Es ist die größte Übernahme, die je ein deutsches Unternehmen im Ausland gewagt hat. Durch die Übernahme von Monsanto durch Bayer für insgesamt 66 Milliarden Dollar entsteht der größte Agrarkonzern der Welt – zum Sortiment zählen Pflanzenschutzmittel, auch solche mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat, und Saatgut etwa für Mais und Soja.
Vier Monate dauerten die Verhandlungen. Aus gutem Grund: Die Übernahme ist kein Selbstläufer, für Bayer wird die Integration von Monsanto eine Herkulesaufgabe. "Dies ist der Beginn eines langen Prozesses und nicht das Ende", sagte auch Bayer-Chef Werner Baumann in einer Telefonkonferenz zur Übernahme.
Gemeinsam erwirtschaften Bayer und Monsanto über 60 Milliarden Euro Umsatz – inklusive der Pharma-Sparte der Leverkusener. Weltweit über 140.000 Mitarbeiter sind in dem vereinten Konzern beschäftigt. Bayer-Chef Werner Baumann steht nun vor großen Herausforderungen. Die größten Klippen der Übernahme:
Reputation
Das bislang gute Bayer-Image droht ernsthaft Schaden zu nehmen. Denn die Monsanto-Übernahme löst einen Aufschrei der Empörung aus: Greenpeace, BUND und Grüne werden gegen den neuen Monopolisten wettern. Monsanto, der Vorreiter für gentechnisch veränderte Pflanzen und Hersteller des umstrittenen Wirkstoffs Glyphosat, gilt ihnen als Inkarnation des Bösen. Die Kritiker werfen dem US-Konzern vor, Bauern, die Monsanto-Saatgut wiederverwenden, zu drangsalieren und ohne Rücksicht auf die Verbraucher Gentechnik im Essen durchsetzen zu wollen.
Auch etliche Landwirte sind von dem Zusammenschluss nicht begeistert. Aus ihrer Sicht entsteht ein neuer, mächtiger Konzern, der gegenüber den Bauern hohe Preise durchdrücken kann. „Die Oligopol-Bildung am Agrarmarkt kann zu eingeschränktem Wettbewerb führen“, sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.
Auch bei Bayer sind längst nicht alle Beschäftigten von den Segnungen der Amerikaner überzeugt. „Monsanto passt nicht zu uns“, sagt ein leitender Mitarbeiter. „Wir legen uns da mit dem Teufel ins Bett“, urteilt ein Angestellter aus der Pflanzenschutz-Sparte. Etwa dreißig Prozent der Mitarbeiter dürften Bedenken gegen Monsanto haben, lautet eine interne Schätzung. Baumann und Wenning müssen da noch viel interne Überzeugungsarbeit leisten.
Kartellprüfung
Eine weitere Baustelle für Baumann und Aufsichtsratschef Werner Wenning: Bei der Größe der Übernahme werden die Kartellbehörden genau hinsehen, zumal sich derzeit die ganze Branche konsolidiert. Die US-Giganten Dow Chemical und DuPont machen im Agrarbereich gemeinsame Sache; der chinesische Mischkonzern Chemchina schluckt gerade die Schweizer Syngenta.
Offiziell geben sich Bayer und Monsanto zwar selbstbewusst. "Der einzigartige Vorteil an dieser Fusion ist, dass die Überschneidungen minimal sind", sagte etwa Monsanto-Chef Hugh Grant heute in einer Telefonkonferenz vor Journalisten.
Doch die Verhandlungen mit den Kartellwächtern dürften so einfach nicht werden. Nach Angaben von Bayer wird der Deal von 30 unterschiedlichen Kartellbehörden durchleuchtet, darunter die USA, Kanada, Brasilien und die EU. Die Gespräche mit den Wettbewerbswächtern dürften sich bis weit ins Jahr 2017 hinziehen. Bei Baumwoll-Saatgut beherrschen etwa Bayer und Monsanto in den USA zwei Drittel des Marktes.
„Die geplante Übernahme von Monsanto wird kein Sprint, sondern sicherlich eher ein Marathon. Insbesondere die Abstimmungen mit den Kartellbehörden könnten sich gegebenenfalls hinziehen“, hatte Baumann bereits im Mai gegenüber der WirtschaftsWoche zu Protokoll gegeben, nachdem Bayer das erste Angebot abgegeben hatte.
Zusammenschluss könnte gegen US-Kartellrecht verstoßen
Renommierte Rechtswissenschaftler warnen bereits, dass ein Zusammenschluss mutmaßlich gegen das US-Kartellrecht verstoßen würde – und demzufolge gerichtlich untersagt werden müsste. Maurice Stucke und Allen Grunes heißen die Zweifler. Die Rechtsprofessoren haben früher als Anwälte für das US-Justizministerium, Abteilung Kartellrecht, gearbeitet. In einer 32-seitigen Studie – finanziert von der internationalen Verbraucherbewegung „SumOfUs“ – führen sie detailliert aus, wie ein Zusammenschluss von Bayer und Monsanto den Wettbewerb massiv einschränken würde – mit Folgen für Bauern ebenso wie für Konsumenten.
Ein Beispiel ist das Geschäft mit genverändertem Saatgut. Schon heute ist Monsanto mit weitem Abstand Marktführer. Mais und Sojabohnen werden in den USA zum Großteil mit Samen des US-Konzerns angebaut. Bei Baumwolle erhöht der Zusammenschluss die Marktkonzentration: Auf über 31 Prozent der Anbauflächen werden Monsanto-Samen verwendet. Einen höheren Marktanteil hat nur Bayer mit 38,5 Prozent. Ein Zusammenschluss der beiden Konkurrenten „würde zu einer Marktkonzentration führen“, die „inakzeptabel hoch“ sei, so die Rechtsprofessoren.
Ähnlich sei es bei dem Geschäft mit Unkrautvernichtern. Monsanto stellt den Kassenschlager Roundup her. Wichtigster Konkurrent ist Bayer mit seinem Produkt LibertyLink. Ein Zusammenschluss von Bayer und Monsanto, bilanzieren die Studienautoren, würde nicht nur mutmaßlich gegen das Kartellrecht verstoßen, sondern auch gegen eine gerichtliche Auflage von 2008.
Damals schloss Monsanto den Kauf der „Delta and Pine Land Company“ ab. Die Behörden meldeten kartellrechtliche Bedenken ein. Monsanto lenkte ein und sagte zu, sich von Teilen des Baumwollgeschäfts zu trennen. Bayer sprang als Käufer ein. Die gerichtliche Anordnung: Vor 2018 dürfe Monsanto oder dessen Rechtsnachfolger das abgestoßene Geschäft nicht zurückkaufen.
Zweifelnde Aktionäre
Als Bayer-Chef Werner Baumann nun den Deal bekanntgab, stieg die Bayer-Aktie bis zum Nachmittag um vier Prozent. Viele Aktionäre begrüßen die industrielle Logik: Bayer und Monsanto schaffen den weltgrößten Agrarkonzern, der Pflanzenschutzmittel und Saatgut aus einer Hand anbietet. Doch nicht alle Anleger sind von der Sinnhaftigkeit des Monsanto-Deals überzeugt. Weltweit stehen die Agrarmärkte unter Druck. Die Einkommen der Landwirte sinken, vor allem aufgrund sinkender Getreidepreise – den Bauern fehlt derzeit schlicht das Geld, um im größeren Stil Pflanzenschutzmittel oder Saatgut zu kaufen. Besonders arg sieht es bei Monsanto aus.
Beim US-Konzern sanken Umsatz und Gewinn zuletzt deutlich. Der von Monsanto entwickelte Pflanzenschutz Glyphosat steht weltweit in der Kritik und im Verdacht, krebserregend zu sein. Zwar hoffen Bayer-Agrarvorstand Liam Condon und Monsanto-Boss Hugh Grant, dass der Agrochemie-Markt ab Mitte 2017 wieder anzieht.
Doch die optimistische Prognose der Manager gründet vor allem auf dem Prinzip Hoffnung. Eine seriöse Prognose für 2018 sei nicht möglich, zu viel hänge von den Ernten oder dem Vegetationsverlauf ab, sagen Landwirtschaftsexperten. Bislang gebe es nur Anzeichen auf Besserung.