Mobilität Deutsche und Franzosen bleiben Autonarren

Wenn es um das eigene Auto geht, haben Deutsche und Franzose viel gemeinsam. Sie wünschen sich vor allem eine bessere Umweltbilanz. Der Hype um autonomes Fahren oder Carsharing geht an ihnen jedoch vorbei.

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Viele Deutsche und Franzose wünschen sich sparsamere und umweltschonenderer Autos. Quelle: Reuters

Paris Das Auto ist Deutschen und Franzosen wichtiger, als es die öffentliche Debatte manchmal vermuten lässt. Für die Menschen in den Nachbarländern bleibt das eigene Gefährt unverzichtbar. Auf beiden Seiten des Rheins hat man außerdem klare Vorstellungen davon, was bei dessen Weiterentwicklung besonders wichtig ist: Umwelt kommt vor technischem Schnickschnack.

„Umweltfreundlichkeit geht für die Verbraucher vor, sie ist ihnen weit wichtiger als das vernetzte oder das selbstfahrende Auto,“, sagt Henri de Castries, früherer Chef des Versicherers Axa und heute Präsident des Think Tanks Institut Montaigne. Dieser hat eine repräsentative Befragung in Frankreich, Kalifornien und Deutschland durchführen lassen, die zu teilweise sehr verblüffenden Ergebnissen kommt. Studie und Befragung liegen dem Handelsblatt exklusiv vor.

Deutsche wie Franzosen haben eine sehr klare – und identische – Vorstellung davon, wie das Auto der Zukunft aussehen sollte: Auf die Frage, was in den kommenden 15 Jahren die wichtigste Veränderung ist, sagen jeweils 41 Prozent, das Auto solle weniger Energie verbrauchen und die Umwelt schonen. Nur jeweils 26 Prozent halten neue technologische Eigenschaften für die wichtigste Änderung. Und das vernetzte Auto ist lediglich für 2,5 Prozent der Franzosen und nur für 1,2 Prozent der Deutschen die Priorität. In Kalifornien dagegen geht Technologie vor Umwelt.

Auch wenn man die Frage etwas anders stellt – „Welche Entwicklung des Autos würde ihrem Bedarf am stärksten gerecht werden?“ – kommt man zu ähnlichen Ergebnissen. Hier sagen je 30 Prozent in Frankreich und in Deutschland: mehr Umweltschonung. Jeweils 27 Prozent wünschen sich preiswertere Fortbewegungsmittel und 15 Prozent in Frankreich und 18 Prozent in Deutschland wollen sicherere Fahrzeuge.

In Deutschland folgt erst an vierter Stelle mit 15 Prozent das selbstfahrende Auto. In Frankreich sind es mit 26 Prozent etwas mehr Nutzer, die sich diese Neuerung wünschen. In Kalifornien liegt die Sicherheit an erster Stelle, autonomes Fahren und geringere Kosten gleichauf an zweiter Position und erst danach rangiert der Umweltschutz.

Sieht man diese Ergebnisse, bekommt man den Eindruck: In Deutschland und Frankeich geht der Hype um das autonome Fahren mehr als nur ein wenig am Bedarf vorbei. Offenbar müssen die Hersteller sich da ein paar Gedanken machen. „Unser wichtigstes Anliegen mit dieser Studie ist, dass man die Mobilität der Zukunft nicht mehr nur aus technikbezogener Sicht angeht, sondern aus der des Verbrauchers“, formuliert De Castries.

Das gelte auch für die Regulierung, ergänzt Laurent Burelle, Chef des großen Zulieferers Plastic Omnium: Man müsse sich die Frage stellen, ob neue Test und Zulassungsvoraussetzungen nicht zu sehr eine bestimmte Technik wie das E-Auto favorisierten, das bei Einrechnung aller Emissionen bei der Herstellung und der Verschrottung nicht so umweltfreundlich sei, wie es den Anschein habe. „Und die strikteren CO2-Normen werden wir ohne den Diesel nicht einhalten können“, äußerte Burelle.

Dabei spricht er pro domo: Plastic Omnium erzielt einen großen Teil seines Umsatzes mit Kunststofftanks und Techniken für die Abgasreinigung. Doch auch Burelle erwartet, dass „künftig viel mehr Hybridfahrzeuge verkauft werden, und dann die E-Autos.“


Das Auto steht für „Unabhängigkeit und Freiheit“

Interessant an der Studie ist auch, welche Bedeutung das Auto und auch das Auto im Besitz des Einzelnen wohl in Zukunft noch für die Mobilität haben wird. Häufig liest man, der Autobesitz werde künftig keine Rolle mehr spielen. Doch das scheint eine Minderheitenposition zu sein, die von Teilen der Bewohner in Großstädten getragen wird.

Insgesamt denken, wenn es um die wichtigsten Innovationen für die Mobilität geht, 63 Prozent der Kalifornier vor allem an das Auto, in Frankreich sind es 46 Prozent und 43 Prozent in Deutschland. Bei uns kommt der öffentliche Nahverkehr relativ knapp dahinter mit einem Drittel an zweiter Stelle, in Kalifornien und Frankreich landet er nur deutlich niedriger.

Bemerkenswert ist es, zu sehen, dass die Franzosen also noch autobegeisterter sind als die Bundesbürger. Unsere Nachbarn sind übrigens zu 57 Prozent Dieselfahrer, während die Deutschen zu 70 Prozent auf Benziner setzen.

Carsharing und „Auto on demand“ haben mit nur zwei Prozent allenfalls marginale Bedeutung für die Nutzer. Das ändert sich allerdings, wenn es um ein selbstfahrendes Auto auf Abruf geht. Da ist in allen die betrachteten Ländern immerhin rund ein Drittel der Befragten interessiert, während 40 Prozent sich immer noch für den Kauf entscheiden. 99 Prozent der Befragten wollen ihr vorhandenes Auto durch ein anderes ersetzen oder es halten, nur knapp ein Prozent ist zum Verzicht bereit – danach müssen sich die großen Hersteller keine übermäßigen Sorgen um ihre künftigen Absatzmöglichkeiten machen.

Exakt identisch sehen Deutsche und Franzosen das Auto, wenn man nach dem individuellen Wert für sie fragt: Jeweils 57 Prozent antworten, dass es für „Unabhängigkeit und Freiheit“ stehe. 60 Prozent der Befragten in beiden Ländern entscheiden sich allerdings für das individuelle Fahrzeug, weil es die praktischste Lösung ist.

Die Autoabhängigkeit ist allerdings extrem, wenn es um die Fahrt von der Wohnung zur Arbeit geht: 44 Prozent der Franzosen und ein Drittel der Deutschen haben nach eigenen Angaben gar keine andere Wahl, als das eigene Auto zu nutzen.

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