Allein diese Ansammlung von Wissen rund um die neue Technik zeigt: Sie ermöglicht nicht nur einen neuen Mobilfunk, sie mischt auch die Machtverhältnisse im Mobilfunkmarkt neu.
Denn wenn es plötzlich in erster Linie darum geht, per Mobilfunk selbstfahrende Autos, funkende Weinberge oder Medizinroboter statt nur Menschen zu verbinden, ist plötzlich in der Kommunikationswelt Know-how der Maschinenbauer gefragt, der Autohersteller, Sensorspezialisten und der industriellen Softwareentwickler – Kompetenzen der wichtigsten deutschen Industrien.
Von 1G bis 5G: Die Ahnengalerie der Netze
1960: A-C-Netze
Mit der ersten Generation wurde die Autotelefonie möglich.
1990: GSM-Netz
Durch das GSM-Netz konnten unter anderem folgende Funktionen genutzt werden: digitaler Mobilfunk, SMS und E-Mail.
2000: UMTS-Netz
Die 3. Generation schaffte die Voraussetzung für die Nutzung von mobilem Internet und Apps.
2010: LTE-Netz
Mit dem LTE-Netz wurde die Möglichkeit zur Nutzung von Breitband-Mobilfunk und Video eingeräumt.
2020: Internet der Dinge
Das Internet der Dinge soll die Voraussetzungen für vernetzte Maschinen und Gaming schaffen.
Schien Europa gegenüber den USA und Asien im Wettlauf um die Technologieführerschaft im umsatzträchtigen Markt der drahtlosen Netze abgeschlagen, ist das Rennen jetzt wieder offen. Mehr noch, die nächste Funkgeneration wird auch das Machtverhältnis zwischen den Internetkonzernen, von Amazon und Facebook bis Google und Microsoft, und den Netzbetreibern neu austarieren.
„Wir haben gute Chancen, dieses Mal Trends zu setzen und Standards zu definieren“, sagt Bruno Jacobfeuerborn. Der 56-Jährige ist Cheftechnologe der Deutschen Telekom. Und als Chairman der Next Generation Mobile Network Alliance (NGNM) einer der wichtigsten Netzarchitekten auf Betreiberseite. Zur Allianz mit Sitz in Frankfurt zählen fast 30 Mobilfunkkonzerne; sie legt die genauen Anforderungen an 5G fest.
„Die Nähe zu Industrie, Maschinenbau, Autoherstellern – den wichtigsten Zielgruppen für die künftigen Netze – ist eminent wichtig“, sagt auch Walter Weigel. Bis Frühjahr 2015 war er bei Siemens für Industriekooperationen verantwortlich. Heute ist er Vizechef des Europäischen Forschungsinstituts von Huawei. Der chinesische IT-Riese betreibt in München eines seiner wichtigsten Antennenlabors und ein 5G-Entwicklungszentrum für Industrieanwendungen.
Unternehmen definieren 5G von Beginn an mit
Vernetzte Mobilität, digitale Medizin, die intelligente Fabrik – es sind solche Szenarien, die Unternehmen mit der nächsten Mobilfunkgeneration realisieren wollen. „Früher haben wir Ausrüster die Anforderungen mit den Netzbetreibern abgestimmt“, sagt Michael Meyer, Forschungsmanager im Eurolab des Netzausrüsters Ericsson in Herzogenrath: „Bei 5G definieren nun erstmals von Beginn an Branchenvertreter, Verbände und Industriegremien die kommende Kommunikationstechnik mit.“
Parallel dazu läuft längst die ganz praktische Entwicklung – etwa vernetzter Maschinen für die intelligenten Fabriken im Zeitalter von Industrie 4.0. So wie im Werkzeugmaschinenlabor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen (RWTH). Dort, nur ein paar Hundert Meter von der niederländischen Grenze entfernt, erproben Spezialisten vom Ericsson Eurolab und der Industrie mit Forschern der RWTH, wie sich die Maschinen sicher in Funknetze integrieren lassen.
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2017
Anstieg des Datenverkehrs pro Gerät bis 2019 (in Megabyte pro Monat)
Quelle: Cisco
+8691 MB
+3162 MB
+2948 MB
+338 MB
In einer simulierten Fabrik produzieren dort Roboter Würfel mit Werbebotschaften. Ein unsichtbarer Zaun aus Lichtschranken trennt den Arbeitsraum der Maschinen von den Laufflächen der Forscher. Damit die Roboter keine Menschen verletzen, die ihnen in die Quere kommen, müssten die Signale der Lichtschranken die Maschinen absolut verlässlich stoppen, sagt Ericsson-Forscher Meyer. „Klassischer Mobilfunk schafft das nicht.“
Gilt es heute als tolerabel, wenn ein Mobilfunknetz im Jahr bis zu 53 Minuten ausfällt, so soll es unter 5G nicht mal mehr als eine Drittelsekunde sein. Volker Held, Innovationsmanager beim Netzausrüster Nokia in München, beschreibt es so: Wenn es darum gehe, Produktionsmaschinen zu steuern, Notbremsbefehle von Auto zu Auto zu übertragen oder als Arzt per Telemedizin Roboter zu steuern, die Skalpelle führen, „muss die Verbindung funktionieren.“
Ganz andere Qualitäten zählen in einem weiteren Projekt: An der Mosel in der Nähe von Cochem bringt Funktechnik seit dem Frühjahr 2015 Rebstöcke von fünf Winzern ins Internet. Bei der Technik, die das Nürnberger Systemhaus MyOmega, der US-Chipriese Intel und Ericsson geliefert haben, geht es um Robustheit, Energieeffizienz und niedrige Betriebskosten.