Neue Abgasreinigung Neue Bosch-Technik soll Diesel-Emissionen radikal senken

Bosch will mit neuer Technik den Diesel retten Quelle: Reuters

Eine neue Abgasreinigung soll den Stickoxidausstoß von Dieselmotoren auf ein Zehntel des Grenzwerts senken. Das wäre ein Durchbruch. Kann man Bosch glauben?

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Rückrufe, Preisverfall, Fahrverbote – Dieselfahrer hatten zuletzt wenig Freude an ihrem Fahrzeug. Das Vertrauen in den Diesel scheint zerstört, die Technologie aus Auslaufmodell. Doch Bosch-Chef Volkmar Denner widerspricht Kritikern energisch. „Der Diesel hat Zukunft“, sagt er. Die Emissionen seien bald kein Thema mehr.

Mit einer neuen Abgasreinigung, die der Konzern am Mittwoch vorstellt, soll der Stickoxidausstoß der Dieselfahrzeuge auf 13 Milligramm pro Kilometer sinken, verspricht Bosch. Das wäre ein Zehntel des erlaubten Grenzwerts, der ab 2020 gelten soll. „Mit der neuesten Bosch-Technik wird der Diesel emissionsarm und bleibt bezahlbar“, verspricht Denner. Wir haben sieben Fragen zum jüngsten Durchbruch.

1. Wie revolutionär ist die Technologie wirklich?
Revolutionär ist vor allem die Ankündigung: Weder Außentemperatur, noch die Fahrweise noch Verkehrssituation sollen dabei größeren Einfluss auf die Emissionen haben. Bosch-Chef Volkmar Denner spricht von einem „Durchbruch“, an dem 100 Ingenieure seit zweieinhalb Jahren gearbeitet haben. Die vor Journalisten mit Fahrversuchen präsentierte Diesel-Abgasreinigung soll die Stickoxid-Emissionen auf ein Zehntel des gesetzlichen Grenzwertes zu bringen.
Die mit der verfeinerten Technik ausgestatteten Testfahrzeuge unterbieten mit durchschnittlich nur 13 Milligramm Stickoxid pro Kilometer schon jetzt den ab 2020 gültigen Grenzwert von 120 Milligramm. „Bosch ist einem großen Ziel nahe, das noch vor kurzem unerreichbar schien: einem Verbrennungsmotor, der die Umgebungsluft nahezu unbelastet lässt“, sagt Denner. Ganz neu ist die Idee aber nicht: Teile der neuen Technologie sind auch schon bei den neuesten Mercedes-Dieseln verbaut.

2. Warum erst jetzt?
Noch vor einem Jahr sei die Entwicklung nicht weit genug gewesen und die Emissionswerte noch deutlich höher gewesen, sagt Rolf Bulander, Chef der Bosch-Mobility-Sparte. Auch seien die Messmethoden und Messgeräte erst seit wenigen Jahren so weit, exakte Messungen während der Fahrt zu machen und die Steuerung auf das wirkliche Fahrverhalten abzustimmen. Man habe die Technologie erst präsentieren wollen, wenn alles wirklich funktioniert. Die Entwicklung und Erprobung habe zwei Jahre gedauert.

3. Kann man Bosch glauben?
Bosch-Chef Volkmar Denner hatte zuletzt schon angekündigt, dass die Industrie mehr Transparenz brauche, um nach dem Diesel-Skandal Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Denner fühlt sich von den Autoherstellern wohl etwas im Stich gelassen und prescht jetzt angesichts des Einbruchs der Diesel-Nachfrage vor.

Er hatte schon angekündigt, sich am technisch Machbaren zu orientieren und die politisch gesetzten Grenzwerte deutlich zu unterbieten. Dahinter steckt wohl die Erkenntnis, dass das politische Geschacher um Grenzwerte am Ende nicht zur Glaubwürdigkeit der Industrie beiträgt. Deshalb jetzt dieser Vorstoß. Weitere Emissionssenkungen unter die von Bosch erreichten Werte scheinen nur schwer möglich.

4. Werden neue Teile verbaut?
Eigentlich nicht. Wichtigster Trick: Der Katalysator kommt ganz nah an den Motor, damit er sich schnell aufwärmt. Die Konfiguration der Abgasanlage wird  verändert und das wichtigste ist neue Software zur Steuerung der gesamten Anlage. Harnstoff zur Entgiftung wird nur rund ein Liter auf 1000 Kilometer gebraucht. Der Leistungsverlust sei wohl minimal, verspricht Bosch.

5. Wie teuer ist die neue Technologie?
Es wird wenig neue Hardware benötigt, daher steigt der Preis auch kaum. Allerdings dürfte sich ein Harnstoff-Katalysator nur für große Diesel wirklich lohnen. Denn das System ist insgesamt teurer als die Speicherkat-Lösungen, die in der Vergangenheit häufig bei Klein- und Kompaktwagen benutzt wurden. Auch die neue technische Lösung dürfte sich darum eher bei großen Fahrzeugen rechnen.
Darüber hinaus wird sich Bosch seine Entwicklungen der Software teuer bezahlen lassen. Wie schnell das neue System verbaut werden kann, hängt davon ab, wie schnell neue Modelle mit modernen Motorengenerationen auf den Markt kommen.

Warum Bosch den Diesel unbedingt retten will

6. Funktioniert die Technologie auch für alte Diesel?
Eine technische Nachrüstung alter Diesel scheint sehr kompliziert. Da der Katalysator direkt am Motor verbaut wird, wäre dafür mehr Platz im Motorenraum nötig. Darüber hinaus müsste die Software zur Motorensteuerung komplett neu aufgesetzt werden. Kurzfristig dürfte auch die neue Abgasreinigung von Bosch die Stickoxid-Emissionen in den Städten darum nicht senken.

7. Warum haben die Hersteller ein solches System noch nicht präsentiert?
Normalerweise entwickelt ein Hersteller das System gemeinsam mit einem Zulieferer, der die Motorsteuerung liefert. Diesmal geht Bosch voran und hat einfach einen Standardmotor genommen, den Hubraum um ein Sechstel verringert und selbst das System mit Abgasanlage konfiguriert. Der Zulieferer zeigt den Herstellern, was möglich ist. Damit übernimmt Bosch für die Zukunft die Deutungshoheit beim Thema Diesel. Um es sich mit den Herstellern nicht zu verscherzen, laufen parralel zur Vorstellung die Gespräche mit Daimler, VW und BMW.

8. Warum ist Bosch der Diesel so wichtig?
Bosch ist Weltmarktführer bei Dieseltechnologie. Sie ist einer der größten Umsatzträger und Gewinnbringer des Konzerns. 50.000 Menschen arbeiten bei Bosch in den Dieselbereichen. Deshalb ist Bosch härter von einem möglichen Ausstieg beim Diesel betroffen als seine Kunden. Autokonzerne können bei entsprechender Nachfrageänderung einfach Benzin- und Hybridfahrzeuge bestellen. Bei Bosch sind die Produktionsanlagen für Einspritzsysteme, Maschinen und Werkzeuge nicht einfach und größtenteils gar nicht von Diesel auf Benzin umzurüsten. Geht der Diesel wären Milliardeninvestitionen verloren.

9. Was ist mit den anderen Zukunftstechnologien?
Ungeachtet der Dieselproblematik spielt Bosch bei  den Zukunftstechnologien wie Elektromobilität und autonomes Fahren ganz vorne mit. 2017 hat das Unternehmen 20 Serienaufträge für elektrische Antriebssysteme im Wert von vier Milliarden Euro akquiriert. Von 2020 an erwartet Bosch den Massenmarkt für elektrisches Fahren und will dort führend sein. In China ist dies bereits gelungen.

10. Ist es für den Diesel nicht schon zu spät?
„Wer die Luftqualität in unseren Städten ganz unideologisch und pragmatisch verbessern will, kommt um den Selbstzünder und seine technische Weiterentwicklung nicht herum“, sagt Denner. Doch führende Hersteller sehen das anders. Volvo und Toyota haben bereits ihren Rückzug aus dem Diesel angekündigt.
Seit Ausbruch der Dieselkrise im September 2015 wurde darum von Bosch und der Autoindustrie eine Offensive für den Diesel gefordert – schon alleine weil mit dem sinkenden Dieselanteil zuletzt auch die CO2-Emissionen wieder gestiegen sind.
Doch die Autobosse waren sich nicht einig genug für ein gemeinsames Vorgehen. Bosch fühlt sich stark genug für einen Alleingang. Es könnte aber schon zu spät sein, denn die Diesel-Krise mit den Abgasmanipulationen hat das Ansehen der Technologie ramponiert und die Absatzeinbrüche in Deutschland zeigen die Wirkung beim Kunden.
Ob Bosch den Trend mit diesem Vorstoß noch zu drehen kann, bleibt abzuwarten. Bosch-Chef Denner hätte es gerne, dass zwischen den Vergehen der Vergangenheit, als VW bei den Diesel-Abgaswerten in den USA betrog und Bosch die Steuerungssoftware lieferte und den objektiven Möglichkeiten der Technologie für die Zukunft unterschieden würde.

11. War Bosch nicht selbst in den Dieselskandal verstrickt?
Es gibt zahlreiche zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren gegen Bosch wegen Mitwisserschaft und Beihilfe. VW, Audi, Daimler, BMW und zuletzt Porsche haben schon Razzien der Staatsanwaltschaft erlebt. Bosch kooperiert nach eigenen Angaben vollumfänglich mit den Behörden. Bislang scheint das der Fall. Zumindest haben die Schwaben noch keine Durchsuchungen erlebt. In den USA hat Bosch schon rund 300 Millionen Euro Schadenersatz in einem Zivilverfahren gezahlt. Insgesamt wurden für Rechtsrisiken eine Milliarde Euro in der Bilanz zurückgestellt.

Aber die Verfahren auch gegen die Autohersteller werden sich noch Jahre hinziehen, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Image des Diesels. Entscheidend wird sein, ob es zu Fahrverboten für den Diesel kommt. Und noch wichtiger, wie schnell große Metropolen auf der Welt Verbrennungsmotoren generell aus ihren Innenstädten verdrängen werden. Kommt das schneller als in zehn Jahren, könnte der Diesel-Vorstoß verpuffen. Denner spricht ja auch von einer Übergangsfrist beim Dieselausstieg von zehn Jahren. Die würde er benötigen, um seine Werke auf andere Einspritztechnologien oder Elektromobilität umzustellen. Mit dem jetzigen Vorstoß versucht er zumindest Zeit zu gewinnen, bestenfalls aber die Diesel-Technologie zu retten.  

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