Neuer Volkswagen Polo AdBlue hält auch beim Kleinwagen Einzug

Die Abgasreinigung bei Kleinwagen mit Dieselmotor galt bislang als problematisch. Beim neuen Polo geht es plötzlich doch: Der Diesel-Zusatz „AdBlue“ sorgt dafür, dass dem VW-Modell keine Fahrverbote mehr drohen.

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Im kleinen Polo von Volkswagen gibt es jetzt Adblue. Quelle: Stefan Menzel

Hamburg „AdBlue“ steht auf dem kleinen blauen Tankverschluss, direkt neben dem größeren Einfüllstutzen für den Kraftstoff, den gebeutelten Diesel. „AdBlue“, die alles andere als angenehm riechende Harnstoffmischung, muss jetzt den Diesel retten. Die Chemikalie soll die Stickoxide herausfischen, die der Automobilbranche so gewaltigen Ärger eingebracht haben – ob nun in Stuttgart, Hamburg oder München. Sogar im kleinen Polo von Volkswagen gibt es jetzt AdBlue, wo der Platz in früheren Modellen so eng bemessen war, dass der Harnstoff-Tank nirgendwo untergebracht werden konnte.

Doch mit der sechsten Modellgeneration des VW Polo wird alles anders: Irgendwo im hinteren Stoßfänger haben die Volkswagen-Ingenieure jetzt auch den nötigen Raum für den zusätzlichen Tank gefunden. Zwölf Liter AdBlue passen dort hinein – so viel, dass vielleicht manche genügsam fahrende Polo-Käufer immer nur zu den Inspektionen das inzwischen so wichtig gewordene neue Diesel-Lebenselixier nachfüllen müssen. Auch bei seinem neuen Kleinwagen, der Ende September bei den Händlern stehen wird, will Volkswagen nicht auf den Diesel verzichten. Immerhin zwei Motorvarianten des Selbstzünders will der Wolfsburger Konzern für den Polo anbieten.

Das werde zumindest noch längere Zeit so bleiben, meint auch Volkswagen-Markenchef Herbert Diess. „Die Diesel-Diskussion beruhigt sich langsam und wird rationaler, auch zu unserem Vorteil“, sagte Diess dem Handelsblatt bei der Polo-Fahrvorstellung in Hamburg. Jede Antriebsart habe ihre Vor- und Nachteile. Das gelte auch für den Diesel, der mit seinen günstigen Verbrauchswerten und den niedrigen Kohlendioxid-Emissionen punkten könne. Diese Vorteile rückten jetzt wieder stärker in den Vordergrund. Der Diesel steht für ein grundsätzliches Dilemma der Autohersteller: Beim Kohlendioxid erreicht der Selbstzünder hervorragende Werte, bei den Stickoxiden ist der Diesel der große Umweltsünder.

Der Diesel behalte eine wichtige Position, auch beim neuen Polo. Volkswagen könne sich allerdings nicht mehr auf einen einzigen Kraftstoff verlassen, die Vielfalt sei heute vielmehr gefragt. Neue Antriebsvarianten kämen hinzu: Beim bekannten Wolfsburger Kleinwagen reicht es jetzt allerdings nur für einen neuen Erdgas-Motor, nach einem Elektro-Modell werden Volkswagen-Kunden vergeblich Ausschau halten. Sie werden bis zum Jahr 2020 vertröstet, wenn VW seine Elektro-Baureihe ID startet, für die mindestens vier verschiedene Modellvarianten geplant sind.

In der aktuellen Diskussion um die Nachrüstung älterer Diesel-Modelle vertrat der VW-Markenchef den Standpunkt der gesamten Branche: Einen Hardware-Umbau mit Eingriffen in Abgas- und Filteranlage könne es nicht geben. Eine solche Umrüstung sei technisch „nicht sinnvoll“. Millionen älterer Diesel-Fahrzeuge müssten dann ein zweites Mal den langwierigen Prozess der Straßenzulassung durchlaufen, das sei fast so etwas wie eine Neuentwicklung. Bis zu drei Jahre könnten diese Zulassungsverfahren dauern, an eine zügige Reduktion der Stickoxid-Emissionen sei damit nicht zu denken.

Beim neuen Polo wird es aus Sicht von Volkswagen keine Probleme mehr mit dem Stickoxid geben. Die beiden neuen Diesel-Motoren des Kleinwagens mit AdBlue-System erfüllen demnach die jüngsten gesetzlichen Standards und es gebe auch keine große Diskrepanz mehr zwischen Testbetrieb und realen Verbrauchsdaten im Straßenverkehr – und damit müssten sich Polo-Käufer keine Sorgen um mögliche Fahrverbote machen.

Bei Kleinwagen spielt der Diesel traditionell eine kleinere Rolle, beim Polo kommt der Selbstzünder auf einen Anteil von etwa 15 Prozent. Viel bedeutender ist dieser Antrieb bei großen und schwereren Fahrzeugen: BMW etwa kommt auf einen Anteil von etwa 70 Prozent.


„Das Auto ist klassenlos“

„Mit dem neuen Polo greifen wir nach mehr“, betonte Herbert Diess. Der Polo sei schon jetzt ein „Schlüsselmodell“ in Europa, China und Südamerika. Mit der sechsten Generation könne VW seine starke Stellung im Kleinwagen-Segment weiter ausbauen. „Das Auto ist klassenlos“, ergänzte der VW-Markenchef. Für Volkswagen ist der Kleinwagen längst kein Studentenauto mehr, sondern findet auch in Gruppen mit höheren Einkommen ausreichend Käufer.

14 Millionen Mal ist der VW Polo seit den 1970er-Jahren bislang gebaut worden. Mit der neuen Generation des im spanischen Pamplona produzierten Kleinwagens sollen noch einmal deutlich mehr dazu kommen. In zwei Jahren wird es auch einen SUV-Ableger des Polo geben, der unter dem Namen „T-Cross“ auf den Markt kommen soll.

Der neue Polo ist um acht Zentimeter größer geworden als sein Vorgänger und misst jetzt gut vier Meter Länge. Der Abstand zum Golf aus der nächsthöheren Fahrzeugklasse hat sich dadurch weiter verringert. Damit ist zudem der Kofferraum deutlich angewachsen, der jetzt 351 Liter Volumen statt zuvor 280 Liter bekommen hat. Die neue Modellgeneration soll auch den Umbruch in das digitale Zeitalter symbolisieren. Deshalb hat das Auto viele Fahrassistenzsysteme bekommen, die für mehr Sicherheit sorgen.

Neu im Polo sind etwa ein Spurwechselassistent, eine Ausparkfunktion und eine „Rangierbremsfunktion“, die vor Parkremplern bewahren soll. Darüber hinaus hat der Polo als erstes Konzernmodell überhaupt eine neue Instrumententafel bekommen. Den klassischen Tachometer mit Nadel gibt es nicht mehr, stattdessen führt Volkswagen digitale Anzeigeninstrumente ein. Mit solchen Neuerungen sieht sich Volkswagen im Kleinwagen-Segment als Vorreiter für die Branche.

Die Renditen in dieser Fahrzeugklasse sind traditionell niedrig, deshalb halten sich die Hersteller mit teuren Extras grundsätzlich zurück. Für Entlastung auf der Kostenseite sorgt bei Volkswagen ein neues Baukastensystem, der sogenannte „Modulare Querbaukasten“ (MQB). Durch den Einsatz gleicher Bauteile bei vielen Modellreihen wird die Produktion einfacher und günstiger, auch der neue Polo basiert auf diesem Baukastenprinzip.

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