Massiv steigende Kosten Wie die Papierindustrie unter dem Ukraine-Krieg leidet

Erdgas ist mit einem Anteil von 55 Prozent der wichtigste Brennstoff der Branche. Quelle: dpa

Gas aus Russland können die Fabriken kaum ersetzen, warnt die Papierbranche. Stocke die Produktion, könnte sich das im Alltag vieler Menschen bemerkbar machen.

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Ein möglicher Lieferstopp für russisches Erdgas wegen des Ukraine-Kriegs könnte nach Branchenangaben die Papierherstellung erheblich beeinträchtigen. „Ein Gasembargo würde für die Papierindustrie praktisch einen flächendeckenden Produktionsstopp bedeuten“, teilte Alexander von Reibnitz, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Die Papierindustrie, der Deutschen Presse-Agentur mit. Schon jetzt wirke sich der Krieg auf die hohen Rohstoffkosten aus. „Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine verschärfen jetzt den seit Monaten herrschenden, immer extremeren Preisdruck auf unsere Branche noch einmal drastisch“, sagte auch der Vorsitzende des Verbandes der Wellpappenindustrie, Steffen Würth, am Mittwoch in Darmstadt.

Erdgas sei mit einem Anteil von 55 Prozent der wichtigste Brennstoff der Branche, sagte Reibnitz. Nur 15 Prozent der jährlich benötigen 26 Terrawattstunden Erdgas könnten bis zum nächsten Winter durch andere Energieträger ersetzt werden. Ein Produktionsstopp würde etwa Lebensmittel- und Medikamentenverpackungen betreffen, auch Hygienepapiere für Medizin, Pflege und für zu Hause, Spezialpapiere wie Filter und Messstreifen sowie Druckpapier für Zeitungen, Zeitschriften, Kataloge oder Prospekte.

Weil durch den Online-Handel immer mehr Kartons verschickt werden und der Handel mehr Plastikverpackungen durch Papier ersetzt, war der Papierbedarf in Deutschland zuletzt gestiegen. Fabriken erhöhten ihre Kapazitäten, 2021 wurden mehr als 23 Millionen Tonnen produziert. Der Altpapier-Import erreichte einen Rekordwert; kein Land führt mehr Altpapier ein als Deutschland. In Europa wird nach Branchenangaben jede dritte Tonne Altpapier in Deutschland recycelt. Ohne Erdgas könnten 50.000 Tonnen Altpapier pro Tag nicht verarbeitet werden.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Jacqueline Goebel, Max Haerder, Andreas Macho, Christian Schlesiger, Martin Seiwert, Silke Wettach

Den wachsenden Bedarf an Papier bestätigte auch der Verband der Wellpappenindustrie. „Die Nachfrage nach Wellpappenverpackungen war 2021 außergewöhnlich hoch“, sagte Würth bei der Jahresbilanz für das vergangene Jahr. Massiv steigende Papier- und Energiekosten hätten die Gesamtbilanz jedoch geschmälert.

Die Preise für Wellpappenrohpapier seien von September 2020 bis Dezember 2021 um 66 Prozent, die Gaspreise dem Statistischen Bundesamt zufolge von August 2020 bis vergangenen Dezember um 330 Prozent gestiegen. Die massiv gestiegenen Rohstoff- und Gaspreise hätten nicht kompensiert werden können, sagte Würth.

Deutschland auf Rang vier der größten Papierindustrien weltweit

Die Erlöse der Mitgliedsfirmen stiegen Würth zufolge im vergangenen Jahr um 4,5 Cent auf durchschnittlich 57,7 Cent pro Quadratmeter. Der Absatz habe um 6,9 Prozent zugenommen. Insgesamt seien 8,6 Milliarden Quadratmeter Wellpappe abgesetzt worden, 557 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Steigerung sei unter anderem auf eine gestiegene Nachfrage von Gebrauchsgütern wie Haushaltsgeräten und einen anhaltenden Boom des Online-Handels in der Pandemie zurückzuführen.

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