelle sich der Prüfung durch die Politik, sagte er am Mittwoch.

Auch im deutschen Maschinenbau geht die Furcht vor Geschäftseinbußen um. Russland ist weltweit der viertwichtigste Absatzmarkt für die Branche. „Die Politik sollte die Folgen von Sanktionen genau bedenken“, sagte der Außenwirtschaftsexperte des Branchenverbandes VDMA, Ulrich Ackermann, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Maschinenbauer bekämen solche Maßnahmen gegen Russland relativ schnell zu spüren. Es gehe um erhebliche Summen. Noch gebe es aber keine Berichte über Auftragsstornierungen.

Andere Konzernchefs geben sich zumindest öffentlich demonstrativ entspannt, was die Krise angeht. Er sehe die Situation gelassen, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser. Der Technologiekonzern arbeitet insbesondere im Eisenbahngeschäft mit russischen Partnern zusammen und zieht so immer wieder Großaufträge an Land.

Auch die BASF-Öl- und Gas-Tochter Wintershall, die derzeit ihr Gasspeicher-Geschäft an den russischen Staatskonzern Gazprom verkauft, zeigt sich noch nicht beunruhigt. „Durch die aktuellen Sanktionen ist Wintershall nicht betroffen“, sagte ein Sprecher. „Alles Weitere ist Spekulation – auch, ob es zu weitergehenden Wirtschaftssanktionen kommt und wie diese aussehen könnten.“ Vergangene Woche hatte Wintershall betont, dass der Gazprom-Deal wie geplant umgesetzt werde.

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