Logistik als Frühindikator „Die Lager füllen sich wieder“

Quelle: imago images

Die Frachtraten für Schiffscontainer brechen dramatisch ein – und kündigen eine Rezession in den kommenden Monaten an. Warum die Folgen weniger gravierend sein könnten, als viele befürchten.

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Unter Ökonomen kursiert eine Weisheit, die sich auch dieses Mal zu bewahrheiten droht: Immer dann, wenn Reedereien von sich reden machen, ist es um die Wirtschaft schlecht bestellt. Das war während der Pandemie so, als Lieferketten rissen und sich vor den Häfen die Schiffe stauten.

Wegen knapper Transportkapazitäten kostete die Fracht von einem Übersee-Container plötzlich so viel wie ein Kleinwagen, Reedereien wie die Hamburger Hapag-Lloyd wurden Krisenprofiteure. Jetzt stehen die Logistiker erneut im Fokus. Doch drohen ihnen nun Verluste statt Profite. Und die Wirtschaft? Sie steht vor einer Rezession.

Kostete Anfang des Jahres die Fracht für einen 40-Zoll-Container von Shanghai nach Rotterdam noch über 17.000 Dollar, so liegt die Rate heute bei lediglich einem Zehntel davon. Die Geschwindigkeit, mit der die Preise innerhalb weniger Monate abgestürzt sind, lasse nur schwer eine „Normalität“ vermuten, von der die Reeder noch im Frühherbst ausgingen. „Es ist ein Crash“, meint Florian Braun von der Online-Spedition Flexport.

Die Gründe dafür sieht Braun vor allem in größeren Containerkapazitäten. Zum einen haben sich Lieferketten wieder stabilisiert. Hafenstaus wie in Shanghai haben sich aufgelöst. Dauerte es während der Krise im Schnitt acht Tage, bis ankommende Containerschiffe abgefertigt wurden, sind es jetzt zwei.

Frachtrate

Zum anderen sorgten auch die Reeder selbst für das größere Angebot und die fallenden Preise. Bereits während der Pandemie orderten die Unternehmen eine Vielzahl neuer Frachter, 28 Prozent der aktuellen Containerkapazitäten stehen in den Auftragsbüchern der Werften. Allein Hapag-Lloyd bekommt in den nächsten Jahren 22 neue Schiffe mit Platz für insgesamt 400.000 Standardcontainer. Und auch wenn viele der Reedereien einen Teil ihrer veralteten Flotten wegen neuer Umweltstandards ausrangieren werden, sprechen die Experten einhellig von Überkapazitäten.

Der Dienstleister Alphaliner geht davon aus, dass sich der Nettozuwachs der Bestände im kommenden Jahr um zehn Prozent erhöht. „Das wird die Situation auf dem Markt zusätzlich verschärfen“, warnt auch Florian Braun. Sollten die Spotraten dann nicht wieder anziehen, müssten die Unternehmer Kapazitäten sogar zurückhalten. Teure Containerschiffe würden in dem Fall einfach nicht eingesetzt.



Ob sich diese Strategie als erfolgreich erweist, darf bezweifelt werden. Schließlich sind Frachtraten nicht lediglich Ausdruck des Angebots, sondern auch der Nachfrage – und die geht merklich zurück. Frühzykliker wie die Reedereien spüren das zuerst. Fallen bei ihnen die Auftragsvolumen, sinken auch bei Mittelständlern und Autobauern die Bestellungen und füllen sich die Lager aufgrund nicht verkaufter Waren.

„Die Lager füllen sich wieder“

Schaut man beispielsweise auf die Lagerbestände von Kupfer an der wichtigen Metallbörse LME in London, sieht man, wie sich die Bestände verändert haben. „Die Lager füllen sich wieder und nähern sich einer Normalisierung an“, sagt ein Marktanalyst der Commerzbank, Christoph Balz. Wegen der Lieferschwierigkeiten während der Pandemie sind aus seiner Sicht die Lagerbestände sehr niedrig gewesen und befinden sich immer noch unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Dass sich dies in den kommenden Wochen ändern wird, sei sehr wahrscheinlich.



Die abgestürzten Frachtraten für Container will Balz nicht als direkte Vorboten einer Wirtschaftskrise deuten. Lieber spricht er von einer „wirtschaftlichen Zwischenphase“ mit einer „milden Rezession“. Diese sei aufgrund „erheblicher Belastungen“ durch die Energiepreise und die Geldpolitik unumkehrbar. Dass sich die meisten Unternehmen bislang dem anschließen, sieht man auch an den immer noch hohen Lieferengpässen.

Trotz sinkender Transportkosten und größerer Liefer-Kapazitäten warten zwei von drei Warenherstellern immer noch auf ihre Lieferungen länger als vor der Pandemie. Es könnte also noch eine Weile dauern, bis die Nachfrage tatsächlich einbricht.



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