Marcus Schmidt im Interview "Raucher werden sich an die Warnhinweise gewöhnen"

Unverbesserliche Raucher: Trotz der jüngsten Preiserhöhung ist der Zigarettenabsatz nur leicht gesunken. Von Juni bis September wurden nur 0,2 Prozent weniger Glimmstängel versteuert als im Vorjahreszeitraum. Das stimmt den neuen Chef des Zigarettenherstellers Reemtsma optimistisch.

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Schmidt, 46, arbeitet seit 1996 bei Reemtsma, am 1. Oktober 2013 stieg er zum Sprecher des Vorstands auf. In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres kletterte der Umsatz um 5,8 Prozent auf 513 Millionen Euro.

WirtschaftsWoche: Herr Schmidt, rauchen Sie eigentlich – als oberster Promoter von Reemtsma?

Marcus Schmidt: Ich habe als Schüler angefangen. Jetzt rauche ich knapp ein Päckchen am Tag...

...und müssen böse Blicke ertragen, wenn Sie sich eine anstecken?

Ach, natürlich. Das ist jedem Raucher schon mal passiert, obwohl es kaum noch eine direkte Konfrontation mit Nichtrauchern gibt. Im Restaurant dürfen Sie nicht mehr rauchen, im Zug nicht, im Flugzeug auch nicht. Und wenn ich bei Freunden eingeladen bin, weiß ich, ob ich dort rauchen darf oder nicht, oder ich frage. Wenn es jemanden stört, rauche ich nicht. Damit kann ich leben.

Und Ihre Kinder?

Meine Tochter ist drei.

Hat Ihr Geschäft denn überhaupt noch Zukunft? Die Zahl der Raucher sinkt. Von 2016 an sollen auf jeder Zigarettenpackung Schockbilder prangen und vom Kauf abschrecken. Wie wollen Sie da Umsatz und Gewinn steigern?

Solche Bilder sind schon brutal. Ich weiß nicht, wie solch ein ästhetischer Tiefschlag ein Mehr an Aufklärung bringen soll. Wir haben ja schon auf jeder Packung einen Warnhinweis. Und jeder weiß, das Rauchen nicht die Gesundheit fördert. Ich hoffe, dass es noch zu Kompromissen kommt, wenn nach dem EU-Parlament der Ministerrat über die geplante Verschärfung berät.

In den Hauptpunkten sind sich Ministerrat und EU-Parlament einig: Die Schockbilder werden kommen. Was heißt das für Ihre Geschäftsstrategie?

Wir müssen schon seit Jahren mit Restriktionen leben. Der Markt für Zigaretten ist einer der am stärksten regulierten. Trotzdem haben wir immer Wege gefunden, erfolgreich in einem so streng regulierten Markt zu wirtschaften – die Tabakindustrie insgesamt und Reemtsma im Besonderen. Daran wird sich nichts ändern. Die Raucher werden sich schnell an die neuen Warnhinweise gewöhnen; das war schon so, als die zurzeit vorgeschriebenen eingeführt wurden. Es gibt nach unserer Erfahrung keinen Grund, warum ein Raucher aufgrund der neuen Warnhinweise weniger rauchen sollte. Wir erwarten jedenfalls keine signifikanten Auswirkungen auf den Zigarettenkonsum.

Warum regt sich die ganze Branche dann so auf?

Wir haben glücklicherweise starke Marken wie JPS, Gauloises, West oder Davidoff. Aber die Einführung neuer Marken ist kaum noch möglich, wenn die Tabakrichtlinie wie geplant verschärft wird und der Warnhinweis 65 Prozent einer Packungsseite abdecken muss. Dann bleibt kein Platz mehr, um die Marke angemessen darzustellen. Und unsere Industrie lebt von Marken, die wir über die Jahre hinweg mit viel Geld aufgebaut haben. Allein für das Recht, unter der Marke Davidoff weltweit Zigaretten anbieten zu dürfen, haben wir 540 Millionen Euro gezahlt.

Wie viele neue Marken hat Reemtsma in den vergangenen fünf Jahren eingeführt?

Vor zwei Jahren haben wir Fairwind auf den Markt gebracht, einen Feinschnitttabak für Zigaretten zum Stopfen. Es war die erfolgreichste Einführung im Feinschnittbereich überhaupt. Innerhalb von zwei Jahren schoss die Marke in ihrer Kategorie auf einen Marktanteil von 2,2 Prozent hoch.

Und welche neuen Zigarettenmarken brachte Reemtsma?

Wir haben JPS Just eingeführt und Gauloises frei von Zusätzen, beides additivfreie Angebote.

Das sind doch keine echten Neueinführungen, sondern Ableger bekannter Marken. JPS und Gauloises gibt es ja schon lange.

Eine vollkommen neue Zigarettenmarke gab es nicht. Wir investieren lieber in unsere eingeführten, international erfolgreichen Markenfamilien wie JPS und Gauloises und bauen diese weiter aus.

Marktanteil steigt

Die gruseligsten Zigarettenschachteln der Welt
Die Europäische Kommission will, dass statt rund einem Drittel zukünftig zwei Drittel der Zigaretten-Verpackungsfläche Schockbilder und Warnhinweise tragen. Diese Regelung soll ab dem 20. Mai 2016 in Kraft treten und anschauliche Detailbilder ermöglichen. Diese sollen die Folgen des Rauchens für die Gesundheit bildlich darstellen. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Alle Bilder sollen neben einem dramatischen Bild gesundheitsbezogene Warnhinweise enthalten. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Die Gesundheitswarnungen kombiniert mit den Warnfotos sollen dann ab Mai nächsten Jahres mindestens 65 Prozent der Vorder- und Rückseite von Zigaretten- und Tabakpackungen ausmachen. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Neben Warnhinweisen, die sich auf gesundheitliche Schäden beziehen, will die Europäische Kommission mit den neuen Bildern und Texten auch an das Gewissen der Raucher appellieren und thematisiert den Tod eines Rauchers als Unglück für Familie und insbesondere Kinder. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Die EU verfolgt eine umfassende Strategie gegen den Tabakkonsum, zu der neben den Rechtsvorschriften über Tabakwerbung, Sponsoring und Tabakerzeugnisse gehören, sowie die Unterstützung von Mitgliedstaaten und Sensibilisierungsmaßnahmen. Die Vorschriften zur Zigarettenschachtelgestaltung sind damit nur einer von vielen Punkten. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher
Der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, erklärte mit Blick auf das unveränderte Einstiegsalter der europäischen Raucher: "Die Zahlen zeigen, dass der Kampf gegen den Tabak noch nicht gewonnen ist, insbesondere bei den jungen Menschen. Es ist nicht akzeptabel, dass Europäerinnen und Europäer im Teenageralter das Rauchen immer noch attraktiv finden. Dies soll mit den neuen Bildern und Warnhinweisen anders werden.
Die neuen Richtlinien zur Verpackungsgestaltung betreffen nicht nur Zigaretten, sondern auch Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, rauchlose Tabakerzeugnisse, elektronische Zigaretten und pflanzliche Raucherzeugnisse. Quelle: Europäische Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher

Wer bestimmt die Markenstrategie: Reemtsma in Hamburg oder Imperial Tobacco, Ihre Muttergesellschaft in Großbritannien?

Vieles kommt aus der Zentrale in Bristol, vieles auch von den einzelnen nationalen Töchtern. Gauloises ohne Zusätze zum Beispiel sind eine deutsche Erfindung, die dann von der Gruppe aufgegriffen wurde.

Wann kompensieren Sie den schrumpfenden Rauchermarkt mit Accessoires Ihrer Marken? Wann verkaufen Sie zum Beispiel T-Shirts mit Gauloises-Schriftzug?

Die Zahl der Raucher in Deutschland sinkt zwar, aber Reemtsma konnte den Marktanteil erhöhen: Bei Zigaretten lagen wir im ersten Halbjahr bei 26,2 Prozent, ein Jahr zuvor waren es 25,6 Prozent. Reemtsma steht im laufenden Geschäftsjahr besser da als je zuvor.

Und wie wichtig sind denn nun Accessoires?

Das machen wir nicht. Das ist nicht unser Geschäft. Unsere Strategie heißt: Total Tobacco. Darum wird es keine JPS-Powerdrinks geben und keinen Gauloises-Rotwein. Die T-Shirts mit den Schriftzügen unserer Marken werden nur für unsere Leute an den Promotion-Ständen gemacht.

Philip Morris ist in Deutschlands Branchenführer mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent, BAT kommt auf ungefähr 20 Prozent. Und Reemtsma hatte 2011 bereits 26,6 Prozent, also 0,4 Prozentpunkte mehr als derzeit. Nur eine minimale Änderung.

Auch kleine Veränderungen der Marktanteile zählen. Unsere Hauptmarken JPS und Gauloises wachsen deutlich. Und zusatzfreie Zigaretten scheinen sich als Segment zu etablieren: JPS Just und Gauloises frei von Zusätzen laufen sehr gut.

Wo wächst Reemtsma am stärksten?

Die osteuropäischen Märkte wachsen zwar immer noch stärker als die westeuropäischen, aber nicht mehr mit der Dynamik wie früher. Der deutsche Markt ist leicht rückläufig, aber für die gesamte Gruppe der zweitwichtigste nach Großbritannien, gemessen an der Profitabilität.

Rund 200 Millionen Euro steckt die Tabakindustrie in Deutschland jährlich in die Werbung. Wie viel geben Sie aus?

Solche Zahlen veröffentlichen wir nicht. Wir setzen auf Plakatwerbung und werben dort, wo Zigaretten verkauft werden, wo wir direkt an den Verbraucher rangehen können, also am sogenannten Point of Sale. Auf Kinowerbung verzichten wir. Da stimmt für uns das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen nicht.

Nach der geplanten Verschärfung der Tabakrichtlinie sind künftig kaum noch Zusatzstoffe in Zigaretten erlaubt. Ändert sich dann der Geschmack?

Der Geschmack einer Zigarette ist abhängig von der Tabaksorte und davon, wo und wann sie geerntet wurde. Wir müssen dafür sorgen, dass trotzdem jede Marke stets ihren typischen Geschmack behält. Da kommt die Wissenschaft der sogenannten Blender ins Spiel: Sie sorgen dafür, dass eine Davidoff auch nach einer neuen Ernte wie eine Davidoff schmeckt. Künftig bleiben nur noch die Basics des Blendens: Tabak unterschiedlicher Sorten und Ernten so zu mischen, bis der Geschmack stimmt.

In diesem Jahr sind Zigaretten schon wieder teurer geworden. Wann kommt die nächste Preiserhöhung?

Klar ist, die nächste Steuererhöhung wird es zu Anfang des nächsten Jahres geben.

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