Linde sagt Praxair-Fusion ab Das Scheitern als Chance

Die geplatzte Fusion mit Praxair ist ein herber Schlag für Linde-Chef Büchele und Chefaufseher Reitzle. Doch in dem Flop steckt eine Chance – wenn der Gasekonzern endlich seine eigenen Probleme anpackt. Ein Kommentar.

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Der Linde-Chef muss nun seine Hausaufgaben machen. Quelle: dpa

München Linde und der US-Konzern Praxair haben ihre Fusionsgespräche beendet. In Detailfragen sei man nicht zu einer Einigung gekommen, hieß es von Linde. Das ist zunächst einmal ein herber Rückschlag für Linde-Chef Wolfgang Büchele und seinen Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle.

Mit einer möglichen Fusion mit dem US-Konkurrenten wollten sie gleich mehrere Probleme auf einen Schlag lösen: Den Verlust der Weltmarktführerschaft, die Führungsquerelen in München, die im Branchenvergleich schwache Bewertung an der Börse, das verloren gegangene Vertrauen der Kapitalmärkte nach zwei Gewinnwarnungen. Die Börse feierte die Pläne für eine Megafusion denn auch mit deutlichen Kurszuwächsen.

Doch nun sind die Gespräche geplatzt. In den Verhandlungen zeigte sich, dass der Teufel wie so oft im Detail liegt. In den USA sprach man hinter vorgehaltener Hand schnell von einer Übernahme von Linde durch Praxair, während im Linde-Umfeld betont wurde, dass es um eine „Fusion unter Gleichen“ gehe. Praxair-Chef Stephen Angel wollte beim Fusionspartner durchregieren, um die Profitabilität dort auf das eigene Niveau zu heben.

Doch wie so oft haben die Amerikaner die Tücken des deutschen Mitbestimmungsmodells unterschätzt. Für Verwunderung sorgte in den USA zudem, dass der Linde-Vorstand nicht an einem Strang zog – schließlich ist der Führungsstreit zwischen Büchele und seinem Finanzvorstand Georg Denoke ungeklärt. Dass Aufsichtsratschef Reitzle diesen Streit noch nicht geklärt hat, erwies sich als Fehler und schwächte Linde in den Verhandlungen.

Dennoch ist das Scheitern der Gespräche keine Katastrophe. Die meisten Großfusionen schaffen ohnehin keinen Mehrwert. Zudem haben „Fusionen unter Gleichen“ oft nicht funktioniert. Entweder versteckte sich hinter diesem Begriff eine De-Facto-Übernahme, bei der ein Partner durchregiert. Dieses Schicksal hätte Linde gedroht, da Praxair an der Börse mehr wert ist. Oder aber beide Partner haben tatsächlich gleich viel Einfluss. Dann werden oft schnellen Entscheidungen unmöglich, Posten und Standorte werden nach Proporz vergeben.

Linde hat nun die Chance, die Hausaufgaben zu machen: Der lange schwelende Machtkampf zwischen Büchele und seinem Finanzchef Denoke muss geklärt werden. Es kann wohl nur einer von beiden weitermachen. Zudem muss der Gasekonzern sich operativ verbessern, um in Sachen Profitabilität und Bewertung auf das Niveau von Praxair zu kommen. Dies ist der mühsamere Weg. Aber er kann sich lohnen. Denn dann hat Linde die Chance, in spätere Fusionsgespräche als der größere Partner zu gehen.

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