Unbestritten ist, dass der Mann mit der stets akkuraten Fönfrisur in seinen elf Jahren bis 2014 als Vorstandvorsitzender bei Linde aus dem etwas verschlafenen Unternehmen einen hoch profitablen und schlagkräftigen Konzern gemacht hat. Dann, Wochen vor dem Fusionsbeschluss, sah es so aus, als könnte der Zusammenschluss mit Praxair – und damit auch Reitzle – scheitern. Die Arbeitnehmervertreter bei Linde, die zunächst Zustimmung signalisiert hatten, machten auf einmal massiv Front gegen die Fusion.
Reitzle reagierte immer gereizter und gab zu erkennen, er werde den Zusammenschluss auf Gedeih und Verderb durchziehen. Auf der Hauptversammlung Anfang Mai kam der Aufsichtsratschef dann massiv unter Beschuss.
Da ist in den vergangenen Monaten viel Porzellan zerschlagen worden, das die Beteiligten nun kitten müssen.
Chef des neuen Mega-Konzerns wird Steve Angel, zurzeit CEO bei Praxair. Der hat in den vergangenen Monaten kaum eine Gelegenheit ausgelassen, um zu signalisieren, wer in dem fusionierten Unternehmen am Steuer sitzen wird (die Amerikaner) und nach welchen Managementmethoden der Konzern geführt werden wird (amerikanischen). Vom Linde-Stammsitz in München wird wohl eine Reihe von Funktionen abgezogen. Manche sprechen von einer Aushöhlung der deutschen Linde-Standorte.
Viele der etwa 8000 deutschen Linde-Mitarbeiter sorgen sich denn auch um die langfristige Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Zwar gilt bis Ende 2021 eine Beschäftigungsgarantie; der Konzern hat zugesichert, bis dahin auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, die Sorgen mancher sind dennoch mit Händen zu greifen.
Im April gingen Tausende deutsche Linde-Arbeiter auf die Straße und demonstrierten gegen den Zusammenschluss. Reitzle, der dem Board des fusionierten Konzerns als Chairman vorstehen wird, und Steve Angel werden einiges investieren müssen, um Vertrauen zurückzugewinnen.