Luftfahrt Airbus und der Fluch der vollen Flugzeugparkplätze

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Digitale Auslieferung: Mit welchem Trick Airbus seine Flugzeuge loswird

Zu den möglichen Anreizen gehört das Angebot, statt eines größeren Typs ein kleineres, billigeres oder weniger gesuchtes Modell zu nehmen. Das können Airlines vorerst deutlich einfacher mit Fluggästen füllen als einen großen Jet. Eine andere Variante ist das Angebot, dass die Airline bei einer Verschiebung in Zukunft mehr Exemplare abnimmt.

Dazu setzt Airbus auf eine Innovation. Wenn eine Airline Jets übernimmt, holen sich ihre Piloten nicht wie Privatleute den Schlüssel ihres neuen Wagens im Autohaus ab und fliegen los. Sie prüfen die Maschinen teilweise wochenlang auf Herz und Nieren. „Sie schauen sich alle technischen Daten während des Flugs an und untersuchen die Details bei jedem einzelnen Flugzeugsitz bis hin zur genauen Farbschattierung der Polster“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Entspricht etwas nicht genau den Vereinbarungen in den viele Hundert Seiten dicken Kaufverträgen, muss Airbus nachbessern – oder gar eine Art Schadensersatz leisten.

Weil der Experten-Check bei den vielen Reisebeschränkungen und Quarantänebestimmungen mitunter unmöglich war, musste Airbus umdenken. Damit die Auslieferung nicht daran scheitert, dachte sich der Konzern eine technische Neuerung namens E-Delivery aus. Der Kern ist, dass die neuen Eigentümer viele Terabyte an Daten erhalten: den genauen Spritverbrauch während bestimmter Flugmanöver zum Beispiel. Bislang konnten sie diese Informationen nur im Airbuszentrum über eine Datenleitung in der Airline-Verwaltung ansehen. So müssen am Ende nur noch kleine Teams kurz zu einer formellen Übernahme und die Piloten für den Überführungsflug anreisen. „Damit haben wir im vergangenen Jahr mehr als ein Viertel der Auslieferungen abgewickelt“, erklärt Konzernchef Faury.

Das lief so gut, dass im Vertrauen auf eine rasche Erholung die Produktion schneller als erwartet wieder hochfahren wollte. Bereits im kommenden Juli wollte der Konzern statt bislang 44 Kurzstreckenflugzeuge im Monat mindestens 52 bauen. Spätestens 2023 sollte eine weitere Erhöhung folgen. Bei den Langstrecken-Maschinen sollte die Zahl bald von derzeit sieben Maschinen im Monat um zwei oder gar drei steigen. Damit hätten bei kleineren Jets jeden Monat wieder 90 Prozent der im Rekordjahr 2019 ausgelieferten Jets die Hallen verlassen. Bei den Großraum-Modellen wäre es gut die Hälfte gewesen.

Das hat Faury am vergangenen Donnerstag gebremst. Nun sollen erst ab Spätsommer lediglich 47 kleine Maschinen pro Monat aus den Fabriken rollen. Bei den Großraum-Modellen ist der Ausbau sogar bis auf Weiteres gestoppt. Das geschehe „als Antwort auf das Marktumfeld“, lässt der Airbus-Chef ausrichten.

Unklar bleibt, ob es die letzte Anpassung ist. So könnte sich der Flugverkehr deutlich länger langsamer entwickeln als erwartet. Kern des Airbus-Wachstumsplans war eine stark steigende Zahl von Passagieren besonders in Schwellenländern. Doch Experten von der Weltbank rechnen laut einer Studie von Anfang Januar damit, dass die Hälfte aller Länder zehn Jahre oder mehr braucht, um sich wirtschaftlich vom Einbruch durch die Coronapandemie zu erholen. „Damit fehlt mehr Menschen als erwartet das Geld für Flugreisen – und den Airlines die Einnahmen zum Kauf neuer Maschinen“, fürchtet der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

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Selbst wenn sich der Verkehr rascher erholt, werden längst nicht alle Fluglinien in neues Gerät investieren. „Angesichts der stark gestiegenen Schulden der Branche können sich derzeit nur sehr wenige Gesellschaften neue Jets leisten“, sagt Jamie Baker, Analyst bei der US-Großbank JPMorgan Chase. Und wer einkauft, hat reichlich Alternativen zu Neuanschaffungen. „Es wird künftig viele junge gebrauchte Jets geben, die angesichts der niedrigen Finanzierungskosten und der niedrigen Spritpreise günstiger zu betreiben sind als neue Flugzeuge“, glaubt Großbongardt.

Damit könnten dann wieder viele Fluglinien ihre Auslieferungen verschieben und die Airbusparkplätze würden sich wieder füllen.

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