Alle starren auf Ursula Gather. Fest steht nur, dass Frau Gather als ausgewiesene Top-Wissenschaftlerin keinen direkten Einfluss auf die Geschicke der Industriebeteiligung ThyssenKrupp nehmen wird, an der die Stiftung als Ankeraktionär 25,3 Prozent hält. Doch das muss sie auch nicht. Denn der am 30. Juli verstorbene Berthold Beitz hatte drei Posten: Ehrenaufsichtsratsvorsitzende von ThyssenKrupp, Kuratoriumsvorsitzender der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und Vorsitzender des Vorstands dieser Stiftung.
Nur ein Posten ist vergeben, die Kuratoriumsführung an Professorin Gather. Den Ehrenvorsitz im ThyssenKrupp-Aufsichtsrat, eine Position, die es im Aktienrecht gar nicht gibt, teilte er sich seit 1999, dem Jahr der Fusion von Thyssen und Krupp, mit Günther Vogelsang, dem mittlerweile in Vergessenheit geratenen zweiten großen alten Mann von ThyssenKrupp. Vogelsang war früher einmal Krupp-Chef und stets ein Vertrauter und gelegentlich auch ein Gegenspieler von Beitz. Aber die beiden waren sich immer zugetan. Der frühere Multi-Aufsichtsrat Vogelsang lebt heute zurückgezogen in Düsseldorf. Er bleibt weiterhin Ehrenaufsichtsratsvorsitzender des Revierkonzerns. An den Aufsichtsratssitzungen jedoch nimmt er nicht teil.
Fehlt noch die Besetzung des Vorstandsvorsitzes der Stiftung, der früher natürlich auch von Beitz bekleidet wurde. Diese Stelle ist noch vakant. Wie wichtig sie ist, zeigt die Ankündigung der Stiftung, dass der Vorstandsvorsitz erst nach dem 26. September 2013 bekannt gegeben wird. Und das ist der Jahrestag der Geburt von Berthold Beitz, der sechs Wochen vor seinem Geburtstag verstarb. So viel Takt zeigt, dass die wahre Macht in dieser Position liegt, die Berthold Beitz als Chef des Ankeraktionärs hinter den Kulissen ganz im Stillen ausgeübt hat.
Dass der Vorstandsvorsitz einer Stiftung viel wichtiger ist als die Regentschaft an der Spitze des Kuratoriums zeigt ein Blick auf die benachbarte, ebenfalls in Essen ansässige RAG-Stiftung, die den Auslaufbergbau und seine Folgekosten in Deutschland finanzieren soll. Weithin bekannter Vorstandschef der Stiftung ist der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), der als SPD-naher Politiker dem Kabinett Schröder angehörte. Müller ist auch Architekt des Stiftungsmodells.
Der Kuratoriumsvorsitzende dagegen ist gegen Müller dagegen machtlos, wenn er auch eine noble Galionsfigur darstellt. Es ist der frühere RWE-Chef und Stahlunternehmer Jürgen Großmann, der öffentlich nicht mehr auftritt und eher als Moderator der sehr unterschiedlichen Kuratoriumsmitglieder fungiert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wie auch NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die auch der Krupp-Stiftung angehört.