Kraftwerkssparte Siemens Wie Siemens brutale Härten beim Stellenabbau vermeiden will

Der geplante Stellenabbau in Siemens' Kraftwerkssparte wird schmerzhaft. Doch der Konzern sucht noch nach Lösungen, die Kapazitätsanpassungen an der einen oder anderen Stelle halbwegs erträglich zu gestalten.

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Siemens-Mitarbeiter demonstrieren im Oktober gegen den möglichen Verkauf des Erfurter Generatorenwerks. Quelle: ZB

Auch wenn der Standortsicherungs- und Beschäftigungspakt zwischen Siemens und IG Metall betriebsbedingte Kündigungen im Grundsatz ausschließt: ohne diese werden die geplanten - deutlichen - Anpassungen im Energiegeschäft von Siemens nicht ablaufen. Und der Pakt sieht dies auch vor, dafür gibt es Klauseln. „Wenn alle anderen Anstrengungen verbraucht sind“, heißt es in Konzernkreisen, „können sich die Parteien zusammensetzen und nach anderen Lösungen suchen.“ Die andere Seite, die Arbeitnehmer, wüssten dies auch ganz genau. Man müsse halt das Kleingedruckte lesen.

Trotzdem: Bei Siemens sucht man offenbar nach Lösungen, brutale Härten wie komplette Standortschließungen in ohnehin schon strukturschwachen Regionen zu vermeiden. Das Werk in Görlitz im Osten Sachsens etwa könne in einem solchen Szenario möglicherweise erhalten bleiben, heißt es in Konzernkreisen.

Im Gegenzug müssten dann große Standorte wie etwa Berlin, Mülheim oder Erlangen mehr Federn lassen. „Die superreichen Standorte werden sich orientieren müssen“, heißt es in Konzernkreisen. Wo möglich, könne man Aktivitäten von einem zu einem anderen Standort verlagern. Auch will Siemens versuchen, betroffene Mitarbeiter, die jetzt in der Turbinenfertigung arbeiten, in anderen Sparten einzusetzen. Dazu gehöre dann auch die erforderliche Fortbildung.

Insgesamt beschäftigt Siemens in Deutschland rund 8000 Mitarbeiter in der Fertigung von Gas- und Dampfturbinen. Bis zur Hälfte der Stellen könnte im Zuge des geplanten Kahlschlags wegfallen. Vermutlich Mitte November will der Konzern die Einzelheiten wie beispielsweise konkrete Zahlen und eventuelle Standortschließungen mit den Arbeitnehmervertretern besprechen.

Ursache für den anstehenden Abbau ist die dramatische Flaute beim Geschäft mit großen Gasturbinen. Wurden im Geschäftsjahr 2011 (30. September) weltweit noch 249 große Gasturbinen verkauft, waren es im Geschäftsjahr 2017 nur noch 122 – mehr als eine Halbierung in sechs Jahren. Die weltweite Produktionskapazität für große Gasturbinen liegt derzeit bei jährlich etwa 400 Stück. Experten erwarten, dass in Zukunft pro Jahr weltweit noch etwa 110 Turbinen verkauft werden können. Die Branche sitzt auf gewaltigen Überkapazitäten. Halbwegs passabel läuft das Geschäft noch im Nahen Osten, Afrika und Asien. In Deutschland lassen sich praktisch keine großen Turbinen mehr verkaufen. Die Versorgung ist umgesprungen auf Erneuerbare Energien.

Dabei hat Siemens seine Preise trotz der dramatischen Überkapazitäten in den vergangenen Jahren noch halbwegs stabil gehalten und bei großen Gasturbinen die Kilowattsunde Leistung für etwa 600 Dollar verkauft. Konkurrent GE ist zum Teil auf bis zu 400 Dollar runtergegangen – zu Lasten der Marge.

Die schwierige Lage im Geschäft mit großen Turbinen habe man bereits im Mai im Aufsichtsrat diskutiert, heißt es in Konzernkreisen. Die Arbeitnehmervertreter hätten die Diskussion allerdings aufschieben wollen. Schließlich habe man noch den Großauftrag aus Ägypten. 14.400 Megawatt installiert Siemens in dem Land. So etwas sei in Zukunft allerdings nicht mehr darstellbar, heißt es im Konzern. Die Arbeitnehmervertreter hätten um die schwierige Lage von Anfang Bescheid gewusst.

Eine Zusammenlegung der Turbinenfertigung etwa mit der von Mitsubishi kommt für Siemens nicht in Frage. Kulturell und mental zu schwierig, heißt es. Eine solche Konsolidierung in einem fallenden Markt sei ohnehin nicht sinnvoll.

Die Anpassungen in der Kraftwerkssparte dürften künftig zu nicht unerheblichem Aufwand für Restrukturierungen führen. Auch der für 2018 geplante Börsengang des Medizintechnikgeschäfts, der Zusammenschluss des Zuggeschäfts mit den Aktivitäten des französischen Konkurrenten Alstom und das schwache Windkraftgeschäft könnten zusätzliche Kosten verursachen, heißt es in Konzernkreisen. In dem deutsch-spanischen Windenergie-Joint-Venture Siemens Gamesa sollen rund 6000 Arbeitsplätze wegfallen.

Trotzdem dürfte Konzernchef Joe Kaeser am Donnerstag für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr noch einmal eine Rekordbilanz abliefern.

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