Landwirtschaft Es steht schlecht um die Schweinebauern

Seite 3/3

Nur große Betriebe werden überleben

Laut Experten sind die Auflagen und Gesetze ein wesentlicher Grund, dass immer mehr Betriebe in Deutschland dicht machen. Etwa 2000 Verordnungen müssen Schweinebauern, die auch Ackerbau betreiben, einhalten. „Der psychische Stress durch die Auflagen ist größer als der Stress, den man hatte, als man noch schwer körperlich arbeiten musste“, klagt Boves. Besonders zu schaffen macht den Landwirten laut Boves die Düngeverordnung, wonach sie seit 2006 weniger Mist auf ihre Felder ausfahren dürfen. Die Folge: Die Bauern müssen weit entfernte Flächen pachten, wo sie den Tierkot entsorgen oder ihn für einen Preis zwischen 8 und 18 Euro pro Kubikmeter von einem Spezialdienst entsorgen lassen. Das erhöhe wiederum die Produktionskosten. "Nun ist wieder eine Verschärfung der Verordnung geplant, die voraussichtlich im nächsten Jahr in Kraft tritt. Sie macht uns zur Zeit sehr viel Sorge", sagt Boves. Gleichzeitig rückten ihnen Umweltorganisationen auf die Pelle, die den unangenehmen Geruch und die Tierhaltung bemängelten. "Umweltschutz und Tierschutz stehen im Widerspruch zueinander", stöhnt Jörg Boves. Indem er Umweltauflagen erfülle, fühlten sich Tierschützer diskriminiert – und andersherum genauso. "Als Schweinebauer ist man der Prügelknabe der Nation."

Viele Landwirte schrecken diese Gesetze im Gegensatz zu Boves ab – besonders, wenn neue in Kraft treten. "Immer wenn Übergangsfristen für neue Auflagen auslaufen, stehen die Landwirte vor der Entscheidung, ob sie in neue Technik investieren, um weiter zu produzieren oder ihren Betrieb aufgeben", sagt Simons. 2013 sei beispielsweise eine neue Vorschrift für die Haltung von Sauen in Kraft getreten, sodass die Landwirte ihre Ställe umbauen mussten. Die Konsequenz: Die Mehrheit der großen Betriebe macht weiter, viele kleine schließen. Simons hält diese Entwicklung aber nicht für ungewöhnlich. "Die Schweinebauern sind in einer schwierigen Situation", sagt Simons. "Dass immer mehr Betriebe schließen, ist das Ergebnis des Wettbewerbs, auch wenn viele die Entwicklung auf dem Markt als nicht wünschenswert betrachten." Diejenigen, die zu den geringsten Kosten produzieren und den technischen Fortschritt umsetzen, überleben nach Meinung von Simons.

Jörg Boves sieht das etwas anders. Er ist überzeugt, dass der Schweinezyklus aus bleibt. Bislang war es so, dass Landwirte bei hohen Marktpreisen genug Geld zur Seite legen konnten, um in neue Technik zu investieren. Die Folge: Sie produzierten mehr Tiere. Dadurch fiel der Marktpreis – und die Landwirte reduzierten ihr Angebot. Dadurch stieg wiederum der Preis – und der Kreislauf schloss sich. Doch mittlerweile kann Boves kein Geld mehr zurücklegen, um in seinen Betrieb zu investieren. Die Preise sind schon zu lange zu niedrig. „Es bleibt keine Zeit mehr, Kraft zu schöpfen“, sagt Jörg Boves.

Und der psychische und finanzielle Druck wird sich laut Experten auch in den kommenden Jahren verschärfen. Simons geht davon aus, dass auf die Landwirte weitere Kosten zukommen werden: zum Beispiel wegen baulicher Standards, Umwelt- oder Tierschutz. "Sollten neue Auflagen nur in Deutschland eingeführt werden, könnten sie die Stellung der hiesigen Fleischwirtschaft im weltweiten Wettbewerb erheblich verschlechtern", sagt Simons. Schließlich ist Deutschland angewiesen auf den Export – insbesondere in Drittländer, wo die Eigenversorgung gering ist. "Die Politik muss eine Exportstrategie entwickeln und umsetzen", fordert deshalb schon jetzt der Bauernverband. Durch eine Kooperation – zum Beispiel beim Aushandeln von Veterinärabkommen oder dem Abbau von Handelsbarrikaden – könnten fremde Märkte schneller erschlossen werden.

Davon würden zumindest die nachfolgenden Generationen von Jörg und Axel Boves profitieren. Sie planen, ihre Betriebe an ihre Kinder, die jetzt noch in den Kindergarten und zur Schule gehen, weiterzuvererben – vorausgesetzt, die Höfe halten sich bis dahin. Zehn Jahre muss Jörg Boves noch seinen Kredit abbezahlen. Dann braucht er spätestens auch einen neuen Stall – und müsste sich neues Geld bei der Bank leihen. Er will dann noch zehn Jahre bis zur Rente weiter in seiner Ferkelzucht arbeiten. Aber einen Kredit aufnehmen? "Nein, dieses Risiko gehe ich nicht noch einmal ein", sagt er fest entschlossen. Wie er dann weitere zehn Jahre in dieser Branche bestehen will? Ratloses Schulterzucken.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%