Medikamente mit Lieferengpass „Das kann allen Patienten schaden“

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Schaffen wir das Problem der Monopole selbst?

Den Fall hat selbst die EU-Kommission registriert. Sie ermittelt nun gegen Aspen Pharma wegen Wucherpreisen und Ausnutzung seiner Monopolstellung. Wie viele schwarze Schafe gibt es in der Branche?
Es gibt einige schwarze Schafe. Einige nutzen ihre Monopolstellung aus, andere verzögern einfach die notwendigen Investitionen. Dann nutzt ein Hersteller sehr alte, marode Anlagen. Und dann geht halt immer wieder etwas kaputt, die Qualitätsstandards können nicht eingehalten werden. Das ist für uns als Behörde auch eine schwierige Entscheidung: Sollen wir die ganze Charge vom Markt ziehen, wenn ein Qualitätsstandard zwar formal verletzt ist, das Medikament dadurch dem Patienten aber nicht schadet? Oder machen wir das Problem dann größer, weil wir durch unser Eingreifen einen Engpass schaffen? Da versuchen wir, im Sinne der Patienten abzuwägen.

Melphalan gehört zu den Arzneimitteln, für die kein Patent mehr besteht. Viele Antibiotika betrifft das auch. Ist es häufig so, dass ausgerechnet bei patentfreien Medikamenten Versorgungsengpässe bestehen?
Ja, das ist ganz typisch, dass ältere Arzneimittel betroffen sind, bei denen auch nicht mehr so hohe Margen zu erzielen sind. Dann lohnt sich die Produktion vielleicht auch nicht mehr so sehr für die Hersteller, und das führt zu diesen Monopolisierungstendenzen. Aber für Melphalan haben sich mittlerweile mehrere Hersteller für eine Lizenz beworben. Da ist absehbar, dass wir aus dieser Situation hoffentlich bald herauskommen.

In Deutschland schließen Krankenkassen für wichtige Arzneimittel Rabattverträge mit einem Hersteller. Die Wettbewerber sind im Nachteil und rücken dann oft von der Herstellung ab. Schaffen wir das Problem der Monopole so selbst?
Ich denke, das ist eher eine indirekte Ursache. Das heißt ja nicht, dass ein Hersteller nicht noch in andere Länder verkaufen kann. Die Pharmaindustrie greift das Argument oft auf. Die sagen natürlich, wenn wir hier so unter Preisdruck stehen, müssen wir mit unserer Produktion in die günstigeren Standorte wie China oder Indien gehen. Aber wir erleben es genauso in den USA und in Europa, dass Engpässe entstehen. Auch qualitativ exzellente Hersteller sind nicht davor gefeit, dass es mal eine Panne gibt und zum Beispiel ein Tank mit einer Chemikalie nicht funktioniert.

Würde es helfen, wenn die Konzerne mehr Reserven vorhalten müssten?
Wir müssen darüber nachdenken, ob bei bestimmten Arzneimitteln längere Vorratszeiten nötig sind. In der Schweiz gibt es sowas teilweise schon, zum Beispiel in Form staatlicher Impfstofflager. Das kostet natürlich Geld. Wer soll dafür aufkommen? Da müssen wir schauen, welche Vorgaben die Politik macht. Die Pharmakonzerne haben heute schon die Selbstverpflichtung, Medikamentenvorräte für zwei Wochen sicher zu stellen. wir stellen häufig fest, dass das nicht immer reicht. Einige nutzen den Graubereich aus und spekulieren mit diesen Vorräten.

Solche Sünder müsste man doch sanktionieren.
Wenn uns ein Hersteller Lieferengpässe nicht meldet, würden wir uns wünschen, dass wir das auch transparent machen können. Wenn es häufiger passiert, dass Versorgungsengpässe nicht gemeldet werden, brauchen wir nach meiner Überzeugung auch in Deutschland eine Meldepflicht. Strafrechtliche Optionen gibt es nicht, wir können keine Bußgelder verhängen. Dafür wäre letztlich eine europäische Lösung nötig. Sonst verschieben wir das Problem nur zwischen den Ländern.

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