Monsanto und Bayer Wette auf Agro

Mit der Übernahme von Monsanto verlagert Bayer sein Geschäft auf die Agrarmärkte. Das ist Teil der Strategie des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann – doch sie trägt mehrere Risiken. Ein Kommentar.

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Saatgut- und Pflanzenschutzforschung: Mit der Übernahme von Monsanto würde sich Bayer auch strategisch neu aufstellen. Quelle: AFP

Es war ein hartes Stück Verhandlungsarbeit, aber am Ende hat es sich ausgezahlt. Sofern die Kartellbehörden nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung machen, dürfte die heute unterzeichnete Fusionsvereinbarung mit Monsanto für Bayer den Weg zur Übernahme des amerikanischen Saatgutriesen ebnen. Bayer-Vorstandsvorsitzender Werner Baumann hat sich mit seiner geschickten und disziplinierten Strategie durchgesetzt und ist seinem Ziel, einen führenden integrierten Saatgut- und Pflanzenschutz-Konzern zu schaffen, einen Riesenschritt näher gekommen.

Dass er seine ursprüngliche Offerte von 122 Dollar je Monsanto-Aktie am Ende nur um knapp fünf Prozent aufstocken musste, kann man als klaren Erfolg für den Bayer-Chef werten. Immerhin waren die Befürchtungen anfangs groß, dass er Monsanto nur mit Preisen von deutlich mehr als 130 Dollar erobern könnte und der Gesamtpreis damit die nun vereinbarten rund 66 Milliarden Dollar noch übersteigen würde. Vor diesem Hintergrund ist die Erleichterung bei Investoren durchaus nachvollziehbar.

Bei allem Aufatmen über die Konditionen sollte man indessen nicht übersehen, dass es sich letztlich nur um einen Etappensieg für Baumann und seine Führungscrew handelt – und dies nicht nur, weil die kartellrechtlichen Genehmigungen noch ausstehen.

Erst in den nächsten Jahren wird sich zeigen, ob Bayer aus der Transaktion tatsächlich die versprochenen operativen und finanziellen Vorteile herausholen kann. Die Integration von Monsanto wird komplexer sein als alles, was Bayer bisher bewältigt hat.

Und noch gravierender erscheint die Frage, ob Bayer damit tatsächlich in die richtige Richtung marschiert. Das Gewicht des Leverkusener Konzerns verlagert sich in Richtung Agrogeschäft. Es wird künftig ähnlich groß sein wie die beiden Gesundheitssparten Pharma und Consumer Health zusammen. Das alles passt zwar im Prinzip zur Lifescience-Strategie, die sich Bayer auf die Fahnen geschrieben hat. Dennoch wird sich der Konzern in seiner Grundausrichtung verändern.

Dadurch besteht die Gefahr, dass die aufstrebende Pharmasparte von Bayer längerfristig unter dem Agro-Kraftakt leiden wird. Denn zum einen wird die Bayer-Führung in den nächsten Jahren enorm von der Integration des Monsanto-Konzerns beansprucht werden. Das birgt das Risiko, dass sie die Herausforderungen im Pharmabereich vernachlässigt.

Zum anderen steht der Konzern nun vor beachtlichen finanziellen Herausforderungen. Er muss eine Mammut-Kapitalerhöhung im Volumen von fast 17 Milliarden Euro stemmen, und trotzdem wird die Verschuldung durch die Monsanto-Übernahme theoretisch zunächst auf fast 60 Milliarden Euro steigen. Selbst nach dem geplanten Komplettverkauf der Kunststofftochter Covestro dürfte sie noch bei etwa 50 Milliarden Euro liegen.

Zwar dürften die Monsanto-Erträge den erhöhten Zinsaufwand mühelos abdecken. Dennoch wird sich Baumann auf Jahre hinaus stark auf Cash-Generierung konzentrieren müssen. Das engt den strategische Spielraum enorm ein, nötige Investitionen in anderen Segmenten werden womöglich vernachlässigt, weitere Desinvestitionen könnten erforderlich werden.


Was Bayer braucht, damit die Monsanto-Übernahme sich rechnet

Mit dem Riesenzukauf in den USA wettet Baumann im Prinzip darauf, dass im Agrogeschäft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mehr Wert zu generieren ist als im Gesundheitssektor. Angesichts der aktuellen Flaute auf den Agrarmärkten ist das eine ausgesprochen mutige Wette.

Von einem dringenden Bedarf an weiteren Produktivitätssteigerungen ist dort momentan wenig zu spüren. Überschüssige Produktionsmengen bei vielen Getreidesorten sorgen vielmehr für einen heftigen Preisverfall.

Damit sich die Mega-Übernahme in den USA rechnet, wird Bayer eine deutliche Erholung der Agrar-Konjunktur benötigen. Aber die ist keineswegs garantiert, auch wenn viele Akteure in der Branche eine Wende für 2017 beschwören. Und es ist auf lange Sicht keineswegs klar, wie viel Hightech-Saatgut und -Pflanzenschutz die Bauern für wachsende Ernten wirklich benötigen.

Zudem wird Bayer beweisen müssen, dass eine kombinierte Saatgut- und Pflanzenschutzforschung tatsächlich Innovationsvorteile liefert und ein integriertes Angebot Wettbewerbsvorteile im Markt bringt. Auch das ist bisher in der Praxis noch nicht bewiesen. Strategien in diese Richtung haben weder Monsanto noch den Konkurrenten Syngenta vor einer Delle im Agrogeschäft bewahrt. Größe war bisher keinerlei Garant für überlegenes Wachstum.

Es stecken insofern auch nach dem Deal in New York noch jede Menge Risiken in Baumanns neuer Bayer-Strategie. Um sie zum Erfolg zu führen, braucht es noch jede Menge Arbeit nötig – und ordentlich Rückenwind vom Markt.

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