Nationaler Luftfahrtgipfel Wie die Flugbranche klimaneutral werden soll

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CO2-Emissionszertifikate werden deutlich teurer

In Deutschland wie auch in der EU sind seit 2012 alle Luftfahrzeugbetreiber dazu verpflichtet, am EU-Emissionshandel teilzunehmen. Die Fluggesellschaften müssen also einen Teil ihrer ausgestoßenen CO2-Emissionen kompensieren und hierfür entsprechende Zertifikate kaufen von Teilnehmern (auch anderer Industrien), die weniger verbraucht haben, als ihnen zustand. Dies gilt bislang allerdings nur für innereuropäische Flugverbindungen; Fluggesellschaften, die außerhalb Europas starten, müssen bislang keine Zertifikate kaufen. 

Im vergangenen Jahr mussten alle EU-Luftfahrzeugbetreiber Emissionszertifikate im Wert von rund 550 Millionen Euro kaufen, wie die Webseite Airliners.de berechnete. Deutsche Fluggesellschaften bezahlten im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Euro für CO2-Zertifikate. Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2017 – und voraussichtlich wird dieser Betrag im laufenden Jahr noch einmal merklich übertroffen werden. Denn der Preis, um eine Tonne CO2 auszugleichen, wird an Börsen gehandelt und hat dort in den vergangenen drei Jahren um rund 350 Prozent zugelegt und liegt aktuell bei über 26 Euro.

Ab 2020 gilt das globale Klimaschutzinstrument Corsia, von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation beschlossen. Corsia (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) beinhaltet unter anderem die Selbstverpflichtung der Branche, ab dem kommenden Jahr klimaneutral zu wachsen. Diese Selbstverpflichtung hält Greenpeace-Experte Stephan für zu lasch. Denn dieses selbstgesteckte Ziel könnten die Fluggesellschaften einfach durch Kompensationszahlungen erreichen. „Die Verpflichtung der Luftfahrtindustrie, ab 2020 über Kompensationsprojekte vermeintlich klimaneutral zu wachsen, greift viel zu kurz und erzeugt keinen Innovationsdruck“, sagt Stephan. „Tatsächlich muss das rasante Wachstum im Flugverkehr gebremst werden und wir müssen schnell weg von fossilen Brennstoffen. Beides wird so nicht passieren.“

Umweltbundesamt-Mann Schmied schlägt stattdessen vor, den Handel mit Emissionszertifikaten zu einem geschlossenen System umzubauen, „so dass die Luftfahrtbranche immer weniger Zertifikate aus dem Energie- und Industriesektor zukaufen darf. Das würde schnell die Preise für CO2-Verschmutzungsrechte nach oben treiben.“ Das hätte dann zwar sehr wahrscheinlich auch Auswirkungen auf die Flugticketpreise, „aber diesen Rahmen braucht es, da wird man nicht drum herumkommen“, sagt Schmied. „Zudem würde dies auch helfen, dass sich PtL als CO2-neutraler Kraftstoff im Luftverkehr durchsetzen kann.“

Eine andere Einnahmequelle wäre die schon häufiger von Politikern diskutierte Kerosinsteuer. Die Branche wehrt sich dagegen mit dem Argument, das würde Verkehr und Emissionen nicht verringern sondern nur ausländischen Wettbewerbern Vorteile verschaffen. Sowohl Umweltbundesamt als auch Greenpeace können der Idee aber viel abgewinnen, um damit etwa die Entwicklung erneuerbarer Kraftstoffe zu finanzieren. Greenpeace-Experte Stephan befindet: „Mit den Einnahmen der Luftverkehrssteuer klimaneutrale Treibstoffe zu fördern, halte ich für wenig sinnvoll. Besser wäre, Kerosin vernünftig zu besteuern und einen Teil dieser Einnahmen für die Entwicklung strombasierter Kraftstoffe zu verwenden.“

Verlagerung auf die Schiene

Der innerdeutsche Flugverkehr sorgt bei Klimaaktivisten, aber auch Politikern im besonderen Maße für Wut und Unverständnis. Die klimapolitische Sprecherin der Grünen brachte gar ein Verbot ins Spiel. Tatsächlich machten Flüge innerhalb Deutschlands laut BDL 0,3 Prozent aller nationalen CO2-Emissionen aus. Und in den vergangenen 15 Jahren sei die Zahl der innerdeutschen Flüge um 22 Prozent zurückgegangen. Laut Statistischem Bundesamt waren es im Jahr 2017 demnach 299.242 innerdeutsche Flüge. Die gefragteste Flugstrecke war Berlin-München mit 1,66 Millionen Fluggästen (2017). Für einige innerdeutsche Verbindungen empfiehlt BDL-Geschäftsführer Matthias von Randow auch ausdrücklich die Bahn: Sie sei dem Flug in bestimmten Fällen vorzuziehen. Mehr Verlagerung auf die Schiene? „Wir wollen das“, bekräftigte von Randow.

Das entscheidende Kriterium für die Reisenden bei der Wahl des Verkehrsmittels sei weniger der Preis, sondern vielmehr die Reisezeit; die Schwelle liege bei drei Stunden. 96 Prozent aller innerdeutschen Flugreisen sind nach Angaben des BDL über Distanzen von mehr als 400 Kilometern, welche die Bahn im Normalfall nicht in diesem Zeitfenster schaffe. Bei allen Verbindungen, die die Bahn innerhalb dieses Zeitfensters absolviere, zögen die Kunden die Bahn dem Flugzeug vor. So verweist der Verband auf die eingestellten Flugverbindungen zwischen Köln-Nürnberg, Köln-Frankfurt, Berlin-Hamburg oder Berlin-Nürnberg, weil die Bahn auf diesen Strecken entsprechend schnelle Verbindungen schaffte. Doch gibt es unrühmliche Ausnahmen: Mehrmals täglich bedient etwa die Lufthansa die Strecke Nürnberg-München (Flugzeit: 35 Minuten), wofür der ICE nur etwas mehr als eine Stunde benötigt.

Auch außerhalb Deutschlands entdecken Fluggesellschaften die Alternativen: Die niederländische KLM fragt in einer neuen Kampagne namens „Fly responsibly“ ihre Kunden: „Können Sie auch mit dem Zug fahren?“ oder: „Müssen Sie sich immer persönlich treffen?“

Für konkrete Verbesserungen sieht BDL-Geschäftsführer von Randow aber „den Gesetzgeber“ und die Deutsche Bahn in der Pflicht. Er fordert nicht nur schnellere Direktverbindungen (ohne Zwischenstopps in kleineren Städten), sondern auch eine ICE-Anbindung des zweitgrößten deutschen Flughafen München, sowie einen transportübergreifenden Gepäckservice: Der BDL schlägt vor, die Bahn solle die Koffer der Reisenden entsprechend der Sicherheitsanforderungen der Flugindustrie aufnehmen und am Flughafen an die Fluggesellschaften übergeben. Die Bahn lehnte den Vorschlag ab: „Es wäre unsinnig, Anlagen für die Gepäckkontrolle doppelt, das heißt im Bahnhof und im Flughafen, vorzuhalten.“

Die Konferenzteilnehmer in Leipzig dürfte angesichts der zahlreichen Differenzen eine konfliktreiche Diskussion erwarten. Schließlich soll auf der sogar im Koalitionsvertrag vereinbarten Konferenz auch eine „Leipziger Erklärung“ unterzeichnet werden. Doch ein nicht näher genannter Beteiligter der Konferenz, den die Nachrichtenagentur Reuters im Vorfeld zitierte, dürfte die Hoffnungen von Klimaaktivisten klein halten: „Der ganz große Wurf wird nicht verkündet.“

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