In New York oder London gehören sie schon fest zum Straßenbild: Dunkle Vans mit Schiebetür, per App bestellt und gefüllt mit Touristen und Geschäftsleuten, die sich die Fahrt in der U-Bahnen ersparen wollen. Ein praktischer Service, organisiert von schnell wachsenden Unternehmen wie Uber, Lyft oder Via. Was die Taxifahrer ärgert, wird von immer mehr Kunden geschätzt.
Das Wichtigste zu Uber
Uber, eigentlich Uber Technologies Inc, gegründet im März 2009, startete seinen Service 2011 in San Francisco. Zunächst beschränkte sich das Angebot auf einen Chauffeur-Service („UberBlack“), der für einen etwas höheren Preis Limousinen als Alternative zu den im Silicon Valley damals notorisch knappen Taxis bot. Das Unternehmen expandierte aber schnell in andere US-Metropolen, von 2012 an auch international, und erweiterte auch seine Dienste. In vielen US-Metropolen und seit November 2015 auch in London können Uber-Fahrer mehrere Fahrgäste unterwegs aufnehmen und eine Art Sammeltaxi auf Zeit bilden; die Kunden teilen sich den Preis („UberPool“). Der bei Kunden erfolgreichste, aber auch mit Abstand kontroverseste Service ist UberX (In Deutschland bis April 2015 als „UberPop“ im Angebot). Dabei kann der Kunde über sein Smartphone in der Nähe befindliche Privatleute anheuern, die ihn gegen Geld mit ihrem Auto befördern, von Uber vermittelt. In der Regel unterbietet Uber so den Preis einer vergleichbaren Taxifahrt um 25 bis 40 Prozent. Uber gilt als das am höchsten bewertete Start-up der Welt- Der Umsatz soll schnell wachsen, allerdings schreibt Uber noch hohe Verluste.
Der Kunde gibt auf seinem Handy den gewünschten Abholort ein. Nach der Eingabe des Zielorts erscheinen die verfügbaren Uber-Fahrer in der Nähe seines Standortes als kleine Auto-Symbole in der App. Auf Wunsch kann nun der voraussichtliche Fahrpreis angezeigt werden. Nachdem der Kunde die Fahrt verbindlich bestellt hat, bekommen die Uber-Fahrer den Fahrwunsch samt Strecke auf ihrer App angezeigt. Nimmt ein Fahrer an, sieht der Fahrgast dessen Bewertung durch frühere Kunden, den Autotyp und Namen des Fahrers.
Das Kernprodukt ist, technisch gesehen, das Routing der Fahrer zum möglichst attraktivsten und nächsten Kunden. Da das System mit GPS arbeitet, kann der Fahrtpreis grob vorausberechnet werden und ein Taxameter ist nicht nötig. Nach der Fahrt wird der Kunde seinerseits aufgefordert, den Fahrer zu bewerten. Um die Bezahlung muss er sich nicht kümmern; die Abbuchung erfolgt automatisch von der bei der ersten Anmeldung hinterlegten Kreditkarte oder PayPal.
Vor allem der Peer-to-Peer-Dienst, bei dem Privatpersonen andere Privatleute gegen Geld befördern, ist es, der von Taxiunternehmen heftig bekämpft wird. In Deutschland ist er seit Frühjahr 2015 sogar ganz untersagt, seit Gerichte den Argumenten der Taxibranche folgten. Die argumentierten mit unlauterem Wettbewerb: Bei UberPop (in anderen Ländern UberX) werden die oft nebenberuflichen Fahrer lediglich auf ihr Verkehrspunktekonto und auf ein Polizeiliches Führungszeugnis überprüft, während Taxifahrer einen Personenbeförderungsschein, Gesundheitsprüfungen, besondere Versicherungen und (wenn sie ihr eigenes Unternehmen gründen wollen) in vielen Städten eine teure Lizenz benötigen. Das Uber-Auto muss lediglich jünger als zehn Jahre sein, vier Türen und Kofferraum aufweisen und natürlich verkehrssicher sein, während Taxis speziell geprüft werden.
In Deutschland tun sich diese Dienste noch schwer. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert noch weitgehend und die Taxigilde ist gut geschützt. Dennoch wollen Volkswagen und Daimler das Geschäft mit den Sammelfahrten auch hierzulande etablieren. Nachdem die VW Tochter Moia in Hamburg ihr Konzept vorgestellt hat, präsentierte Daimler mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) am Mittwoch seine Pläne in Berlin. Der Tag scheint geschickt gewählt, während Uber für sein Geschäftsmodell gerade vom Europäischen Gerichtshof einhegt wird, zeigen die Deutschen legale Alternativen auf.
Ab dem Frühjahr werden zunächst 50 Mercedes-Sammeltaxis auf Bestellung zwischen Kreuzberg und Prenzlauer Berg auf die Straße gehen. Zum Einsatz kommen Vans der Modelle Vito und V-Klasse sowie die kleinere B-Klasse mit Sitzen im BVG-Design. Die Fahrgäste werden per App gesammelt, ein Algorithmus berechnet die Route, die Fahrten starten und enden an regulären Bushaltestellen oder an so genannten virtuellen Haltepunkten wie Verkehrskreuzungen. Die Fahrgäste teilen sich die Fahrt mit anderen, der Algorithmus steuert Zustiege und Routen.
Daimler arbeitet hat für das Angebot ein Joint Venture dem US-Dienst „Via“ gegründet, die Stuttgarter stellen die Autos, Via die Technologie. Abgerechnet wird über die App, der Preis besteht zu einem Grundtarif und einem entfernungsbasierten Zuschlag.
„Das Angebot liegt preislich zwischen dem Bus und dem Taxi“, erklärt Volker Mornhinweg, Leiter von Mercedes-Benz Vans dem Handelsblatt. „Eine Ausweitung auf weitere Stadteile in Berlin ist geplant“. Dass die Stuttgarter auf die Algorithmen von Via zugreifen können, sieht er als Vorteil. Der Daimler-Partner hat viel Erfahrung wie man Wartezeiten, Umwege oder Abrechnungspannen vermeidet. Berlin will Daimler auf jeden Fall als Sprungbrett nutzen. „Wir sind mit mehreren Städten im Gespräch, in London warten wir nur noch auf die finale Genehmigung“, sagt Mornhinweg.
Der Konzern fährt mit seinen Mobilitätsdiensten damit zweigleisig. Vor wenigen Wochen hatte die Daimler-Tochter Moovel in Stuttgart in Kooperation mit dem örtlichen ÖPNV-Anbieter SBB den Dienst „Flexpilot“ gestartet, der auf die hauseigene Moovel-Technologie, nicht auf Via zurückgreift, aber ein exakt gleiches Geschäftsmodell verfolgt. Auch hier sollen Kleinbusse des Konzerns flexible Mitfahrten garantieren. Derzeit wird noch getestet, Anfang 2018 soll der Dienst starten.
„Ride-Sharing“, wie diese Angebote Neudeutsch heißen, sollen ein profitables Geschäftsmodell des Autobauers werden. Zudem sichert sich Daimler einen guten Absatzkanal für seine Vans.
Das Potential hat auch der VW-Konzern erkannt, der gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn im kommenden Jahr ein ähnliches Projekt plant. Die Wolfsburger wollen mit ihrer Mobilitätstochter „Moia“ im kommenden Jahr einen „Shuttle-on Demand“- Service in der Hansestadt aufbauen. In einem ersten Schritt sollen 200 Kleinbusse voll elektrisch in Hamburg unterwegs sein und wie in Berlin das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs ergänzen. Moia wolle „die Flexiblität des Privatwagens mit der Umweltfreundlichkeit des öffentlichen Nahverkehrs verbinden“, verspricht Robert Heinrich von Moia.
Daimler und Volkswagen wollen mit ihren Angeboten auch verhindern, dass große Mobilitätsplattformen wie Uber oder Lyft in Europa Fuß fassen und die Autohersteller zu Hardware-Lieferanten degradieren. Vor allem in Deutschland hat der Markt aber noch enge Grenzen: Hierzulande gilt das Personenbeförderungsgesetz, das jenseits vom öffentlichen Nahverkehr nur Taxen das Recht zur spontanen Personenbeförderung gewährt. Um das Projekt in Berlin möglich zu machen, hat die BVG eine „Experimentierklausel“ im Rahmen des Gesetzes genutzt. Dass die Branche die Ausnahme zur Regel machen will, davon kann die nächste Bundesregierung ausgehen.