Linde Büchele verschärft den Sparkurs

Die geplatzten Fusionsverhandlungen mit Praxair haben beim Gasespezialist Linde Konsequenzen. Der scheidende Konzernchef Wolfgang Büchele legt ein neues Sparprogramm auf – das auch Arbeitsplätze kosten wird.

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Der Konzern will mit einem Effizienzprogramm zusätzliches Geld sparen. Quelle: Reuters

München Es war kein guter Sommer für Linde-Chef Wolfgang Büchele. Die Fusionsverhandlungen mit dem US-Konkurrenten Praxair platzten. Als Konsequenz kündigte Büchele, der hinter dem Zusammenschluss stand, an, seinen im Mai auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Nach nur einer Amtszeit wird er Linde wieder verlassen.

Im Herbst gibt es nun auch keine besonders erfreulichen Nachrichten. Wegen des schwierigen konjunkturellen Umfelds und wohl auch als Konsequenz aus dem Scheitern der Fusion verkündete Büchele am Freitag ein neues Sparprogramm mit dem Namen „Lift“. Dabei werden auch Arbeitsplätze wegfallen. Die Kosten sollen mit Hilfe des Programms in den nächsten drei Jahren um zusätzlich 370 Millionen Euro im Jahr gesenkt werden. „Unsere klare Vision ist, Linde langfristig und nachhaltig zu einem der profitabelsten und präferierten Anbieter im Industriegase-Engineering-Geschäft auszubauen", sagte Büchele. Der Wachstumskurs werde fortgesetzt.

Die Quartalszahlen fielen angesichts des schwierigen Umfelds gar nicht einmal so schlecht aus. Der Umsatz stagnierte währungsbereinigt bei 4,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis legte bereinigt um gut drei Prozent auf eine Milliarde Euro zu. Ohne Berücksichtigung der Währungseffekte sanken beide Kennzahlen um gut zwei Prozent. Damit blieb Linde im Rahmen der Erwartungen, auch die vorsichtige Prognose bestätigte Büchele. Doch noch immer halten sich die Kunden mit Investitionen zurück, eine rasche Erholung ist nicht in Sicht.

Ein strategischer Ausweg sollte da die Fusion mit Praxair zu einem neuen Weltmarktführer sein. Die beiden Unternehmen würden sich nicht nur nach Einschätzung von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle sehr gut ergänzen. Ganz ist das Thema daher noch nicht vom Tisch. Sowohl Reitzle als auch Praxair-Chef Stephen Angel haben sich Hintertüren offengelassen. Allerdings hat Büchele nach Informationen des Handelsblatts intern verkündet, dass es zumindest in der Zeit, in der er noch Chef ist, keinen neuen Anlauf geben wird. Für das nächste halbe Jahr wäre das Thema Fusion damit vom Tisch.

In einer handfesten Krise steckt Linde nicht, das betonte Büchele auch jetzt. „Insgesamt befindet sich das Unternehmen auf dem richtigen Weg.“ In den ersten neun Monaten sanken die Erlöse auch wegen Währungseffekten um rund vier Prozent auf knapp 13 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis sank um gut zwei auf knapp 3,1 Milliarden Euro. Währungsbereinigt sah es etwas besser aus.


Nachfolger-Suche läuft auch Hochtouren

Mit dem neuen Effizienzprogramm Lift, das den Vorgänger Focus ablöst und verschärft, will Büchele auch seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Denn der scheidende Chef läuft Gefahr, als „Lame Duck“ zu gelten. In Management-Kreisen wird das zurückgewiesen. Viele Führungskräfte bedauerten Bücheles Abgang, sagt einer von ihnen. Dem langjährigen BASF-Manager gelang es zumindest, erhobenen Hauptes aus dem Hauskrach bei Linde herauszukommen. Sein Kontrahent, Finanzvorstand Georg Denoke, war dagegen vom Aufsichtsrat fristlos abberufen worden.

Die Suche nach einem Nachfolger für Büchele läuft auf Hochtouren. Laut Beraterkreisen soll Spencer Stuart eingeschaltet sein. Noch aber ist der neue Linde-Chef nicht gefunden, laut Industriekreisen ist es gut möglich, dass Büchele seinen Vertrag bis Mai erfüllt. Reitzle hatte das Anforderungsprofil im Gespräch mit dem Handelsblatt so beschrieben: „Er muss internationale Managementerfahrung mitbringen und das Fach in globaler Dimension verstehen. Bei Linde arbeiten Menschen aus vielen Nationen. Er muss wissen, wie man einen Konzern auf Performance trimmt.“

So jemanden zu finden, der sich am besten noch mit der Gasebranche und ihren eigenen Gesetzen auskennt, ist nicht einfach. Daher steht Reitzle enorm unter Druck. Er hatte dem Streit zwischen Denoke und Büchele lange zugesehen und war in die Fusionsverhandlungen gegangen, ohne diesen geklärt zu haben. „Es gab zwar Spannungen, aber erst der Deal war ein Verstärker“, sagte er rückblickend über den Streit zwischen Vorstandschef und Finanzvorstand. Der ehrgeizige Denoke hatte nach Einschätzung in Konzernkreisen eigene Pläne, manche haben ihn in Verdacht, Büchele im vergangenen Jahr in eine nicht unbedingt notwendige Gewinnwarnung laufengelassen zu haben.

Laut Beraterkreisen sollen auch andere Dax-Chefs bereits für den Chefposten bei Linde angefragt worden sein. Dankbar sei die Position unter dem mächtigen Aufsichtsratschef Reitzle aber nicht, der Linde einst von Rekord zu Rekord geführt hatte, sagte ein Berater. Erschwerend hinzu kommt, dass bei einer Fusion mit Praxair Angel Chef des neuen Konzerns geworden wäre.

Linde steht strategisch unter Druck, seit sich Air Liquide durch die Übernahme von Airgas die Weltmarktführerschaft zurückerobert hatte. Im dritten Quartal konnten die Franzosen den Umsatz dank der Akquisition um rund ein Viertel auf 5,1 Milliarden Euro steigern. Auf vergleichbarer Basis legten die Umsätze im Kerngeschäft leicht zu. „Linde kann jetzt nicht einfach so weiter machen“, sagte ein Insider. Auch das neue Sparprogramm sei nur ein Zwischenschritt. Die nächsten Schritte wird aber wohl erst der Nachfolger Bücheles auf den Weg bringen.

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