Wieder kein Brief aus Brüssel. Im Büro des grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner schauen sie jeden Tag mit Spannung ins Postfach. Der Grünen-Politiker, ein studierter Agraringenieur, hat sich immer wieder harte Auseinandersetzungen mit Monsanto, das nun zu Bayer gehört, geliefert. Und nun, so vermutet Ebner, steht sein Name auf einer dieser dubiosen Monsanto-Listen. Im Mai war offenbar geworden, dass die Agentur Fleishman Hilliard im Auftrag von Monsanto 2016 in zahlreichen europäischen Ländern Listen mit Namen von Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten angelegt hat. Je nach ihrer Einstellung zum Pflanzen-Wirkstoff Glyphosat, der damals vor der Wiederzulassung in der EU stand, wurden sie entsprechend kategorisiert – etwa als Verbündete, als belehrungs-bedürftig oder im Fall einer früheren französischen Umweltministerin als „unbelehrbar“. Dabei sollen auch persönliche, nicht öffentlich zugängliche Informationen verwendet worden sein. Bayer hat sich dafür entschuldigt und Aufklärung versprochen. Das Brüsseler Büro der Kanzlei Sidley Austin soll die Betroffenen informieren.
Laut Bayer wurden Mitte Juni alle Personen auf den deutschen und französischen Listen angeschrieben. Die Benachrichtigungen gingen per Briefpost raus. Laut Recherchen der „taz“ sind in Deutschland und Frankreich 600 Personen betroffen. In Deutschland stünden weder Journalisten noch sensible private Daten auf der Liste, erklärte Bayer, Stand Mitte Juni.
Doch bislang: Ebbe im Postfach. Bei Ebner ist nichts angekommen. Der Grünen-Politiker hält auch Kontakt zu anderen Abgeordneten, Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und mutmaßlich betroffenen Journalisten in Deutschland und Frankreich. „Die Bayer-Kommunikation zu den Monsanto-Listen ist unterirdisch. Inzwischen wirkt das schon wie ein vorsätzliches Katz-und-Maus-Spiel“, ärgert sich Ebner. Bayer habe mehrfach behauptet, alle Betroffenen angeschrieben zu haben. Bis jetzt habe aber niemand aus der Grünen-Bundestagsfraktion den Brief der beauftragten Kanzlei Sidley Austin bekommen. „Weit über eine Woche Postlaufzeit zwischen Belgien und Deutschland erscheint mir nicht realistisch, genauso wenig wie die Option, dass zufällig alle diese Briefe verloren gehen. Ganz offensichtlich stimmt da irgendetwas nicht, und das macht absolut keinen guten Eindruck.“
Wer steht auf den Listen?
Bayer wirke nicht, als ob im Kontakt mit Kritikern eine neue Zeit begonnen habe. Der deutsche Mutterkonzern des umstrittenen Saatgut- und Pflanzenschutzherstellers mache eine schlechte Figur und gebe sich immer noch unwissend. „Der Konzern behauptet mir gegenüber auf Nachfrage, selbst gar nicht zu wissen, wer auf den Listen steht.“ Ebner verlangt eine E-Mail statt einen traditionellen Brief und Aufklärung, ob und auf welchen Listen er stehe. „Selbstverständlich müssen auch alle diejenigen informiert werden, die nachgefragt haben und doch nicht auf den Listen stehen – sonst gibt es ja überhaupt keine Klarheit in dieser Chaos-Kommunikation.“
Bayer erklärt, die Kanzlei habe „vielfältige Rückmeldungen“ von Empfängern erhalten. Ob die Briefe angekommen seien, werde zudem „stichprobenartig“ überprüft. Im Büro Ebner werden sie den Posteingang weiter im Auge behalten. Vielleicht kommt ja in den nächsten Tagen Post aus Brüssel. Oder auch nicht.




