Kunden lehnen Zukunftstechnologie noch ab Lange Leitung beim vernetzten Auto

Das Auto der Zukunft ist vernetzt. Doch gerade für Deutschland sind die Vorurteile gegenüber der neuen Technologie besonders groß, zeigt nun eine internationale Studie. Für die Hersteller ist das ein Problem.

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Der Brite Patrick Keegan leitet bei Nissan die Abteilung, die Mobiltelefone mit dem Auto verbinden soll. Quelle: Handelsblatt

Statistisch gesehen hat jeder durchschnittliche Deutsche 1,7 Smartphones, Patrick Keegan hat 40. Das liegt an seinem Job. Der Leiter des Entwicklungsteams für Integration digitaler Dienste bei Nissan soll den Fahrzeugen des Autobauers beibringen mit den Handys zu reden. Eine schwierige Aufgabe, denn Betriebssysteme und Hardware ändern sich rasant schnell. „Neue Autos haben heutzutage einen Lebenszyklus von fünf oder sechs Jahren, bevor eine neue Version auf den Markt kommt, aber ein Mobiltelefon wird schon nach weniger als zwei Jahren ersetzt“, sagt Keenan.

Der Wandel der Autos zum rollenden Computer ist für die Hersteller eine immense Herausforderung, die Milliardeninvestitionen nötig macht. Bis zum Jahr 2020 sollen acht von zehn neuen Autos über vernetzte Technologien verfügen. Doch damit diese Technologie auch genutzt wird, müssen Entwickler noch immens viel Überzeugungsarbeit leisten.

Denn die Vorbehalte gegen das vernetzte Auto sind weiterhin groß, zeigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberater von Bearing Point und TNS, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Für ihre Untersuchung haben die Berater 3.700 Autokunden in 10 Ländern befragt, die bereits ein Auto mit vernetzten Funktionen besitzen. Rund 39 Prozent der Autobesitzer sind sich nicht einmal bewusst, dass vernetzte Funktionen in ihren Fahrzeugen vorhanden sind. Nur einer von zehn Kunden nutzt die vorhandenen Funktionen seines Autos komplett.

Insbesondere in Deutschland ist die Skepsis gegenüber der neuen Technologie besonders stark ausgeprägt. Ganze 28 Prozent sagen in der Befragung, dass sie die vernetzten Technologien ganz ablehnen, immerhin 21 Prozent wollen überzeugt werden. Damit sind die deutschen Kunden deutlich kritischer als in anderen europäischen Ländern. Besonders in Italien und Spanien fallen die Zustimmungsraten deutlich höher aus. Nach Ansicht der Berater liegt die hohe Ablehnung vor allem an der mangelnden Funktionalität der vernetzten Angebote.

Und auch im Autohaus werden Fehler gemacht: nur 40 Prozent aller Befragten geben an, dass sie über die Funktionen ihres Autos ausreichend informiert wurden. Dabei nutzen Kunden, die gut beraten wurden, auch die Möglichkeiten der vernetzten Systeme deutlich häufiger, auch das zeigt die Studie. „Die Hersteller müssen alles daran setzen, ihre Kunden mit diesen neuen Technologien vertraut zu machen”, sagt Matthias Loebich, globaler Leiter Automotive bei Bearing Point.

Hier haben Autoknacker leichtes Spiel
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Gerade bei den deutschen Premiumherstellern funktioniert das bereits besser als bei der Konkurrenz. Der Anteil der befragten Kunden, die vernetzte Dienste heute schon nutzen, ist bei Audi, BMW und Mercedes signifikant höher als bei der Konkurrenz. Und auch Männer scheinen der neuen Technologie aufgeschlossener gegenüberzustehen. Immerhin 61 Prozent aller Nutzer vernetzter Dienste sind männlich.


Apple und Uber legen vor, die Autobauer müssen folgen


Zwei vernetzte Dienste, die schon auf dem Smartphone viel genutzt werden, sind auch unter den Skeptikern gefragt. Rund 20 Prozent geben an, künftig vernetzte Navigation nutzen zu wollen. Immerhin 14 Prozent hätte Interesse an vernetzten Infotainment-Systemen. Die Sicherheitsaspekte eines vernetzten Fahrzeugs werden dagegen unterschätzt. Nur drei Prozent wollen sicherheitsrelevante, vernetzte Dienste nutzen. „Der unmittelbare Kundennutzen muss greifbarer werden”, sagt Winfried Hagenhoff, Geschäftsführer Mobilitätsforschung bei TNS Infratest. Dann steigt auch die bisher nur moderat ausgeprägte Zahlungsbereitschaft für neue vernetzte Dienste.

Die Hersteller tun sich nach Ansicht der Unternehmensberater nicht nur noch schwer mit den neuen Technologien, sondern auch mit der Erschließung neuer Einnahmequellen und der Steigerung der Markenbekanntheit. Für die Wissenschaftler ist das eine riskante Strategie. „Das ist eine willkommene Chance für neue Marktteilnehmer wie Uber oder Apple, die bereits in Infotainment- und Ortungs-Funktionen investieren, um ihren Marktanteil in diesem Bereich zu sichern”, schreiben die Berater.

Tatsächlich sind die vernetzen Dienste gerade für junge Autokäufer ein wichtiges Kriterium. Für rund ein Drittel der Befragten sind sie laut Bearing-Point-Studie sogar der wichtigste Grund für den Kauf – und damit noch relevanter als Design und Leistung eines Autos. Darum müssen die Autohersteller nach Ansicht der Autoren schnell handeln, wenn sie nicht von den großen Tech-Unternehmen überholt werden wollen.

„Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass in ganz Europa niemand aus einem Nissan Schauraum marschiert, weil sich das Auto, das er kaufen will, nicht mit seinem Smartphone verbinden lässt“, sagt Keegan. Auf ihn und seine Kollegen wartet darum noch viel Arbeit – und einige neue Smartphones.

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