Krisengewinner Griechen stürzen sich auf deutsche Reedereien

Griechen nutzen den Rückzug deutscher Banken aus der Schiffsfinanzierung und kaufen sich günstig ein. Chinesen dagegen springen mit Krediten bei, um heimische Werften zu stützen.

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Ein Containerschiff im Hamburger Hafen. Quelle: ap

Eine Krise hat immer auch Gewinner. Während viele deutsche Reeder SOS funken, gibt es durchaus Akteure in der Branche, die sich darüber freuen. Ausgerechnet Reeder aus dem Euro-Krisenland Griechenland profitieren am meisten von den Problemen, die gefallene Frachtraten und Überkapazitäten den Schiffseignern in Deutschland und anderswo bereiten. Niemand auf der Welt erwarb in diesem Jahr günstig so viele Tanker und Containerkähne wie die Reeder von der Ägäis. Die Griechen gaben 1,6 Milliarden Dollar für gebrauchte Frachter aus und rangieren damit mit weitem Abstand vor dem Exportweltmeister China.

Zwar werden Reeder aus Hellas vom fast bankrotten Staat kräftig mit Steuerprivilegien gefüttert. Doch das erklärt nicht, weshalb sie jetzt zu Krisengewinnlern werden.

„Traditionelle griechische Reeder investieren im Vergleich zu Konkurrenten etwa aus Deutschland antizyklisch“, sagt Andreas Schultheis, Leiter der Schifffahrtsabteilung bei der Hamburger Berenberg Bank. Die Griechen hätten sich während des Schifffahrtsbooms der Jahre 2003 bis 2007 zurückgehalten, während andere Reedereien zu überhöhten Preisen immer neue Frachter bestellten. Jetzt nutzen die Hellenen ihre Ersparnisse, um angesichts des rapiden Preisverfalls günstig einzusteigen.

Damit ist klar: Der kürzlich angekündigte Rückzug der Commerzbank aus der Schiffsfinanzierung machte die Krise der hiesigen Reeder allenfalls öffentlich, ausgelöst hat Vorstandschef Martin Blessing sie aber nicht. „Mehr als zwei Drittel der deutschen Handelsflotte befinden sich schon seit den vergangenen zwei Jahren in finanzieller Schieflage“, sagt der Schifffahrtsexperte Jürgen Dobert aus Wentorf bei Hamburg. Rund 2500 der aktuell über die Weltmeere tuckernden Frachter seien von deutschen Fonds und Banken finanziert, wobei mehr als 800 von ihnen am Rande der Insolvenz schipperten.

Kein Wunder, dass die Notlage nun von denjenigen ausgenutzt wird, die ihre Flotten nicht so stark wie die deutschen Reeder aufstockten. So stehen griechische, aber auch chinesische Interessenten zurzeit Schlange bei deutschen Schiffsmaklern. „Die beobachten den deutschen Markt gerade sehr genau“, sagt einer, der anonym bleiben möchte und zu dessen Top-Kunden etwa die Reederei Costamare mit Sitz in Athen gehört.

Interessiert seien die Griechen vor allem an modernen Containerschiffen im Alter von 7 bis 17 Jahren. Auch die Athener Reederei Technomar Shipping gehört zu den Käufern von Secondhand-Schiffen. Technomar erwarb bereits 2010 zehn Containerschiffe von der deutschen Reederei Claus-Peter Offen im Wert von mehr als 100 Millionen Euro.


Zu viele Frachter bestellt

Was Hellenen und Chinesen freut, erweist sich für die deutschen Reeder als kaum noch lösbares Problem: der rapide Wertverfall der Schiffe. Die risikoscheu gewordenen Banken genehmigen Kredite nur noch zu immer geringeren Anteilen am Beleihungswert. Die Quoten sind auf bis zu 50 Prozent des Preises gesunken, der sich beim Verkauf des Schiffes erzielen ließe. Da vor allem deutsche Reeder in den Boomjahren zu viele Frachter bestellt haben, sind die Marktpreise nach dem Einbruch des Welthandels durch die Finanzkrise 2008 stark gesunken. Trotz des Comebacks der globalen Konjunktur und des deutschen Exportwunders haben sich die Schiffspreise nicht wesentlich erholt.

Besonders krass wirkt sich das auf neue Containerschiffe oder Tanker aus. Diese verlieren schon während des Baus einen großen Teil ihres Wertes. „Die Marktwerte für neu ausgelieferte Frachter liegen derzeit je nach Schiffsklasse 20 bis 30 Prozent unterhalb der Baukosten“, sagt der Schiffsschätzer Bernd Holst vom Hamburger Sachverständigenunternehmen Weselmann. Holst erstellt im Auftrag von Banken Wertgutachten für Frachtschiffe.

Der Protest der Reeder und ihr Ruf nach Staatshilfe waren in der vergangenen Woche schlagartig aufgeflammt, doch so jäh sind die Finanzprobleme keineswegs über die Branche hereingebrochen. Die großen Schiffsfinanzierer zeigen sich schon länger nicht mehr so kulant wie einst. Schuldenkrise und strengere Regulierung zwingen die Banker, Risikokredite wie für unausgelastete Schiffe aus der Bilanz zu kehren. Das Misstrauen internationaler Investoren gegenüber Europa lässt zudem die Dollar-Reserven hiesiger Banken und damit die Hauptwährung in der Schiffsfinanzierung austrocknen.

„Marktführer wie die Commerzbank und die HSH Nordbank haben sich in den vergangenen Jahren ohnehin stark mit Neugeschäft zurückgehalten“, sagt der Leiter der Schiffsfinanzierung einer Frankfurter Bank. Die Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein hält noch Schiffsfinanzierungen im Volumen von rund 29 Milliarden Euro, davon lagern jedoch Forderungen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro in der internen Bad Bank. Kreditnehmer, die dort gelandet sind, haben keine Hoffnung mehr auf Verlängerung ihrer Linien. Die Abbaubank muss notleidende Kredite und Randgeschäft abwickeln, um Auflagen der EU-Kommission wegen früherer Staatshilfen zu erfüllen.

Rettungsring

Mit der HSH Nordbank sowie der 2012 von der Commerzbank integrierten Deutschen Schiffsbank haben die beiden Marktführer ihre Portfolios an Schiffskrediten 2011 gegenüber dem Vorjahr deutlich reduziert. Neben dem Warten auf ein Ende mit Schrecken bleibt Reedern und Schiffsfonds die Hoffnung auf risikobereitere Investoren aus dem Ausland, etwa dem industriell immer noch boomenden Reich der Mitte.

"Chinas Banken verfügen wegen der hohen Überschüsse des Landes aus dem Handel mit den USA über große Dollar-Reserven", sagt Horst Löchel, Bankenprofessor und China-Experte an der Frankfurt School of Finance & Management. Zudem seien Institute wie die China Development Bank oder die China Import Export Bank gezielt darauf aus, punktuell die Schwächen westlicher Konkurrenten zu nutzen, um das eigene Geschäft zu internationalisieren.

Dabei werfen die Asiaten notleidenden Reedern nicht ohne Hintergedanken einen Rettungsring zu. "Die Chinesen steigen in den deutschen Markt ein, damit ihren heimischen Schiffswerften nicht die Aufträge für Neubauten wegbrechen", sagt Schifffahrtsexperte Dobert. Die kommunistische Partei will dem Schiffbau in China laut aktuellem Fünfjahresplan bis 2015 zu einer weltweiten Führungsposition verhelfen.

So ist die China Development Bank im Auftrag ihrer Regierung verstärkt auf der Suche nach deutschen Schiffsbetreibern. Die Hamburger Traditionsreederei Peter Döhle etwa lässt sich den Bau von zehn Containerfrachtern von der China Development Bank finanzieren. Zu diesem Zweck soll das Unternehmen Kredite von rund einer Milliarde Euro aufgenommen haben. Gebaut werden die Schiffe auf chinesischen Werften. Die Reederei äußert sich nicht.

Eine goldene Brücke können die Chinesen jedoch längst nicht allen deutschen Schiffsbetreibern bauen, dazu haben viele von ihnen schlicht zu geringe Einnahmen. Der Branche bleibt deshalb langfristig nur, sich neue, bisher kaum genutzte Finanzierungswege zu erschließen.

"Deutsche Reeder müssen kapitalmarktfähig werden", sagt Schifffahrtsexperte Andreas Schultheis von der Berenberg Bank. Sie hätten sich in der Vergangenheit auf Bankkredite und geschlossene Fonds verlassen, die vom Staat mit deutlichen Steuervorteilen gefördert wurden. Nun sind die Institute aber nicht mehr bereit, Eigenkapital der Schiffsfonds vorzufinanzieren.

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