Kuka Rasanter Abstieg eines Superstars

Korrodierender Kuka-Roboter Quelle: dpa, Montage

Vor einigen Jahren war Kuka noch der Superstar der Branche. Doch heute ist der Roboterbauer zum Teil sanierungsbedürftig, das Werk Augsburg leidet. Und die Kunden misstrauen den neuen chinesischen Eignern.

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In Halle 3 sind die Arbeiter gut in der Zeit. Zwei Roboter haben sie bereits seit Schichtbeginn zusammengeschraubt. 41 Maschinen müssen sie heute noch schaffen, zeigt die Neonanzeige über ihren Köpfen. Das Ziel für diese Woche sind 172 Stück. Ihre Kollegen schieben schon die fertigen Industriemaschinen in Lkws, verpackt in Paketen. Auf denen steht in dicken schwarzen Buchstaben KUKA geschrieben.

Geht es nach ihren Chefs, sollen die Mitarbeiter in den orange-blauen Hallen im Shanghaier Westen bald doppelt so viele Roboter herstellen. Fast ein Jahr ist es her, dass das Augsburger Unternehmen Kuka von dem südchinesischen Hersteller von Haushaltsgeräten Midea übernommen wurde. Der will nun das Geschäft in China ausbauen. Zentrum der Expansion ist der Standort in Shanghai, der etwa eine Stunde außerhalb der Stadt in einem Industriegebiet liegt.

Der Vorstoß in China, so hat es Kuka-Chef Till Reuter erklärt, soll nicht zulasten der Produktion am Heimatstandort Augsburg gehen. Viele in der deutschen Belegschaft mögen das nicht mehr so recht glauben. Denn Ende November kündigte Reuter selbst den Abbau von 250 Stellen in Augsburg an. Die Arbeitsplätze streicht er ausgerechnet im größten Geschäftsfeld Kuka Systems. 5000 von weltweit insgesamt 13.000 Kuka-Mitarbeitern stellen in diesem Bereich automatisierte Produktionsanlagen her, etwa für die Auto- oder Luftfahrtindustrie. „Wir verstehen den Stellenabbau in diesem Ausmaß nicht“, kritisiert der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek. Man führe Gespräche mit dem Management und werde „der Sache auf den Grund gehen“.

Unternehmenskennzahlen der KUKA AG

Die Arbeitnehmervertreter werden bei der Suche vermutlich auf nichts Gutes stoßen. Lange galt Kuka als Perle der deutschen Wirtschaft, stand wie kaum ein anderes Unternehmen für die Verheißungen von vernetzter Produktion und voll digitalisierter Industrie. Jetzt stellt sich heraus, dass Kuka in der Krise steckt. Das wichtigste Geschäft mit Systemen läuft nicht recht, in China attackieren findige Konkurrenten mit billigen Produkten. Zudem könnten sich die wichtigsten Partner demnächst verabschieden. 4,5 Milliarden Euro hat Midea für Kuka bezahlt. Die Chinesen könnte sich finanziell verhoben haben, sagt jemand, der mit der Transaktion vertraut ist.

Schleichende Krise

Kuka selbst redete in den vergangenen Wochen eher schwammig von „Kapazitätsengpässen in einigen Projekten“. Nun räumt eine Firmensprecherin ein, dass „Kuka Systems Augsburg eine Neuausrichtung mit strukturellen Veränderungen bevorsteht, die sich auch auf einen Teil der Belegschaft auswirken wird“. Wie ernst die Lage ist, zeigt der Kehraus an der Spitze der Sparte: Im September mussten die Geschäftsführer Andre Hagen und Frank Klingemann gehen.

Die Krise kam schleichend. Kostspielige Verzögerungen bei einigen Projekten spitzten sich in diesem Jahr zu. Schon vorher zweifelte die Konzernspitze wohl daran, dass der Bereich auf Dauer stark genug ausgelastet sein würde. In den USA und in Asien, wo die Systems-Geschäfte prosperieren, findet Kuka nicht ausreichend Personal, um mit der Nachfrage mithalten zu können, berichten Insider. In Deutschland hingegen fehle es aufgrund eines „mörderischen Preiswettbewerbs“ derzeit an Aufträgen. „Die Sparte gilt schon länger als Sorgenkind, nicht erst, seit die Chinesen Kuka übernommen haben“, sagt ein Kuka-Kenner.

Die größten deutschen Maschinen- und Anlagenbauunternehmen nach Umsatz

In der Tat schaffte Systems im laufenden Geschäftsjahr gerade noch eine Umsatzrendite vor Steuern und Zinsen von knapp fünf Prozent. Der zweitgrößte Firmenbereich, das Robotergeschäft, kommt auf fast elf Prozent. Der Auftragseingang im Geschäft mit Robotern stieg in den vergangenen drei Quartalen um 21 Prozent – bei Systems geht es hingegen mit minus zwölf Prozent abwärts. Kuka begründet das mit einem „hart umkämpften Marktumfeld“. Darüber hinaus, so eine Sprecherin, „laufen einige Kundenprojekte nicht gut“.

Unklar ist, ob man in China über die Systems-Schwächen bis ins Detail Bescheid wusste, als man bei Kuka zuschlug. Midea bot damals mit 115 Euro je Aktie einen derart hohen Aufpreis gegenüber dem Börsenwert, dass alle anderen Kaufinteressenten aufgaben – und löste damit einen politischen Aufruhr aus. Politiker forderten eine Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes, um Übernahmen von technologisch wichtigen Unternehmen zu erschweren. Über Wochen liefen im Sommer 2016 Sondierungsgespräche mit europäischen Herstellern, selbst die Autokonzerne als Hauptkunden von Kuka prüften eine Übernahme. Letztlich aber konnte – oder wollte – keiner das Gebot der Chinesen toppen.

Subventionen und leere Hüllen

Für Midea ist Kuka vor allem ein strategisches Investment. Mit einer Quote von 49 Robotern auf 10.000 Arbeiter liegt China bei der Automatisierung im Vergleich zu Deutschland mit 301 Robotern noch weit zurück. Das soll nicht so bleiben. China hat sich zum weltweit wichtigsten Abnehmer von Robotern entwickelt. Allein 2016 wurde bereits fast jeder dritte weltweit installierte Roboter in dem Land aufgestellt, insgesamt 90.000 Stück. 2020 sollen 40 Prozent aller Industrieroboter dort verkauft werden. Zugleich treibt die Regierung den Aufbau von eigenen Roboterherstellern mit Fördergeldern, niedrigen Steuern und kostenlosen Grundstücken voran.

Das sind die Trends der Robotermesse IRex
Der kommende Roboterriese: Der Autohersteller Toyota hat seit zehn Jahren eine große Roboterabteilung aufgebaut. Der humanoide Roboter T-HR3 kann präzise selbst komplexe Handgriffe erledigen. Quelle: Martin Kölling
Der größte Trend: Cobots, also Roboter, die mit dem Menschen interagieren. Mit seinem berühmten Roboterarm ist Kuka aus Augsburg ein Cobot-Hersteller der ersten Stunde. Quelle: Martin Kölling
Ein Cobot als Küchenhilfe: Dieser kollaborative Roboter von Kawasaki Heavy drückt Plastikdeckel auf Fertigmahlzeiten. Quelle: Martin Kölling
Der japanische Elektronikhersteller Panasonic produziert einen automatischen Tomatenpflücker, der dank maschinellem Lernen reife Tomaten identifizieren und einsammeln kann. Quelle: Martin Kölling
Dieser Roboterarm von Kawasaki Heavy kann auch beim Röntgen helfen und so die Strahlenbelastung von Klinikmitarbeitern senken. Quelle: Martin Kölling
Diese Schweißroboter von Daihen haben auch Entertainer-Qualitäten – und können einen Lichtschwert-Tanz aufführen. Quelle: Martin Kölling
Der japanische Roboterriese Fanuc zeigt nicht nur kleine kollaborative Roboter, sondern auch klassische Riesen. Dieser Arm kann ein 1,2 Tonnen schweres Auto heben. Quelle: Martin Kölling

Vor der Kuka-Übernahme hatte Midea bereits mit dem japanischen Industrieroboterbauer Yaskawa und einem der erfolgreichsten chinesischen Roboterhersteller, Efort, ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Langfristig will Midea das Wissen aus der Industriesparte in das eigentliche Kerngeschäft transferieren. Der Konzern will dann etwa auch Spezialroboter für die Alten- und Krankenpflege bauen.

Insgesamt laufen die Geschäfte gut: Midea rechnet dieses Jahr bei Kuka mit 12 Prozent Umsatzwachstum auf 3,3 Milliarden Euro. Bis September stieg die Zahl der Neuaufträge um fast sechs Prozent auf knapp 2,8 Milliarden Euro. Doch es liegen noch große Herausforderungen auf dem Weg in die Zukunft für den chinesischen Kuka-Eigner.

Denn der Markt in der Heimat ist viel schwieriger, als es von außen erscheint, auch wenn Kuka-Chef Reuter sich selbst immer wieder zuversichtlich gibt. Zwar werden alle großen ausländischen Hersteller 2017 wieder Rekorde bei den Absatzzahlen hinlegen, sagt Georg Stieler von der Techberatung STM aus Shanghai. Dieser Erfolg werde aber mit immer geringeren Margen bezahlt. „Der Wettbewerb unter den führenden Roboterherstellern ist enorm“, sagt der Industrieexperte.

Zudem drängen immer mehr subventionierte einheimische Hersteller in Anwendungen vor, die bis vor Kurzem nur von ausländischen Lieferanten abgedeckt werden konnten. In den vergangenen Jahren sind über 3000 Robotikfirmen in China entstanden. Viele davon seien allerdings „leere Hüllen“, sagt Stieler, die in erster Linie Subventionen abgreifen wollten. Immerhin: Das chinesische Industrieministerium geht nun stärker gegen die Scheinhersteller vor. Stieler geht davon aus, dass künftig nur etwa 30 reine Roboterhersteller überleben werden. „Und selbst da wird es zu weiteren Konsolidierungen kommen“, sagt er.

Diese Jobs mischen Roboter auf
IndustrieSchon heute werden viele Arbeitsschritte von Maschinen übernommen - doch die vernetzte Produktion setzt auch in den Werkshallen eine weitere Automatisierungswelle in Gang. Das muss unterm Strich aber nicht zwangsläufig zu Jobverlusten führen, heißt es aus der Wirtschaft: Bereits Ende 2016 lag Deutschland bei der „Roboter-Dichte“ weltweit auf Platz drei hinter Südkorea und Japan - und trotzdem sei die Beschäftigung auf einem Rekordstand, erklärt der Maschinenbau-Verband VDMA. Auch der Präsident des Elektronik-Branchenverbandes ZVEI, Michael Ziesemer, sagt: „Es können auch mehr Jobs entstehen als wegfallen.“ Die Digitalisierung werde eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle und damit neue Stellen hervorbringen. „Wer kreativ ist, rangeht und sich Dinge überlegt, hat jede Menge Chancen.“ Quelle: dpa
Das vernetzte und automatisierte Fahren dürfte künftig viele Jobs überflüssig machen Quelle: dpa
BüroSchreibarbeiten, Auftragsabwicklung und Abrechnungen - Büro- und kaufmännische Fachkräfte erledigen nach Experteneinschätzungen Arbeiten, die heute schon zu einem hohen Grad automatisierbar sind. Dadurch könnten auch viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen: Mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind in solchen Berufen tätig. Quelle: dpa
Der Handel wurde als eine der ersten Branchen von der Digitalisierung erfasst - entsprechend laufen im Online-Handel viele Prozesse automatisiert ab Quelle: dpa
Sie melken die Kühe, füttern, misten aus und helfen beim Ernten - Roboter haben längst auch auf den Bauernhöfen Einzug gehalten Quelle: dpa
Roboter in der Pflege - was in Japan bereits zum Alltag gehört, bereitet vielen Menschen in Deutschland noch eher Unbehagen Quelle: dpa
Auch im Haushalt tun Roboter schon ihren Dienst Quelle: dpa

Ob ausgerechnet Kuka und Midea als Sieger aus dem Verdrängungskampf hervorgehen, ist ungewiss. Denn bei den wichtigsten Kunden, in der Automobilindustrie, schwindet langsam das Vertrauen in den deutschen Hersteller, seit dieser von Midea kontrolliert wird.

Mit der neuesten Generation der Roboter, die in Halle 3 in Shanghai hergestellt werden, gibt es bald keine Geheimnisse mehr. Dank zunehmender Vernetzung kennen die Roboter bald jeden Handgriff. Und wissen auch, wie viele Autos bei welchem Autobauer vom Band gelaufen sind, welche Teile fehlen und was bei neuen Modellen anders ist. Die Kehrseite der Industrie 4.0 ist totale Transparenz.

Sich ausgerechnet einem chinesischen Roboterzulieferer und womöglich danach einem chinesischen Autobauer auszuliefern ist für viele westliche Autobauer eine Horrorvision. Offiziell will zwar niemand etwas dazu sagen, aber hinter vorgehaltener Hand äußern gerade deutsche Autobauer Zweifel an der Zukunft der Partnerschaften.

Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, sagt: „Ich freue mich über jede ausländische Investition. Aber wenn nur investiert wird, um dann das Knowhow aus der Firma zu ziehen, dann macht mir das Sorgen. Genau das ist bei Kuka mit Ansage passiert. Dort beginnt nun stückchenweise die Verlagerung nach China. In Augsburg gehen die Arbeitsplätze verloren und bei den Kunden gibt es Datenschutzprobleme. Deshalb müssen wir unsere Industrien vor solchen Übernahmen schützen. Das Problem ist, dass die Chinesen Mondpreise zahlen. Mondpreise für Knowhow zu zahlen, ist für sie billiger, als selbst in Forschung zu investieren. Da beißt sich das chinesische System der Planwirtschaft mit unserer Marktwirtschaft. Das ist ein Dilemma. Der deutsche Unternehmer, der seine Firma verkaufen will, freut sich. Aber wir tragen die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft.“

Dank der verschärften Internetsicherheitsgesetze und des zunehmenden politischen Einflusses auf ausländische Unternehmen ziehen ohnehin immer mehr deutsche Firmen ihre Forschungszentren aus China ab. Das „Tafelsilber“, sagt einer aus der Industrie, versuche man außerhalb des Landes zu lagern.

Viele Roboter aus der Halle 3 in Shanghai werden auch an die Autoindustrie verschickt. Man ist hier stolz auf die Maschinen. In der Eingangshalle werden manche von ihnen wie in einem Museum ausgestellt. Daneben hängen Schwarz-Weiß-Bilder, die die Firmengeschichte erzählen. Die Ausstellung beginnt mit Porträts der Unternehmensgründer 1898 in Augsburg und endet Mitte der 2000er-Jahre. Auf die Übernahme durch Midea fehlt jeder Hinweis.

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