K+S Krisen+Sorgen statt Kali+Salz

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Worst-Case-Szenario

Doch seit der Staatsanwalt bei dem Konzern näher hinschaut, entsteht der Eindruck, dass auch die Genehmigungsbehörden genauer prüfen. So muss K+S derzeit um die Erlaubnis bangen, Salzabfälle weiter wie bisher unter der hessischen Erde verschwinden zu lassen. Sollte die Behörde diesen Entsorgungsweg versagen, wären die Folgen katastrophal. Die komplette Schließung des Werks Werra erscheint möglich.

K+S-Anwälte haben das Szenario in einem Brief an das Verwaltungsgericht Kassel Mitte Mai beschrieben: „Eine Untersagung der Versenkung von Salzabwässern hätte erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Werk Werra. Ob ein kompletter Stillstand der Produktion auch für einen längeren Zeitraum durch Kurzarbeit aufgefangen werden könnte oder ob es zu betriebsbedingten Massenentlassungen käme, ist in keiner Weise absehbar“, heißt es in dem Schriftstück. Auch die möglichen Schadenssummen haben die Juristen bereits berechnet: Der aus einer „kompletten Stilllegung“ resultierende Schaden beliefe sich demnach „einmalig auf ca. 940 Millionen Euro, nachhaltig auf mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr“. „Neben den Umsatzeinbußen“ würde K+S „zugleich Marktanteile verlieren, die sich, wenn überhaupt, nur mit erheblichem Aufwand zurückgewinnen lassen“.

K+S bezeichnet den Inhalt des Schreibens als „Worst-Case-Szenario“, das verdeutlichen soll, dass „die Untersagung der Versenkung sehr weitreichende Folgen haben könnte“, wozu in „letzter Konsequenz auch eine Stilllegung des Verbundwerks Werra mit den daraus resultierenden Umsatzeinbußen“ zählen würde. Zudem betont K+S, das laufende Verfahren „stets sorgfältig vor dem Hintergrund einer möglichen Ad-hoc-Relevanz“ zu bewerten und „hinreichend materialisierte“ Fakten „umgehend“ zu veröffentlichen.

Bei der Hauptversammlung Mitte Mai wollte K+S den Aktionären mit den Schreckenszahlen zum Werk Werra, die dem Konzern damals schon bekannt gewesen sein dürften, nicht den Appetit verderben: Bis heute hat K+S diese Zahlen nicht veröffentlicht.

K+S-Chef Norbert Steiner:

Die Informationspolitik des Konzerns steht ohnehin in der Kritik. So ärgert sich Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, über den Gewinneinbruch im zweiten Quartal: „Bei der Hauptversammlung war davon noch keine Rede, dabei lief das zweite Quartal damals schon einige Wochen.“

Versalzene Landschaft

Im Rathaus des hessischen Städtchens Heringen sitzt Bürgermeister Daniel Iliev mit T-Shirt und Sportschuhen an einem Konferenztisch. Der dynamische 32-Jährige ist erst seit drei Wochen im Amt, leicht ist der Anfang nicht. Wegen des Gewinneinbruchs bei K+S fehlen Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die Stadt muss eine Haushaltssperre verhängen. „Sämtliche Förderungen an Vereine sind bereits gestrichen“, sagt Iliev. Für ihn geht es nun vor allem um Geld, um Jobs. Da müssen Umweltprobleme wohl hinten anstehen.

Dabei sind die Spuren der Entsorgungspraxis in dem 7500-Einwohner-Stadt kaum zu übersehen. „Zur schönen Aussicht“ verheißt ein Schild an der Peripherie von Heringen, die verzinkte Eisenstange darunter ist vom Rost zerfressen. Von hier fällt der Blick auf den Monte Kali, einen 200 Meter hohen Berg aus Salzabfällen. Doch auch aus dem Untergrund soll die Salzlauge schon hochgeschwappt und über Straßen und sogar in Häuser gelaufen sein. Weil das Grundwasser größtenteils versalzen ist, pumpt die Stadt ihr Trinkwasser per Fernleitung in den Ort. Bereits jetzt sind die Wassergebühren doppelt so hoch wie in Frankfurt am Main. Ob und für welche Schäden K+S verantwortlich ist, ist zwischen der Stadt Heringen und K+S strittig.

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