
Nichts tun Manager der Luftfahrtriesen Airbus und Boeing lieber, als ein brandneues Flugzeugmodell zu starten. Dass sie dabei wegen der gewaltigen Kosten jedes Mal auf die Zukunft des Unternehmens wetteten, ist ebenso Teil des Spiels, wie der jeweils anderen Seite vorzuwerfen, dass deren Weg falsch und ein mehr oder weniger unverantwortliches Risiko ist.
Das ist derzeit anders. An diesem Montagmorgen, dem ersten Tag der wichtigsten Luftfahrtmesse des Jahres im britischen Farnborough, bringt Airbus statt eines komplett neu entwickelten Modells nur eine leicht überarbeitete Fassung seines Erfolgsmodells A330 mit. Der etwas kleinere A330-800NEO und der etwas größere A330-900NEO haben neue effizientere Triebwerke und Flügel mit geringerem Luftwiderstand. Ende 2017 will Airbus die ersten Maschinen an die Fluglinien ausliefern.
Vor 2030 keine neue Modelle mehr
Das ist nicht die erste Abweichung vom alten Kurs. Den Anfang machten Airbus und Boeing vor gut zwei Jahren mit ihren Mittelstreckenjets Airbus A320NEO und Boeing mit der gleich großen 737MAX und dem großen Langstreckenjet 777X.





Diesen Kurs werden die Hersteller erstmal beibehalten. Wenn wie geplant im Jahr 2017 die zweite und letzte Version des Airbuslangstreckenjets A350 abhebt, wird es in der Branche vorerst keine neuen Modelle geben, erklärt Fabrice Brégier, Chef des Airbus-Geschäfts mit Zivilflugzeugen. „Vor 2030 wäre eine völlige Neuentwicklung nicht gerechtfertigt“, so der 52-Jährige. Ein Aussage, die in seltener Einigkeit in der Branche auch Ray Conner, Brégiers Pendant beim US-Rivalen Boeing, unterschreiben könnte.
Branche ändert die Strategie
Und es ist noch nicht das Ende. Airbus überlegt, seinen Superjumbo A380 mit neun weniger durstigen Turbinen aufzumöbeln. „Spätestens ab dem Jahr 2020 wird sich der A380 angesichts der wachsenden Konkurrenz ändern müssen“, so Brégier.
Hinter dem Motto "aufmöbeln statt neu bauen" steht ein grundlegender Strategiewechsel der Branche. „Jede Investition muss wirtschaftlich Sinn machen - besonders in ein neues Modell“, erklärt der Finanzvorstand der Airbus-Gruppe Harald Wilhelm trocken.
Die Problemzonen der Airbus Group
Im Kerngeschäft Ziviljets lebt Airbus fast nur von den A320-Mittelstreckenfliegern. Auf der Langstrecke bringt nur das älteste Modell A330 Geld. Der neue A350 wird netto erst nach 2020 Gewinn abwerfen, der Superjumbo A380 wohl nie.
Kampfjets und Raketen bringen viel Profit. Doch ab 2018 fehlen neue Aufträge. Für die Drohne Talarion fand Airbus keine Kunden, und das Geschäft mit Grenzsicherung wirft weniger ab als erwartet.
Die Airbus Group wurde 2000 als EADS gegründet. Dabei wurden völlig unterschiedliche Unternehmen zusammengeworfen, die schon in ihren vier europäischen Heimatländern kaum kooperierten. Trotz mehrerer Umstrukturierungen werkeln Firmenteile weiter vor sich hin, gibt es Doppelarbeiten und kaum Synergien.
Seit der Airbus-Gründung kämpfen Frankreich und Deutschland darum, mehr High-Tech-Jobs als der andere zu bekommen. Dazu vergeben sie Aufträge und Anlauffinanzierungen. Paris versuchte auch schon, die Mehrheit am Konzern zu erlangen.
Eine Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE schien ideal: Sie rettete Airbus das Waffengeschäft und half bei der Globalisierung. Doch Enders hatte unterschätzt, wie viel politisches Porzellan er mit seiner schroffen Art in Berlin zerschlagen hatte. Berlin legte sein Veto ein.
2008 wollte Enders Airbus-Werke an Zulieferer verkaufen. Der Deal platzte, weil er den Käufern auch einen Teil des Wechselkursrisikos aufbrummen wollte.
Gesorgt haben dafür ein paar unangenehme Erfahrungen. Noch vor ein paar Jahren empfanden es Manager als unter ihrer Würde, nicht das Beste anzubieten. Egal, was es am Ende kostet. Den Airlines war das mehr als recht. Jedes vollständig neu entwickelte Flugzeug ist ein paar Prozent sparsamer als eines mit lediglich neuen Antrieben. Das erlaubt niedrigere Preise und einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern mit weniger neuen Fliegern.
Mit neuen Fliegern überfordert
Leider brachte das "komplett-neu-Prinzip" die Flugzeugbauer regelmäßig an ihre Grenzen. Ob Airbus mit seinem Superjumbo A380 oder Boeing mit dem Leichtbauflieger Dreamliner 787: beide Modelle boten so viel neue Technik, dass es die Jet-Bauer überforderte und die Pannen beim Bau am Ende mehr als das Doppelte der geplanten zehn Milliarden Euro kosteten.
Und auch die innovationshungrigen Airlines litten, weil sie wegen der Verspätung länger ältere Maschinen fliegen mussten und so statt der erhofften niedrigen Trankrechnung eine höhere hatten.
Das ist bei der Generation NEO (Englisch für „Neue Triebwerksoption“) anders. Wegen des niedrigeren Verbrauchs können Airbus und Boeing ihre Preise um ein paar Millionen pro Jet erhöhen. Dazu kostet es statt der mindestens zehn Milliarden für einen komplett neu entwickelten Flieger nur ein bis zwei Milliarden, einen neuen Antrieb unter den Flügel zu hängen. Weil die neuen Motoren meist größer und schwerer sind, brauchen die Maschinen einen neuen Flügel.
Superjumbo A380 wird wohl keinen Gewinn abwerfen
Boeing brauchte deswegen für seine MAX auch eine andere Befestigung und musste das Fahrwerk am Bug erhöhen, damit die Maschine bei wackeligen Starts auf unebenen Pisten genug Abstand zum Boden bekam.
So bleibt ein einfaches Fazit: „Ein neu motorisiertes Flugzeug bietet drei Viertel der Ersparnis bei den Betriebskosten, aber kostet am Ende nur zehn Prozent“, so der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.





Von diesen geringeren Kosten können die Flugzeughersteller in der Regel sogar noch einen Teil auf die Motorenbauer abwälzen. „Die Hersteller kaufen sich quasi in die Programme ein“, weiß Großbongardt. Das Recht, die neuen Motoren zu liefern, lassen sich die drei großen Anbieter Rolls Royce (Großbritannien) sowie die US-Riesen General Electric und Pratt & Whitney aus dem US-Technologiekonzern United Technologies oft mehr als eine Milliarde kosten. Das Geld holen sie sich über die zu erwartenden Mehrumsätze sowie das Geschäft mit Ersatzteilen oder der Wartung zurück.
Wie gut das laufen kann zeigt der halberneuerte A320NEO. Airbus hat bereits mehr als 2800 Exemplare verkauft und die Kosten für Bau und Entwicklung bereits mehr als verdient - dank der Anzahlungen der Airlines von gut zehn Milliarden sowie den Eintrittsgeldern der Triebwerkshersteller GE und Pratt.
Der neu entwickelte Langstreckenjet A350 für bis zu 400 Passagiere ausgelegt, er wird trotz der gut 500 verkauften Exemplare netto frühestens nach dem Jahr 2020 Gewinn abwerfen, und der Superjumbo A380 mit 550 und mehr Sitzen mit gut 300 Bestellungen wohl nie.