
Die alten Holzdielen knarren. Rundstrickmaschinen rattern. Spindeln versorgen sie mit Garn, während der fertige Stoff in Schlauchform ausgespuckt wird. Der türmt sich auf dem Boden wie ein immer höher werdender Sahneberg. Säckeweise lagern die zusammengeknoteten Stoffbündel am Eingang der Wirkerei, wie der museumsreife Produktionsraum in der historischen Textilhochburg Albstadt auf der Schwäbischen Alb genannt wird. Die 32 museumsreifen Maschinen hat der Berliner Designer Peter Plotnicki zu neuem Leben erweckt, fasziniert von der uralten Produktionsweise.
Mit seiner fast originalgetreuen Produktion alter Arbeiterhemden aus den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hat er die beiden Zeitgeistkonzepte „bio“ und „regional“ erfolgreich auf die Modewelt übertragen. Merz b. Schwanen heißt sein Label – in Anlehnung an den Hemdenhersteller Merz, der früher in Albstadt die Gaststätte „Beim Schwanen“ betrieb und so seine Textilfabrik getauft hatte.
Albstadt ist ein Muster für den Niedergang der deutschen Textilindustrie. Seit die Konkurrenz aus Billiglohnländern lockt, haben viele Textilhersteller ihre Produktion nach China oder Bangladesch verlagert. War Ende der Sechzigerjahre noch knapp eine Million Mitarbeiter in rund 10.000 Betrieben in Deutschland beschäftigt, waren es 40 Jahre später nur noch rund 120.000 Beschäftige in 1.200 Betrieben.





Wieder belebt
Doch Designer Plotnicki zeigt, wie eine Textilproduktion in der Nische hierzulande überleben und aussehen kann. Er fertigt komplett in Deutschland, verarbeitet Biobaumwolle von heimischen Feldern und aus Griechenland. Die Hemden mit Dreiviertelarm und Knopfleiste dienten den Arbeitern früher als Unterwäsche, sie waren rundgestrickt, damit an den Seiten keine Naht scheuern konnte.

Heute werden Plotnickis Vintage-Hemden meist als T-Shirts getragen. Sie kommen an und verhelfen dem Designer zu internationalem Erfolg. 70 Läden weltweit vertreiben inzwischen seine Hemden – zu Preisen jenseits von 70 Euro. Auch Modeunternehmer Karl-Heinz Müller, der die diese Woche startende Messe Bread & Butter von Köln nach Berlin brachte, führt die Merz-Hemden in seinem Laden „14 oz.“ in Mitte und seit Kurzem auch in einem neuen Geschäft auf dem Ku’damm: „Wir verkaufen Merz hervorragend“, freut sich Müller, „es gibt echte Fans, die kaufen immer gleich mehrere Teile.“
Merz punktet bei anspruchsvollen Kunden gleich mehrfach. Zum einen mit seiner authentischen Geschichte: „Viele Verbraucher schauen sehr viel genauer hin als noch vor einigen Jahren, wo ihre Kleidung herkommt, wer sie hergestellt hat und unter welchen Bedingungen“, sagt Müller, „die Leute sehen sich das Etikett an.“