
Manager und Unternehmer reden im Allgemeinen lieber von der Zukunft als von der Vergangenheit. In den Nachkriegsjahrzehnten hatten deutsche Unternehmen dazu auch gute Gründe: Wie vermutlich alle gesellschaftlichen Institutionen waren auch Unternehmen in verbrecherische Aktivitäten des Nazi-Regimes verstrickt. Die meisten Unternehmen öffneten erst unter dem Druck amerikanischer Gerichte, die ehemalige Zwangsarbeiter vertraten, in den späten 1980er oder 1990er Jahren ihre Archive, um ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die seither erschienenen Studien zeigen, dass viele Unternehmen an der mörderischen Ausbeutung von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen beteiligt waren. Für Unternehmenshistoriker jedenfalls eröffnet sich seither ein weites Betätigungsfeld und nach dem Aussterben der Erlebnisgeneration der potentiellen Täter
Nun ist eine ausführliche Studie der Historiker Andreas Wirsching, Sven Keller und Jürgen Finger über den Bielefelder Konzern Dr. Oetker erschienen. Firmenpatriarch Rudolf-August Oetker (1916-2007) hatte bis zu seinem Tod gebremst und ein Veto eingelegt. Das Ergebnis ist längst nicht so erschütternd, wie man nach den Erkenntnissen über den hunderttausendfachen Zwangsarbeitereinsatz der deutschen Industrie während des Krieges hätte befürchten müssen. Es gab bei Dr. Oetker offenbar keine ausgebeuteten KZ-Häftlinge wie bei I.G. Farben oder in den Konzernen der Flicks und Quandts. Andererseits - wen wundert es wirklich? - haben die Firmen-Chefs Richard Kaselowsky (gestorben 1944) und Rudolf-August Oetker offenbar "enge Beziehungen zur NS-Bewegung" gepflegt. Kaselowsky gehörte, wie schon lange bekannt, zum "Freundeskreis Reichsführer SS". Das war eine Clique von Industrie-Lobbyisten, die die Wirtschaftspolitik der Nazis in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchten.





"Die Familie und die Firma Oetker waren Stützen der NS-Gesellschaft, sie suchten die Nähe des Regimes und profitierten von dessen Politik", lautet das Fazit der Historiker. Kaselowsky sei kein „antisemitischer Rassenideologe“ gewesen, heißt es in der Studie, aber: „Seine Zuwendung zur NSDAP ging über "bloßen Opportunismus" weit hinaus.
Schon vor der Präsentation der Studie am Montag, hatte Rudolf-August Oetkers Sohn August, geboren 1944, für Aufsehen gesorgt, als er seinen Vater in einem Interview mit der "Zeit" als Nationalsozialisten bezeichnete. Seine Stiefmutter, Rudolf August Oetkers Witwe Maja, hat nun in einem Interview mit der "Neuen Westfälischen" ihren Mann in Schutz genommen. Er sei "kein überzeugter Nazi" gewesen. Maja Oetker, geboren 1934, hat ihren Mann 1961 kennengelernt. Ihre Empörung ist menschlich verständlich, doch für die Bewertung der Handlungen und Haltung ihres Mannes vor 1945 wohl ebenso wertlos wie die des Sohnes.