Nestlés Gegenspieler So tickt der neue Unilever-Chef

Alan Jope Quelle: Getty Images

Die Ära Paul Polman bei Unilever geht zu Ende, ihm folgt Alan Jope. Der Schotte sieht sich mit Problemen konfrontiert, die auch anderen Lenkern wie Nestlé-Chef Mark Schneider zu schaffen machen.

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Sein Abgang beim britisch-niederländischen Konsumgütermulti Unilever kommt wenig überraschend. In einem Interview mit der niederländischen Tageszeitung „Algemeen Dagblad“ vor wenigen Tagen hatte der 62-jährige Niederländer auf die Frage geantwortet, wie lange er noch an der Unilever-Spitze stehen werde: „Ich habe immer gesagt, acht bis zehn Jahre. Da bin ich nun schon gut dabei. Aber ich kann konkret dazu nichts sagen, weil wir ein börsennotiertes Unternehmen sind.“ Seit 2009 ist Polman CEO des Herstellers von Marken wie Knorr, Dove, Axe, Lipton, Ben & Jerry's oder Langnese. Davor war er drei Jahre Finanzchef des Hauptkonkurrenten Nestlé. Wenige Tage nach dem Interview teilte Unilever mit, das Polman zum Jahresende zurücktreten werde.

Polman war ein Lenker, der selten ein Blatt vor den Mund genommen hat. In einem Gespräch mit der „Washington Post“ sagte Polman freimütig, dass er zu viel Geld verdiene. Er würde seinen Job genauso gut machen, wenn er weniger verdiente. Und besser würde er es wohl auch nicht machen, wenn er das doppelte bekäme. „Leute von unserem Niveau sollten nicht durch Geld motiviert werden“. Polman, der im ersten Halbjahr 2019 noch seinem Nachfolger beratend zur Seite stehen wird, hat sich in seinem Jahrzehnt an der Spitze nicht nur durch solide Finanzresultate einen Namen gemacht, sondern auch als engagierter Manager für Nachhaltigkeitsthemen.

Er ist davon überzeugt, dass nachhaltiges Wirtschaften langfristig die besseren Profite abwirft, auch weil es Risiken und Kosten senkt. Damit eckte er einerseits bei aggressiven Investoren an, andererseits wurde er für seine Forderung nach mehr Nachhaltigkeit belohnt. So erhielt Polman beispielsweise den französischen Verdienstorden Chevalier de la Légion d’honneur für seine Rolle beim Klimagipfel 2015 in Paris, der zum Pariser Klimaschutzabkommen führte.

Doch Polman wirkte zuletzt amtsmüde. Gerade in den vergangenen Monaten hatte er sich immer wieder aufgerieben. Etwa im Gerangel um den neuen Sitz des Unilever-Headquarters. Polmans Plan war es, die beiden Zentralen in London und Rotterdam in den Niederlanden zusammenzulegen. Es hätte unter anderem die doppelte Börsennotierung und zwei Konzernzentralen erspart. Doch er scheiterte an der Macht der britischen Anteilseigner bei Unilever – eine herbe Schlappe für Polman und seinen Verwaltungsratspräsidenten Marijn Dekkers. An den Kräften zehrte auch die Abwehr der Übernahmeofferte in Höhe von rund 140 Milliarden Dollar durch den US-Wettbewerber Kraft Heinz. Das Angebot wurde letztlich vom Verwaltungsrat Unilevers als bar jeglicher strategischer und finanzieller Vorzüge zurückgewiesen. Als Reaktion auf den gescheiterten Versuch leitete die Unilever-Führung jedoch eine umfassende Überprüfung der eigenen Strategie ein. Kurzerhand wurde zunächst die wenig dynamische Margarine-Sparte für knapp sieben Milliarden Euro an die Beteiligungsgesellschaft KKR verkauft.

Noch auf seine Rechnung kann Polman den jüngsten Mega-Deal Unilevers nehmen: Der niederländisch-britische Konzern baut sein Geschäft mit Wellness- und Gesundheitsdrinks aus und übernimmt für 3,3 Milliarden Euro entsprechende Aktivitäten des britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) in Indien, Bangladesch sowie weiteren asiatischen Märkten. Mit der Übernahme warf Polman namhafte Interessenten wie Nestlé und Coca-Cola aus dem Rennen.

Unilever: Kosmetikchef folgt auf Nachhaltigkeitsspezialist

Der neue Chef von Unilever wird einen Konzern mit einem Umsatz von knapp 54 Milliarden Euro und mehr als 160.000 Angestellten übernehmen. Mit der Berufung von Alan Jope hievt Unilever einen Mann aus den eigenen Reihen auf den Chefsessel, der sich im Konzern bestens auskennt, sich vom Praktikanten bis zum Konzernlenker hochgearbeitet hat. Er leitet mit der Kosmetiksparte den größten Firmenbereich bei Unilever. Mit 21 Milliarden Euro Umsatz ist die Körperpflege mit Abstand die größte im Konzern, gefolgt von der Lebensmittelsparte mit 12,5 Milliarden Euro Umsatz. Zudem wächst sie schneller und ist profitabler als die übrigen Konzernteile.

Der heute 54-Jährige kam nach seinem Bachelor-Abschluss vor 33 Jahren als Marketingpraktikant zum britisch-niederländischen Konzern und arbeitete sich in der Folge über verschiedene Positionen in Thailand, Nordamerika und China nach oben. 2011 wurde er zum Verantwortlichen für das Nordasien-Geschäft ernannt, ab 2013 leitete er die Region Russland, Afrika und Naher Osten. Seit 2014 verantwortet er die Kosmetiksparte, die Produkte wie Axe, Rexona und Dove umfasst. Diese intime, interne Expertise ist das Pfund, mit dem Jope vor seiner Nominierung wuchern kann und sich gegen andere Kandidaten durchsetzt. Für viele, die auf einen hochdekorierten externen Topmanager gehofft hatten, sei die interne Lösung möglicherweise eine Enttäuschung, sagte ein Analyst gegenüber der „Financial Times“.

Jope sieht sich mit Problemen konfrontiert, die auch anderen Lenkern wie Nestlé-Chef Mark Schneider zu schaffen machen. Die Konsumenten ändern ihre Einkaufsgewohnheiten, sie kaufen weniger Fertigprodukte und mehr gesunde und natürliche Produkte. Unilever will deshalb schneller, flexibler und innovativer werden und bis 2020 die operative Gewinnmarge von 17 Prozent Ende 2017 auf 20 Prozent steigern.

Der Unilever-Betriebsrat in Deutschland will den Chefwechsel dazu nutzen, um die Debatte über den Sparkurs neu zu befeuern. Die Arbeitnehmervertreter hoffen darauf, dass der künftige Vorstandschef das hochgeschraubte Gewinnziel seines scheidenden Vorgängers senkt. „Wir werden unsere Kampagne ‚Mensch vor Marge‘ natürlich fortsetzen und dazu das Gespräch mit Alan Jope suchen“, sagte Gesamtbetriebsratschef Hermann Soggeberg dem „Handelsblatt“. Allerdings dämpfte er die Erwartungen, dass es einen schnellen Strategiewechsel geben werde. Deutschland-Chef Ulrich Gritzuhn verteidigte jedoch die ambitionierten Ziele. „Eine Marge von 20 Prozent ist im Lebensmittelsektor alles andere als selten.“ Die runde Zahl sei daher ein angebrachtes Ziel. Betriebsratschef Soggeberg hielt dagegen: „Ein Profit von 20 Prozent mit Produkten des täglichen Bedarfs ist maßlos.“

In der Tat liegen die Gewinnerwartungen von Unilever nur leicht über dem Branchenniveau etwa von L’Oréal und Nestlé. Die Schweizer peilen bis 2020 eine Marge von bis zu 18,5 Prozent an. Wettbewerber wie Reckitt Benckiser und Procter & Gamble erreichen diese Werte schon heute. Ein Problem könnte sich allenfalls ergeben, wenn die weltweit agierenden Handelskonzerne wie Wal-Mart, Tesco oder Lidl, aber auch europäische Schwergewichte wie Rewe oder Edeka der Meinung sind, dass ein Profit von 20 Prozent so hoch ist, dass sich die Händler davon wieder ein Stück zurückholen könnten.

Insgesamt dürfte Jope den von Polman eingeleiteten Strategiewechsel fortsetzen. Er wird ihn vermutlich sogar noch etwas beschleunigen. Alles spricht dafür, dass er die Kosmetik- und Körperpflegesparte ausbauen wird. Verwaltungsratschef Marijn Dekkers jedenfalls lobte Jope vor dessen Amtsantritt als neuer CEO bereits für die „großen Verdienste“ in der Körperpflegesparte. Auch das lässt erahnen, dass die Division zügig expandieren soll.

Jope selbst, verheiratet und Vater von drei Kindern, kommentierte seine Berufung zum Chef mit den Worten:  „Es ist ein Privileg, Unilever leiten zu dürfen.“

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