Meldungen über die nachlassende Wachstumsdynamik in China zeigt Frank Appel die kalte Schulter. Wenn Analysten und Ökonomen behaupten, der Boom im Riesenreich könne zu Ende gehen, weil eine Wachstumsprognose nach unten korrigiert wurde, kontert der Chef der Deutschen Post mit dem Hinweis, dass das Land absolut noch immer deutlich wachse. Mitunter ließen Beobachter „Kenntnisse im Dreisatz“ vermissen, spottet Appel.
Wo die Post am meisten Umsatz macht
Die Märkte in Asien sind für die Post-Tochter DHL besonders wichtig und werden in Zukunft noch wichtiger werden. Umsatzanteil der Region: 14,4 Prozent.
Das USA-Geschäft hat der Post bisher kein Glück gebracht. Aktuell liegt der Anteil am Gesamtumsatz bei 16,7 Prozent.
Im Heimatland Deutschland macht die Post ein knappes Drittel ihres Geschäfts. Umsatzanteil: 31,7 Prozent.
Europa (ohne Deutschland) ist nach wie vor die wichtigste Region für die Deutsche Post - hier wird ein gutes Drittel des gesamten Umsatzes erwirtschaftet. Anteil: 33,1 Prozent.
Tatsächlich beschert China dem Brief- und Logistikriesen aus Bonn Rekordergebnisse. Rund vier Milliarden Euro setzt die Unternehmenstochter DHL im Reich der Mitte um – fast ein Zehntel des Gesamtumsatzes. Dank China verbuchte Appel im ersten Halbjahr 2012 ein Plus beim Konzernumsatz von sechs Prozent, vor allem dank der Expresssparte, also des termingetreuen Transports von Dokumenten und Waren. Appel erhöhte daraufhin die Prognose für den operativen Konzernjahresgewinn 2012 um 100 Millionen Euro auf 2,6 bis 2,7 Milliarden Euro. Das hat viele Experten überrascht, denn die Konkurrenten wie UPS und FedEx spüren die konjunkturelle Abkühlung und treten auf der Stelle.
Zwar nagt die Euro-Krise an der deutschen Konjunktur und hinterlässt auch Spuren bei Unternehmen. „Zum ersten Mal seit drei Jahren sind die Exporterwartungen mehrheitlich negativ“, sagte ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe vergangene Woche. Konzerne wie Siemens, Metro, ThyssenKrupp, RWE, Bosch-Rexroth und Merck legen Sparprogramme auf – zum Teil verbunden mit Kurzarbeit oder Arbeitsplatzabbau.
Doch mit einer Rezession sei nicht zu rechnen. Wegen ihrer Präsenz in Wachstumsregionen und Sondereinflüssen blicken einige Konzerne sogar weiter optimistisch in die Zukunft.
So profitiert die Post etwa davon, dass die Deutschen immer mehr Waren im Internet bestellen. Der Bonner Konzern investiert deshalb rund 750 Millionen Euro in die Modernisierung der Verteilzentren und hat mit 2500 Packstationen ein bundesweites Abholnetz etabliert, das bei Kunden gut ankommt. Die Sparte kann so auch den Rückgang des Briefvolumens wettmachen. Selbst eine nachträgliche Umsatzsteuerzahlung in Höhe von einer halben Milliarde Euro konnte der Post nichts anhaben.
Chemie
Die allgemeine Nachfrage nach Chemikalien und Kunststoffen entwickelt sich verhalten. So klagt BASF-Chef Kurt Bock, dass die Industriekunden angesichts der drohenden Krise vorsichtig disponierten: Statt kräftig Nachschub zu ordern, bauten sie lieber erst mal ihre Lagerbestände ab.
Doch ein Geschäftszweig boomt unabhängig von Euro-Krise und Abkühlungstendenzen: Agrarchemikalien. Da die Preise für Getreide und Mais wegen der Dürre in den USA und anderen Anbaugebieten anzogen, maximieren die Bauern ihre Erträge nun verstärkt durch den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Davon profitieren die Pflanzenschutzsparten von BASF und Bayer ebenso wie der Kasseler Düngemittelhersteller K+S, der früher als Kali und Salz firmierte.
Der Dax-Konzern aus Nordhessen macht etwa 60 Prozent seines Geschäftes mit Kali- und Magnesiumdünger. Von April bis Juni legte der entsprechende Umsatz um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zu – auf 670 Millionen Euro. Fast so stark stieg das operative Ergebnis auf 240 Millionen Euro.
Weil die Zahlen für das zweite Quartal so gut ausfielen, musste K+S-Chef Norbert Steiner die Bekanntgabe um zwei Wochen auf Ende Juli vorziehen. Und er bleibt zuversichtlich: Die Entwicklung „sollte sich in den kommenden Monaten fortsetzen“. Steiner prognostiziert ein „leicht steigendes operatives Ergebnis“.
Sportartikel
Aus einer Position der Stärke etabliert sich Adidas derzeit als Vorbild der Branche. Europas größter Sportartikelhersteller aus dem fränkischen Herzogenaurach will 2012 zehn Prozent mehr als 2011 und somit rund 14,6 Milliarden Euro erlösen; der Gewinn soll gar um bis zu 17 Prozent auf 785 Millionen Euro steigen. Adidas koppelt sich von den Konkurrenten Nike und Puma ab, die mit Problemen kämpfen. Der kleinere Lokalrivale Puma läutete wegen der Euro-Krise einen Sparkurs ein und kassierte die Umsatz- und Gewinnerwartung.
Adidas-Vorstandschef Herbert Hainer erntet die Früchte der Entscheidungen aus 2008 und 2009, als der Gewinn um mehr als 60 Prozent einbrach. Adidas beschleunigte den Warenumschlag und verjüngte die Vorräte. Denn nach Olympia 2008 in Peking quollen die Lager mit Drei-Streifen-Produkten über und mussten mit Abschlägen vom Hof. Damit war der Absatzkanal für Neuware verstopft. Heute hat Adidas das Thema im Griff: Die Vorräte legten nur um acht Prozent zu, weniger als bei Nike und Puma.
Das schafft Raum für den Absatz frischer Ware und neuer Produkte wie die junge Modelinie Neo. Adidas hatte Neo der Euro-Krise zum Trotz im Februar im schwierigen Testmarkt Deutschland gestartet und bleibt dabei, bis 2015 mehr als eine Milliarde Euro mit Neo-Shirts und -Schuhen umsetzen zu wollen.
Die Hoffnung ruht auf jungen Mädchen mit dickem Taschengeld. Und die Aussichten bleiben wegen der Fußball-WM 2014 in Brasilien und den Olympischen Winterspielen im gleichen Jahr in Russland positiv, wo Adidas wie in diesem Jahr bei EM und Olympia erneut als einer der Hauptsponsoren auftritt.
Maschinenbau
Zum neunten Mal in Folge gingen im Maschinenbau mit seinen 970.000 Beschäftigten im Juli weniger Bestellungen ein als im Vorjahresmonat. Das Minus betrug real zwei Prozent „Die Inländer haben uns in die Suppe gespuckt“, sagte Chefvolkswirt Ralph Wiechers vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Anders jedoch die Bestellungen aus dem Ausland: Sie lagen erstmals seit September 2011 wieder über Vorjahresniveau. Während das Geschäft der Branche insgesamt vor sich hin dämmert, schwelgen vor allem Werkzeugmaschinenbauer, die Anlagen wie Pressen oder Drehautomaten herstellen, im Optimismus. Sie sollen laut Prognose des Vereins der Deutschen Werkzeugfabriken 2012 ein Produktionsplus von fünf Prozent erzielen und 2013 weiter wachsen.
So legte der Bielefelder Werkzeugmaschinenbauer Gildemeister im zweiten Quartal beim Auftragseingang um elf Prozent zu. Der Auftragsbestand betrug Ende Juni 1,1 Milliarden Euro – 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch beim schwäbischen Pressenbauer Schuler läuft das Geschäft stabil. Der Auftragsbestand von 1,2 Milliarden Euro „reicht für zwölf Monate“, sagt Vorstandschef Stefan Klebert. Und beim Fräsmaschinenhersteller Hermle aus Goßheim in Baden-Württemberg sieht Vorstandssprecher Dietmar Hermle „zur Schwarzmalerei keinen Anlass“.
Von der guten Stimmung lässt sich trotz des Rückgangs zu den Vorjahresmonaten VDMA-Volkswirt Wiechers ein wenig anstecken, denn er weiß: „Wir haben bei den Bestellungen die Talsohle durchschritten.“ Für die Gesamtbranche, in der auch Bau-, Land- oder Papiermaschinenbauer vertreten sind, steigen auch die Umsätze noch.
Bauwirtschaft
Ein Stern am trüben Prognosehimmel bleibt die Bauwirtschaft, die Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts, als „wichtigsten Treiber der deutschen Konjunktur“ adelt. Die Unternehmen konstruieren und renovieren derzeit an der Kapazitätsgrenze. Im ersten Halbjahr 2012 meldeten sie 5,4 Prozent mehr Aufträge und stellten 2,5 Prozent mehr Beschäftigte ein.
Nicht trotz, sondern wegen der Euro-Krise läuft es so rund am Bau. Aus- und inländische Investoren stecken ihr Geld bei der Suche nach sicheren Anlageformen in deutsche Immobilien – vor allem in Wohnblocks. Denn die sind wenig konjunkturanfällig, und es herrscht Mangel an Wohnraum. Weil die Preise stabil sind, droht keine wertvernichtende Immobilienblase wie in Irland, Spanien oder derzeit in den Niederlanden.
So stieg im Juni die Zahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser um 15 Prozent, die für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sogar um 32,5 Prozent. Insbesondere auf Wohnungsbau spezialisierte Mittelständler wie Kondor Wessels Bouw in Berlin oder Gundlach in Hannover profitieren davon.
Bei einem starken Konjunktureinbruch würden gewerbliche Auftraggeber zwar genehmigte Büro-, Fabrik- und Logistikprojekte auf Eis legen und Aufträge stornieren. „Der Wirtschaftsbau reagiert empfindlich und schnell auf jede Abkühlung“, warnt Heiko Stiepelmann vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Aber davon sei noch „nichts zu sehen – bei uns ist dank der Zuwanderung von Kapital derzeit keine Krise angesagt“.