Medikamente mit Lieferengpass „Das kann allen Patienten schaden“

Karl Broich, der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Quelle: BfArM

In Deutschland gibt es wiederholt Lieferengpässe bei verschiedensten Medikamenten. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, erklärt, woran es liegt – und wann es gefährlich wird.

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WirtschaftsWoche: Herr Broich, kennen Sie den Himalaya-Maiapfel?
Ja, allerdings.

Der Apfel soll dafür verantwortlich sein, dass in Deutschland zur Zeit das Krebsmittel Etopophos knapp ist. Das Medikament wird bei hochdosierten Chemotherapien und vor allem bei Kindern eingesetzt.
Ja, das ist ein sehr spezieller Fall. Der Apfel steht seit einiger Zeit unter Artenschutz und darf nicht mehr wild geerntet werden. Deshalb melden einige Hersteller jetzt Probleme bei der Herstellung des Wirkstoffs an. Aber das ist wirklich eine Ausnahme, oft gibt es ganz andere Gründe für Engpässe.

Und was sind die Gründe dafür, dass Medikamente nicht mehr zu bekommen sind?
Erhöhter Bedarf und vermehrte Nachfrage. Sehr oft auch Produktionsausfälle. In diesem Markt gibt es immer mehr Monopole, für viele Wirkstoffe gibt es mittlerweile nur noch ein oder zwei Hersteller weltweit. Das ist aus unserer Sicht sehr gefährlich. Wenn es da ein Problem in der Produktion gibt, ist das Medikament sofort knapp. Und dabei ist auch nicht entscheidend, ob die Hersteller in Asien oder Europa produzieren.

Zur Person

In den vergangenen Wochen meldeten außerdem viele Ärzte, dass das Narkosemittel Remifentanil knapp ist. Müssen jetzt Operationen verschoben werden?
Für Remifentanil gibt es noch viele Alternativen, deshalb ist dieser Engpass aus unserer Sicht nicht versorgungsrelevant. Remifentanil ist sehr beliebt, besonders bei ambulanten Operationen von Kindern und Jugendlichen, weil es sehr gut zu dosieren ist. Deshalb hat Remifentanil wenig Nebenwirkungen und die Patienten müssen nicht lange überwacht werden. Was sich für die Patienten jetzt ändert, ist, dass sie vielleicht länger im Aufwachraum bleiben müssen. Aber kein Patient wird wegen diesem Engpass nicht operiert oder schlechter versorgt.

Wie groß ist denn das Problem der Medikamenten-Engpässe in Deutschland?
Die Hersteller haben die Selbstverpflichtung, uns als Bundesinstitut Lieferengpässe zu melden. Das funktioniert meistens. Aktuell haben wir solche Meldungen über 42 Medikamente, die nicht lieferbar sind und als versorgungsrelevant gelten.

Und wie gefährlich ist es aus Patientensicht?
In Einzelfällen kann das schon gefährlich sein, wenn zum Beispiel Krebstherapeutika knapp sind. Das gibt es immer wieder. Ein Risiko sind auch Lieferengpässe bei Antibiotika.

von Jacqueline Goebel, Jürgen Salz

Wieso das? Können Ärzte dann nicht einfach ein anderes Antibiotikum verschreiben?
Das ist möglich, aber das hat Nachwirkungen. In Deutschland fehlte zuletzt zum Beispiel ein Kombinationspräparat aus Piperacillin und Tazobactam. Ursache war, dass es bei dem einzigen Hersteller zu einem Brand in der Fabrik gekommen war. Ärzte müssen dann breiter wirkende Antibiotika einsetzen, als bei diesen Krankheitsbildern eigentlich nötig wären. Und da gibt es das große Risiko, dass durch diesen ungezielten Einsatz das Problem der Antibiotika-Resistenzen vergrößert wird. Und das kann allen Patienten schaden.

Auch bei dem Krebsmittel Melphalan gab es in den vergangenen Monaten oft Lieferengpässe. Wird der Mangel in so einem Fall lebensbedrohlich?
Melphalan ist ein Beispiel, bei dem es immer wieder Schwierigkeiten gibt. Der Hersteller Aspen Pharma hatte ein Werk in Italien, in dem es Qualitätsprobleme gab und dadurch lange nicht produziert werden konnte. Melphalan ist ein Medikament, das im Vergleich etwa zu Antibiotika nur wenige Patienten benötigen. Aber es wird zum Beispiel zur Vorbereitung auf eine Knochenmarktransplantation eingesetzt. Wenn ein Patient eine Transplantation benötigt und das Medikament nicht zu bekommen ist, dann kann sich das Krankenbild des Patienten rapide verschlechtern. Das kann auch lebensbedrohlich sein. Aber bisher haben wir keinen Hinweis darauf, dass es in Deutschland bisher so weit gekommen ist und ein Patient wirklich gravierend geschädigt wurde.

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