Milliarden-Angebot von Potash Wie K+S die Übernahme verhindern will

Im Übernahmepoker mit dem kanadischen Konzern Potash hat K+S-Vorstandschef Norbert Steiner diverse Gegenmaßnahmen in petto. Dank einiger Finten im Aktienrecht könnte die mögliche Übernahme am Ende deutlich teurer werden.

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Übernahmepoker um K+S Gruppe Quelle: dpa Picture-Alliance

Unter Tage fühlt sich Norbert Steiner wohl, wie jeder sieht, der einmal mit ihm eingefahren ist. Der Vorstandschef des Kasseler Rohstoffkonzerns K+S redet und scherzt mit den Bergarbeitern. Steiner mag den rauen Ton der Kumpel, die schweren Bagger und Radlader, den Lärm. In Orten wie Unterbreizbach oder Hattorf fördert K+S in etwa 700 Meter Tiefe vor allem den Düngemittel-Rohstoff Kali.

In diesen Tagen wird Steiner, von Haus aus Jurist, allerdings vor allem über Tage gebraucht. Konkurrent Potash hat K+S, früher bekannt als Kali + Salz, per Brief mitgeteilt, an einer Übernahme interessiert zu sein. Die Preisvorstellung der Kanadier liegt bei 41 Euro je Aktie, damit wäre K+S mit etwa acht Milliarden Euro bewertet. K+S hat den Vorschlag zurückgewiesen; der Preis sei nicht angemessen.

Potash und K+S: Das Milliardenangebot

Steiner ist entschlossen zu kämpfen. Er lehnt eine Übernahme durch Potash ab – zumindest will er K+S so teuer wie möglich verkaufen. Hinter den Kulissen geht es Steiner dabei nicht nur um einen höheren Preis, sondern auch um Zusagen für die Standorte und die rund 7000 Jobs in Hessen und Thüringen. Dabei hilft dem 60-jährigen Siegerländer, dass er sich seit Jahren auf ein Kaufangebot eines Konkurrenten vorbereitet - und einige sogenannte Giftpillen ausgelegt hat, die eine mögliche feindliche Übernahme erschweren.

Zum dritten Mal erst greift ein ausländisches Unternehmen nach einem deutschen Dax-Konzern. 2000 musste sich Mannesmann der britischen Vodafone geschlagen geben; 2005 gelang dem italienischen Bankhaus UniCredit die freundliche Übernahme der bayrischen HypoVereinsbank. Bei K+S setzt Potash nun vor allem darauf, dass der Bergbaukonzern ohne schützenden Großaktionär dasteht: Der Streubesitz liegt bei 100 Prozent.

Krasse Sonderregelungen

Strategisch erscheint der Deal sinnvoll. Gemeinsam würden beide Unternehmen zum Weltmarktführer bei Kali aufsteigen. Regional ergänzen sich Deutsche und Kanadier gut: K+S ist in Europa stark, Potash in Nordamerika. Zum Ärger von Potash, dessen deutscher Chef Jochen Tilk einst in Aachen Bergbauwissenschaften studierte, will K+S allerdings von 2017 an größere Mengen Kali ausgerechnet in Kanada fördern. Das Projekt Legacy in der Provinz Saskatchewan soll 2016 in Betrieb gehen und in absehbarer Zeit etwa drei Millionen Tonnen Kali jährlich liefern.

Kalianbieter K+S Potash

Kontrahent Steiner freilich rechnet seit Jahren mit einem Übernahmeversuch und hat Abwehrmaßnahmen vorbereitet. Beraten lässt sich Steiner von der Investmentbank Goldman Sachs, den Anwälten von CMS Hasche Sigle sowie der Kommunikationsagentur Brunswick. Insbesondere nutzt der K+S-Chef Finten des Aktienrechts, um eine Übernahme zumindest zu erschweren, den Konzern so teuer wie möglich zu verkaufen und Zugeständnisse herauszuholen.

„Bei K+S gibt es schon krasse Sonderregelungen“, sagt der auf Unternehmensübernahmen spezialisierte Rechtsanwalt Oliver Maaß von der Münchner Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds. „Der Konzern nutzt bei den sogenannten Change-of-Control-Klauseln, die bei einer Übernahme greifen, die ganze Breite des Arsenals.“ Vier zentrale Punkte hat der Anwalt ausgemacht:

Vier zentrale Punkte

- Ein Käufer muss Kredite und Anleihen des Konzerns, unabhängig von der Restlaufzeit, sofort zurückzahlen. 2013 haben die Kasseler bei mehreren Banken einen Kredit über eine Milliarde Euro aufgenommen. 2012 und 2013 hat K+S drei Anleihen mit einem Volumen von jeweils mehr als 500 Millionen Euro aufgelegt. Potash müsste diese Summen entsprechend umfinanzieren.

- Auf der letzten Hauptversammlung am 12. Mai hat sich Steiner die Ausgabe von 19 Millionen neuen Aktien genehmigen lassen – mit der Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts für Altaktionäre. Diese Aktien könnte K+S einem „weißen Ritter“ andienen – einem Unternehmen, das ein konkurrierendes Gegenangebot macht, eine Übernahmeschlacht anzettelt und den Preis in die Höhe treibt. Gut möglich, dass Steiner vor dem Aktionärstreffen geahnt hat, was auf K+S zukommen könnte: Tilk und Steiner sollen laut Insidern im Februar über einen Zusammenschluss gesprochen haben.

Ein Interessent könnte der australisch-britische Rohstoffkonzern BHP Billiton sein, der 2010 vergeblich versucht hatte, Potash zu kaufen. „BHP ist als weißer Ritter für K+S durchaus denkbar“, sagt Heinz Müller, Analyst bei der DZ Bank. Die Australier wollen ihr Kaligeschäft erweitern und bauen gerade in Kanada die weltgrößte Kalimine.

- Die Unternehmenssatzung von K+S erschwert bereits seit 2001 die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern. Sie können nur mit einer Hauptversammlungs-Mehrheit von 75 Prozent abberufen werden – üblich ist eine Quote von 51 Prozent. Für einen Käufer wird es damit schwieriger, eigene Leute im Aufsichtsrat zu installieren.

- Noch das kleinste Hindernis dürfte sein, dass bei einer Übernahme die Vorstandsverträge enden und großzügige Regeln zu Abfindungen greifen. Die fünf Vorstände dürften einen Käufer etwa zehn Millionen Euro kosten. Bei einer Milliardentransaktion ist das aber eine nicht allzu hohe Summe, zumal es auch gern geübte Praxis ist, dass Aufkäufer Vorstände, die mit ihnen kooperiert haben, im Unternehmen belassen, zu großzügigen Bedingungen.

„Bei einer freundlichen Übernahme kann das Unternehmen einem Käufer entgegenkommen“, sagt Anwalt Maaß. „Die Vorstände könnten dann etwa Finanzierungsfragen mit dem Käufer einvernehmlich regeln.“

Macht der Wettbewerbsbehörde

Aktien-Vergleich: K+S - Potash

Unabhängig von Steiners Abwehr-Arsenal können die Wettbewerbsbehörden eine mögliche Übernahme erschweren. Zwar gibt es in Europa und Nordamerika bislang kaum Berührungspunkte zwischen beiden Unternehmen. „Das Kartellthema ist aber nicht trivial“, sagt Lutz Grüten, Analyst bei der Commerzbank. „Zwischen K+S und Potash gibt es Überschneidungen in Lateinamerika.“

Zudem würde die Marktmacht – und damit die Fähigkeit, die Preise hoch zu halten – stark zunehmen: Gemeinsam beherrschen Potash und K+S ein Viertel des Weltmarktes. Die Kanadier gehören außerdem gemeinsam mit den US-Wettbewerbern Mosaic und Agrium zum Exportkartell Canpotex, das bisher schon für mehr als ein Drittel des weltweiten Marktanteils steht.

Arbeitskämpfe gegen Übernahme

Da bei einer Übernahme potenziell Jobs gefährdet sind, kann Steiner auf Verbündete in Politik und Gewerkschaft zählen. So will Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) für die K+S-Arbeitsplätze im strukturschwachen Osthessen kämpfen. Mit Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hat Bouffier über das potenzielle Potash-Angebot gesprochen.

Auch Michael Vassiliadis, Chef der Chemie-Gewerkschaft IG BCE und zugleich Vize-Aufsichtsratschef von K+S, dürfte bereits seine Kontakte spielen lassen. Er ist in Berlin gut verdrahtet; SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi ist seine Lebensgefährtin.

Neue Spekulationen zu Übernahmekandidat K+S

Zwar haben weder Bouffier noch Vassiliadis eine rechtliche Handhabe gegen eine Übernahme. Sie könnten aber – notfalls auch mit öffentlichkeitswirksamen Arbeitskämpfen – den Druck auf Potash erhöhen, verbindliche Zusagen für Standorte und Arbeitsplätze zu geben. Zwar haben die Kanadier bereits eine Charmeoffensive gestartet und ließen durchblicken, dass die deutschen Standorte und die Belegschaft unangetastet bleiben sollen. Eine Garantie dafür gibt es nicht.

Auch beim Preis ist wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Kanadier sollen bereit sein, nachzulegen, heißt es an der Börse, Investoren signalisieren, dass sie bei 45 bis 50 Euro pro Aktie verkaufen könnten. „Der bisher vermutete Preis von etwas mehr als 40 Euro pro Aktie spiegelt noch nicht den wahren Wert von K+S wider“, sagt etwa Commerzbank-Analyst Lutz Grüten. „Da sind die Erträge aus dem Legacy-Projekt in Kanada, eine angemessene Prämie für den gewonnenen Marktanteil und die damit verbundene Preissetzungskraft sowie die zu erwartenden Synergien noch nicht eingerechnet.“ Grüten hält einen Preis von 55 Euro je Aktie für gerechtfertigt.

Komplett verhindern können wird K+S-Chef Steiner die Übernahme trotz aller Abwehrmaßnahmen nicht. Denn wenn der Preis stimmt, dürften die meisten K+S-Aktionäre – überwiegend Fonds und institutionelle Investoren – bereit sein, ihre Papiere Potash anzudienen.

„Ich bin zum Verkauf der K+S-Aktien bereit“, sagt etwa Harald Berres, der den GS&P Fonds Deutschland Aktiv managt, der in viele große deutsche Aktien investiert ist. „Ein Preisaufschlag von 30 bis 40 Prozent auf den letzten Kurs, bevor die Potash-Offerte publik wurde, ist sehr ordentlich.“ Legen die Kanadier noch etwas nach, dürften sich viele Aktionäre zufriedengeben. Das Übernahmeangebot von Potash nennt Berres einen „Segen für die Aktionäre“. Die Stimmung im Markt sei klar: „Ich gehe davon aus, dass eine übergroße Mehrheit der Aktionäre das Angebot annehmen wird.“

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