Mega-Börsengang Siemens will mit Healthineers in Frankfurt an die Börse

Die Medizintechnik-Sparte Healthineers soll in Frankfurt an die Börse gehen. Zuvor hatte Siemens auch mit einem Listing in den USA geliebäugelt. Doch Arbeitnehmervertreter fürchteten um die Mitbestimmung.

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Die Siemens-Gesundheitssparte will an die Börse – und könnte künftig in Frankfurt gelistet sein. Quelle: Reuters

München Es könnte einer der größten Börsengänge in Deutschland seit Jahren werden: Analysten schätzen den Wert der Siemens-Medizintechnik auf mehr als 30 Milliarden Euro. Der Siemens-Aufsichtsrat bekräftigte am Mittwoch, dass der nächste große Schritt beim Konzernumbau durch Vorstandschef Joe Kaeser im ersten Halbjahr 2018 erfolgen soll. Zugleich gab es eine wichtige Weichenstellung: Die Notierung soll in Frankfurt erfolgen. Damit sind die Healthineers ein Kandidat für den Dax.

„Der Börsengang ist für Siemens Healthineers der nächste logische Schritt und die Grundlage, um unsere starke Position als führender globaler Medizintechnik-Anbieter auszubauen“, sagte Siemens-Vorstand Michael Sen, der den Aufsichtsrat der Medizintechniksparte führt. Für die Börsennotierung werde eine Siemens Healthineers AG gegründet. Deutsche Bank, Goldman Sachs und JPMorgan koordinieren den Börsengang.

Ursprünglich hatte Siemens für die Healthineers ein ähnliches Modell wie bei der Windkraftsparte Siemens Gamesa erwogen: Einen Börsengang über eine Fusion mit einem notierten Wettbewerber. Inzwischen aber entschied sich der Konzern für einen echten IPO (Initial Public Offering). Siemens will Hauptaktionär mit einem signifikanten Anteil bleiben. „Das ist Kerngeschäft von Siemens“, heißt es in Führungskreisen.

Eine Notierung in den USA wurde bei Siemens lange diskutiert. Der Grund: Die meisten Wettbewerber sind dort an der Börse. Auch deshalb sind die Multiples – also die Börsenbewertungen im Vergleich zum Gewinn – dort höher. Allerdings hatten Siemens-Chef Joe Kaeser und sein Finanzvorstand Ralf Thomas zuletzt angedeutet, dass sich diese Bewertungslücke zuletzt verkleinert habe. Damit stand einer Börsennotierung in Deutschland nichts mehr im Wege.

Dies trifft vor allem bei der IG Metall auf Wohlwollen. Die Gewerkschaft hatte angekündigt, sich gegen eine Notierung in den USA wehren zu wollen. „Ein Börsengang in den USA birgt mehr Risiken als Vorteile. Siemens Healthineers hat mit Sitz in Bayern und unter dem Dach der deutschen Mitbestimmung seine heutige Spitzenposition im weltweiten Markt für Medizintechnik erreicht. Das sollte man nicht für ein paar Dollar mehr aufs Spiel setzen“, sagte IG-Metall-Bezirkschef Jürgen Wechsler.

Ärger mit den Arbeitnehmern hat Siemens derzeit aber schon genug. Seit der Konzern angekündigt hat, 6900 Arbeitsplätze vor allem in der Kraftwerkssparte zu streichen, vergeht kaum ein Tag ohne Protestaktionen. Die IG Metall ist erzürnt, dass Siemens die Werke in Görlitz und Leipzig schließen will und betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließt. Damit verstößt Siemens nach Einschätzung der IG Metall gegen eine unbefristete Beschäftigungs- und Standortgarantie, die der Konzern 2010 gegeben hatte. Siemens beruft sich auf Ausnahmeregelungen bei strukturellen Problemen. Die Gewerkschaft wirft Siemens hingegen vor, die Vereinbarung unterlaufen zu wollen.

Ganz kann es sich Konzernchef Kaeser aber nicht mit den Arbeitnehmervertretern verderben. Er braucht sie für seinen weiteren Konzernumbau. Dabei hat der Börsengang von Healthineers große Bedeutung.

Das Projekt steht für den Wandel von Siemens stärker in Richtung einer Holding. Die Zeit der Konglomerate alter Prägung sei vorbei, betont Kaeser immer wieder. „Die Geschäftsentwicklung und die Marktbewertung geben den ‚Focus Players‘, also den fokussierten Spezialisten, recht.“ Nicht die größten und diversifiziertesten Unternehmen seien im digitalen Zeitalter erfolgreich, „sondern diejenigen, die sich am besten an die sich rasant veränderten Umgebungsbedingungen anpassen“. Die Verselbstständigung der Medizintechnik soll der Einheit mehr Flexibilität verschaffen.

Kaesers Problem allerdings: Sein neuer Flottenverbund, wie er das Konzept nennt, ist nicht optimal gestartet. Der Siemens-Chef hatte die Windkraftsparte über eine Fusion mit der spanischen Gamesa im Sommer an die Börse gebracht.

Der neue Konzern legte einen glatten Fehlstart mit zwei Gewinnwarnungen und einer Halbierung des Aktienkurses hin. Siemens Gamesa will nun 6000 Arbeitsplätze streichen. Kaeser räumte „interne Defizite“ und einen „etwas holprigen Start“ ein.

Ein Siemens-Insider betont, dass die Voraussetzungen bei den Healthineers ganz andere seien. Die Windkraftindustrie habe zwar auch gute Zukunftsaussichten, befinde sich aber in einer Konsolidierungsphase. Die Healthineers stünden sehr gut da. „Wir müssen aber auch morgen gewinnen. Da wird es ganz andere Wettbewerber geben.“

Im vergangenen Geschäftsjahr 2017/18 steigerte Healthineers den Umsatz um drei Prozent auf 14,2 Milliarden Euro. Mit einer operativen Umsatzrendite von 18,1 Prozent war die Medizintechnik nach der Digitalen Fabrik das zweitprofitabelste Geschäftsfeld im Konzernverbund.

Damit dürfte der Börsengang nach Einschätzung in Finanzkreisen auf reges Interesse stoßen. „Frankfurt ist eines der weltweit größten Wertpapierhandelszentren, dessen Bedeutung vor dem Hintergrund des Brexit weiter zunehmen wird,“ sagte Sen. „Als hochliquider Handelspartner ist Frankfurt attraktiv für Investoren aus der ganzen Welt.“ Ziel der Healthineers sei es, „nachhaltig und profitabel zu wachsen und die Paradigmenwechsel der Gesundheitsbranche aktiv zu gestalten.“

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