Lange Hauptversammlung So heftig fällt die Anlegerschelte für die Bayer-Chefetage aus

Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, erhält scharfe Kritik von Großaktionären. Quelle: dpa

Bayer-Chef Werner Baumann ist derzeit nicht zu beneiden: Der Aktienkurs ist im Keller, die Glyphosat-Klagewelle in den USA wird immer größer und auf der Hauptversammlung trifft er auf tief besorgte Aktionäre.

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Dieser Artikel gibt die Geschehnisse bis Redaktionsschluss um 20:30 Uhr am Freitagabend wieder.Der Kauf des US-Konzerns Monsanto hat der Führungsriege des Agrarchemiekonzerns Bayer eine heftige Schelte von Anteilseignern und lautstarke Proteste vor der Tür eingebracht. Bei der Hauptversammlung am Freitag in Bonn meldeten sich zahlreiche Großaktionäre zu Wort, die mit Vorstand und Aufsichtsrat hart ins Gericht gingen. Mit Blick auf Imagekratzer durch die Glyphosat-Klagewelle in den USA und den rapiden Kursverfall der Bayer-Aktie an der Börse sagte Mark Tümmler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW): „Nie zuvor hat ein Dax-Konzern Reputation und Wert so schnell eingebüßt - das ist eine Schande.“

Kritik kam auch vom Analysten Janne Werning von der Fondsgesellschaft Union Investment: „Die Bayer-Führung hat die Rechtsrisiken des Monsanto-Deals offenbar völlig unterschätzt.“ Seit 2018 hat Bayer in den USA zwei Gerichtsschlappen hinnehmen müssen, der Konzern wurde zu hohem Schadenersatz an Krebskranke verurteilt. Dagegen geht Bayer aber in Berufung. Insgesamt müssen sich die Leverkusener, die 2018 den Konkurrenten und Saatguthersteller Monsanto übernommen hatten, in den USA mittlerweile 13 400 Schadenersatzklagen wegen Glyphosat stellen - und die Zahl dürfte weiter steigen.

Bayer-Chef Werner Baumann beteuerte erneut, dass Glyphosat „bei sachgerechter Anwendung ein sicheres Produkt“ sei. Mit Blick auf die krebskranken Kläger in den USA sagte der Manager: „Glyphosat-basierte Produkte sind nicht der Grund für ihre schweren Erkrankungen.“

Baumanns Beteuerungen konnten die tiefen Sorgenfalten der anwesenden Anteilseigner aber nicht glätten. Die Rechtsrisiken durch Monsanto seien für das 1863 gegründete Traditionsunternehmen „riesig und unkalkulierbar“, monierte Nicolas Huber von der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS. „Wir Aktionäre haben große Bedenken um den Fortbestand einer 150 Jahre alten und größtenteils erfolgreichen deutschen Industriegeschichte.“ Ingo Speich von der Deka, die zu den Top-10-Anteilseignern von Bayer zählt, sprach von einem „Scherbenhaufen“ und sagte mit Blick auf den Kursverfall: „Innerhalb von nur zwei Jahren ist der einstige Pharmagigant zu einem Zwerg mutiert.“ Es gebe die Gefahr, übernommen oder sogar zerschlagen zu werden.

Baumann antwortete auf die Kritik ruhig und blieb bei seiner Linie: Man dürfe angesichts der Kurseinbußen zwar nichts beschönigen, dennoch sei der Monsanto-Kauf auf lange Sicht der richtige Schritt gewesen. „Wir halten die Monsanto-Akquisition nach wie vor für werthaltig und strategisch richtig.“

Man habe die Übernahme vorab gründlich geprüft, sagte der Manager. Aber war es überhaupt möglich, die Rechtsrisiken vorher genau einzuschätzen? Aktionäre meldeten Zweifel an - Monsanto sei auch börsennotiert gewesen, möglicherweise durften die US-Amerikaner in den Übernahmeverhandlungen gar nicht alle Karten auf den Tisch legen. Baumann ließ auch diesen Vorwurf abperlen - die Tiefenprüfung des Unternehmens (Due Diligence) sei „marktüblich“ gewesen.

Kritik bei Aktionärstreffen ist - auch bei Bayer - durchaus üblich. Unüblich waren am Freitag hingegen ihre Schärfe und die Ankündigung mehrerer Großaktionäre, Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten zu wollen. Noch vor einem Jahr konnte Baumann hierbei eine Zustimmung von gut 97 Prozent einholen, am Freitag zeichnete sich aber ein deutlich niedrigerer Wert ab. Im Jahr 2002 hatte es wegen des Lipobay-Skandals für den damaligen Vorstand nur 90 Prozent gegeben - zuvor hatte Bayer den Cholesterinsenker, der im Zusammenhang mit mehreren Todesfällen stand, vom Markt genommen.

Direkte Folgen haben niedrige Zustimmungswerte zwar nicht für die Führungscrew von Aktiengesellschaften, sie sind aber eine schallende Ohrfeige - im Fall von Bayer könnte dies die Stellung vom Konzernchef Baumann schwächen. Der 56-Jährige betonte im Kreuzverhör der Anteilseigner, dass sich der Aktienkurs erholen werde: „Wir setzen alles daran, den Wert unseres Unternehmens wieder in die Bereiche zu führen, wo er hingehört.“ Zudem wies er auf gute Zahlen hin - tatsächlich hatte Bayer sich zum Jahresauftakt betriebswirtschaftlich insgesamt gut entwickelt, der Umsatz legte deutlich zu.

Die Hauptversammlung wurde zum Sitzungsmarathon, mehr als 60 Redner standen auf der Liste. Ein Ende war auch am frühen Freitagabend noch nicht absehbar. Zum Auftakt der Veranstaltung entschuldigte sich der Versammlungsleiter und Aufsichtsratschef Werner Wenning bei den Aktionären für die Kursverluste: „Das bedauern wir sehr.“

In dem Bonner Kongresszentrum WCCB fanden sich rund 3600 Aktionäre ein, vor den Türen des Gebäudes sorgten bis zu 700 Demonstranten für lautstarken Protest - die meisten von ihnen waren junge Menschen aus der „Fridays-for-Future“-Bewegung. Große Agrarkonzerne wie Bayer seien schlecht für die Umwelt und damit für die Zukunft, sagte Aktivist Felix Pohl. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte zu einer Kundgebung aufgerufen. Die langjährigen Bayer-Kritiker warnen vor dem Einfluss von Großkonzernen wie Bayer, die Bauern in Abhängigkeit treibe und der Landwirtschaft damit langfristig schade.

Dieser Artikel gibt die Geschehnisse bis Redaktionsschluss am Freitagabend wieder.

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