Lkw-Bremssystem von ZF 40 Tonnen und Hände weg vom Steuer

Der Autozulieferer ZF will mit neuen Kooperationen Technologielücken schließen. Den Anfang macht ein neues vernetztes Bremskonzept. Denn der Konzern hat noch Rückstand auf die Marktführer Bosch und Continental.

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Das Fahrzeug weicht nach dem ersten Impuls durch den Fahrer vollkommen selbständig aus. Quelle: ZF

Aldenhoven Der 40-Tonner beschleunigt auf der Teststrecke in Aldenhoven im Rheinland. Mit 80 Stundenkilometern rast der Lkw auf ein Hindernis zu. Ein Piepen warnt den Fahrer. Es wird immer lauter. Vollbremsung, 35 Meter vor dem Styroporballen reißt der Fahrer das Lenkrad nach links – lässt es los und geht mit den Füßen von den Pedalen. Der überraschte Mitfahrer schlägt sich wegen der abrupten Bewegung des Fahrzeugs die Schulter an.

Sekunden später kommt der Koloss zum Stehen. Nichts passiert. Im Testfahrzeug ist ein neuartiger Ausweichmanöverassistent verbaut. Das Fahrzeug weicht nach dem ersten Impuls durch den Fahrer vollkommen selbständig aus. Es gibt kein Schleudern, Bremsen und Lenkung werden automatisch optimal abgestimmt.

Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen präsentiert das neue Konzept erstmals in einem Lkw. Es wurde erst durch eine neue Kooperation mit dem Partner Wabco möglich, der wesentliche Teile wie das Bremssystem, Sensorik und Stabilitätsprogramm beisteuerte. Der Getriebe- und Fahrwerksspezialist erzielt durch die Milliarden-Übernahme des Konkurrenten TRW nun einen Jahresumsatz von über 30 Milliarden Euro und schließt zu den beiden führenden Zulieferern Bosch und Continental auf.

Auch Kompetenz für das Roboterauto der Zukunft haben sich die Friedrichshafener für den Deal gesichert. Aber es gibt noch einige technologische Lücken. Geht es nach ZF-Chef Stefan Sommer, wird das Unternehmen diese mit Kooperationen wie mit Wabco schließen.

„Wir sind sicherlich dabei, weitere Kooperationen, die uns einfach noch stärker machen in den Märkten, zu entwickeln“, sagte Sommer dem Handelsblatt am Rande der Fahrveranstaltung. Das gelte vor allem für Themen des autonomen Fahrens. Der Stiftungskonzern hat es dabei stärker als in der Vergangenheit auch auf Start-up-Unternehmen abgesehen. „Da wird es in absehbarer Zeit einiges zu berichten geben“, kündigte Sommer an.


Die Geschäftszahlen bleiben robust

So weit wie Bosch ist ZF dabei noch nicht. Bosch hat eine eigene Venture-Capital-Tochter, die mit einem Fonds von über 400 Millionen Euro an über 30 Start-ups beteiligt ist. Aber ZF arbeitet ebenfalls am Ausbau des Beteiligungsgeschäfts. Das könnte vor allem bedeutsam werden, wenn es um clevere Softwareentwicklungen geht, die solche Sicherheitssystem wie beim Test-Lkw erst ermöglichen, die folgenschwere Auffahrunfälle auf der Autobahn verhindern können.

„Bis zur Marktreife wird es aber noch drei vier Jahre dauern“, sagt Christian Wiehen, Technologiechef bei Wabco, dem US-Zulieferer mit 2,7 Milliarden Euro Umsatz. Bei Pkw gibt es das System schon. Die Lkw-Hersteller müssen sich aber erst dazu durchringen, auch elektronische Lenkungen in einem Lastwagenmodell einzubauen. Erst dann kommen die technologischen Vorteile des Systems durch die Verknüpfung von Bremsen und Lenkung zur Geltung. Die Lenkung kommt von ZF.

Abseits der Piste gibt Vorstands-Chef Sommer noch Einblick in die aktuelle Geschäftslage. Bislang zeigt sich ZF trotz wenig Rückenwind von der Konjunktur relativ robust. „Wir gehen im Moment davon aus davon aus, dass wir die Prognose erfüllen, mit rund 35 Milliarden Euro Umsatz um sechs Prozent wachsen und dabei fünf bis sechs Rendite erreichen“, betonte Sommer. Es könne zwar sein, dass ZF währungsbereinigt nicht ganz ins Ziel komme, aber wenn, dann sei die Abweichung nur sehr gering.

Sommer sieht ZF schon heute in der Breite des Angebots von Fahrwerk, Lenkung, Getriebe bis hin zu Sicherheitssystemen und Elektroauto-Komponenten als Autozulieferer mit der breitesten Aufstellung. Nun gehe es darum die Technologien zu vertiefen und damit die Lücke zu Bosch und Conti zu schließen. „Wir werden da noch ein bisschen nachlegen“, kündigte Sommer an. Vor allem Sensortechnologie, Softwarekapazitäten und weltweite Forschung und Entwicklung gelte es zu stärken.

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