Nike, Salomon & Co. Warum Adidas beim Sportschuh innovativer ist

Statt durch Massenfertigung Trends zu verpassen und Modekonzernen hinterherzurennen, fertigen Adidas, Nike und Co. im 3D-Drucker Turnschuhe im Stundentakt – auch wenn bei einigen noch viel PR im Spiel ist.

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Wenn James Carnes in die Zukunft sehen will, geht er hinunter in den Keller. Hinter Türen, die sich nur für wenige Eingeweihte öffnen, fertigt ein Apparat im Untergeschoss des Adidas-Hauptquartiers in Herzogenaurach Dinge, die es so noch nie gab. Eine gut 1,90 Meter hohe Röhre, die untere Hälfte in weißem Kunststoff gehüllt, oben mit einer orangefarbenen Scheibe ausgestattet.

„Setzen Sie besser die Brille auf“, warnt Carnes, der ein wenig aussieht wie der jüngere Bruder von Tom Cruise und Strategiechef beim Dax-Konzern ist. Lichtreflexe könnten die Augen verletzen, denn diese jüngste Generation von 3-D-Druckern nutzt ultraviolettes Licht. Damit kann sie aus flüssigem Harz beliebige Gebilde schaffen.

Gerade zieht das Gerät ein längliches Konstrukt aus der zähen Flüssigkeit, das mit seiner Gitterstruktur dem Modell eines Moleküls ähnelt. Tatsächlich ist das die Hightechsohle eines Laufschuhs. Der vom kalifornischen Chemiker Joseph DeSimone erdachte 3-D-Drucker ist schneller als die meisten anderen – in nicht einmal einer Stunde ist die Sohle fertig. Und mit frischen Daten gefüttert, kann er jeden Millimeter der Sohle verändern, angepasst an Laufstil und Gewicht des Sportlers. Adidas verspricht damit jedem, der das auch bezahlen kann, nicht weniger als den persönlichen Laufschuh.

Die Drucker stehen nicht nur im Keller, 50 davon haben die Franken in einer Fabrik im bayrischen Ort Ansbach bereits aufgestellt. Theoretisch könnten sie damit eine halbe Million Sohlen im Jahr produzieren: „Wir werden in diesem Jahr weltweit der größte Hersteller von 3-D-Produkten überhaupt sein“, sagt Stratege Carnes. Und auch in der neuen Fabrik in Atlanta sowie bei Zulieferern in China sollen bald die ersten Drucker Sohlen ausspucken.

Mit der Offensive hat sich der Dax-Konzern an die Spitze einer Innovationswelle gesetzt, wie sie die Sportartikelindustrie noch nicht erlebt hat. Ob Marktführer Nike, Outdoorkonzern Salomon oder Branchenneuling On aus der Schweiz – die Hersteller investieren wieder Milliarden in den Turnschuh. Neue Technologien und Materialien, andere Arbeitsstrukturen und Verfahren und kreative Zerstörer aller Art sollen helfen, dem wichtigsten Produkt der Industrie das nötige Upgrade fürs digitale Zeitalter zu verpassen – und die Unternehmen fit machen für den brutalen Wettkampf untereinander. Nur wer auch die kühnsten Techsprünge beherrscht, kann sich Marktanteile und Effizienzvorsprünge sichern.

Am Turnschuh entscheidet sich also, wer in Zukunft vorne liegt. Bei Adidas stehen die Treter für mehr als die Hälfte des 20 Milliarden Euro hohen Umsatzes. Noch sind die Stückzahlen, die für den Schuh der Zukunft stehen, vergleichsweise klein. Von den 3-D-Modellen kommen dieses Jahr allenfalls die ersten 100 000 auf den Markt. Adidas ließ im vergangenen Jahr mehr als 360 Millionen Paar Sportschuhe herstellen. Doch diese Schuh-Avantgarde gibt die Richtung vor, in die sich die gesamte Branche entwickelt. „Der wichtigste Treiber dabei ist, Produkte viel schneller als bisher in die Läden zu bringen“, sagt Matt Powell, Sportexperte beim US-Marktforscher NPD Group, „der Geschmack der Kunden ändert sich so schnell wie nie zuvor.“

So arbeiten 3D-Drucker

Nur wer mit den Wünschen mithalten kann, wird Entwicklungs-, Produktions- und Lieferzeiten drastisch verkürzen, Abfall und Umweltbelastung reduzieren und damit Geld sparen können. Zugleich lassen sich so deutlich höhere Preise verlangen und das Image als technologiegetriebener Trendsetter polieren. Innovate or die – die Zunft wacht aus einem Wachkoma auf.

„Im Vergleich zu vielen anderen Branchen war die Sportindustrie unglaublich langsam“, sagt Peter Mahrer, langjähriger Branchenkenner und zuletzt Europachef des US-Konzerns Under Armour. Einst waren sie Vorreiter, verlagerten die Produktion zu den Massenfertigern in China und Vietnam. Der einstige Vorteil ist längst zum Handicap verkommen.

Bis zu zwei Jahre kann es angesichts der Vorlauf- und Transportzeiten vom ersten Entwurf an dauern, bis ein neuer Laufschuh im Laden steht. Weder Hersteller noch Handel wissen, ob dessen Farbe und Form dann überhaupt noch den Geschmack der Kunden trifft. Und die sind längst daran gewöhnt, von Modeanbietern wie Zara, Primark oder H&M fast im Wochenrhythmus neue Ware zu bekommen.

Schuhe vom Buffet

Und weil alle großen Markenanbieter ihre Treter bislang in denselben Fabriken in China und Vietnam herstellen lassen, unterscheiden sich die Produkte nur wenig voneinander. „Bis jetzt mussten wir uns in der Fabrik quasi wie an einem Buffet unseren Schuh zusammenstellen wie alle anderen auch“, sagt Olivier Bernhard, Gründer der Schweizer Laufschuhmarke On. Und auch Gerd Manz, der sich bei Adidas um technologische Innovationen kümmert, gibt zu: „Wir kochen alle mit denselben Zutaten.“

Doch das soll jetzt alles anders werden, Einheitsbrei gegen Individualität getauscht werden. Deshalb arbeiten die großen Sportmarken weltweit mit immer mehr Partnern aus anderen Industrien zusammen und testen unkonventionelle Produktions- und Logistikmethoden aus. Nike hat sich etwa mit dem Produktionsdienstleister Flex zusammengetan, um die Fertigungsgeschwindigkeit zu verdoppeln. Flex ist eine Art Generalanbieter und in der Hightechbranche beliebt. Unter anderem die Spielekonsole XBox 360 für Microsoft wird von Flex zusammengebaut. Der zuletzt schwächelnde Herausforderer Under Armour lässt neuerdings am Stammsitz in Baltimore im 3000 Quadratmeter großen Forschungslabor Lighthouse nach neuen Technologien fahnden, als sei er Raumfahrtpionier. Das Traditionsunternehmen New Balance aus Boston wiederum hat sich mit dem 3-D-Spezialisten Formlabs verbündet. Auch hier kommen Sohlen nun aus dem Drucker.

Im Rennen um Novitäten sieht Branchenexperte Mahrer allerdings Adidas vorn: „Der deutsche Hersteller ist bei vielen Dingen der Konkurrenz voraus. Und sie haben offenbar noch einiges mehr in der Pipeline.“ Die Franken sieht Mahrer sogar vor Nike als Innovationsführer – was sich an der spektakulären Aufholjagd der Deutschen auf dem Nike-Heimatmarkt USA ablesen lässt. Ausgerechnet das jüngste Spitzenmodell, der 190 Euro teure Nike VaporMax, an dessen Sohle der US-Konzern nach eigenen Angaben sieben Jahre lang arbeitete, kommt wohl nicht so gut an wie gehofft. Ende 2017 wurde er in den USA bereits mit Preisnachlässen angeboten.

Groß angelegte PR-Stunts wie im vergangenen Frühjahr der Versuch, mit kenianischen Athleten den Marathon-Weltrekord auf unter zwei Stunden zu drücken, verpufften. Selbst ein ehemaliger Nike-Manager räumt hinter vorgehaltener Hand ein, dass die Deutschen in Sachen Einfallsreichtum vorbeigezogen sind.

Adidas profitiert ausgerechnet von den Erfahrungen, die der Konzern in seinem Katastrophenjahr 2014 machen musste. Damals hatte der Konzern mehrere Gewinnwarnungen ausgegeben. Als Konsequenz baute der damalige Chef Herbert Hainer die Organisation komplett um und holte neue Manager wie Marketingchef Eric Liedtke in den Vorstand. Mit Liedtke kehrten Tempo und eine lange nicht gekannte Aggressivität zurück. Der Amerikaner setzte nach 15 Jahren mit Paul Gaudio wieder einen weltweiten Kreativchef bei Adidas ein und warb dem Rivalen Nike kurzerhand drei wichtige Designer ab. Und es war Liedtke, der Carnes zum Strategiechef machte – und der mit dafür sorgte, Produktions- und Innovationsprozesse umzukrempeln. Seither gelingt es Adidas immer besser, neue Materialien mit neuen Fertigungsmethoden zu kombinieren.

von Peter Steinkirchner, Henryk Hielscher, Hauke Reimer

Drei Stockwerke über dem Entwicklungslabor springt Strategiechef Carnes aus dem Sessel und zieht ein Hosenbein seiner schwarzen Jeans hoch. Der frühere Designer trägt den Ultra Boost All Terrain, einen dunkelgrauen, knöchelhohen Laufschuh mit styroporartiger Sohle: „In dem Schuh stecken zwei unserer wichtigsten Neuerungen“, sagt er, „Boost und Primeknit.“

Das eine ist ein sichtbares, aus 2500 miteinander verschmolzenen Kügelchen bestehendes Zwischensohlenmaterial. Es verspricht Läufern beim Auftreten besonders gute Dämpfung. Entwickelt hat den Kunststoff BASF. Mit dem Ortsrivalen Puma, der Anspruch darauf erhebt, als Erster mit dem Chemiekonzern an dem neuartigen Material gearbeitet zu haben, liegt Adidas im Rechtsstreit. Und mit Primeknit meint Carnes das sockenähnliche Obermaterial, das ohne Nähte auskommt und sich dem Fuß anschmiegt. Es wird von Maschinen zusammenstrickt.

Intelligente Maschinen und wenige Fachkräfte

Nicht nur Adidas schwört auf die Methode – auch Nike, Puma, New Balance und Under Armour setzen ihre eigenen Versionen davon ein. Was für Sportler angenehm ist, bietet für die Markenhersteller Vorteile: Sowohl Ober- wie Sohlenmaterial müssen nicht mehr aufwendig in den Fabriken Asiens in Dutzenden Arbeitsschritten in Form gegossen, aus Dutzenden Einzelteilen zusammengenäht und zum fertigen Schuh verbunden werden. Stattdessen braucht es einige intelligente Maschinen und wenige Fachkräfte.

Beides kombiniert Adidas seit Kurzem in den neuen Fertigungsstätten im bayrischen Ansbach sowie in Atlanta in den USA, die der Konzern mit dem Kunststoffspezialisten Oechsler betreibt. „Speedfactory“ nennt der Dax-Konzern die Hightechmanufakturen, weitere sind in Planung. Seit dem vergangenen Herbst entstehen in Ansbach die ersten Serienmodelle: AM4 heißen die schlichten Schuhe, die Boost-Sohle und Primeknit-Oberteil kombinieren. Wer sie im Onlineshop von Adidas kaufen will, muss allerdings tief in die Tasche greifen: 220 Euro kosten sie, 80 Euro mehr als ein herkömmlicher Laufschuh im Schnitt.

Ebenfalls aus Ansbach stammt ein anderer Schuh, den Carnes vom Regal fischt. „Schauen Sie mal“, sagt er, in der Hand hält er den Futurecraft 4D. Es ist jenes Modell, dessen charakteristische Sohlen in den Carbon-Druckern aus dem Harz gezogen werden. Im vergangenen Frühjahr verschenkte Adidas einige wenige Paare an „Friends and Family“, wie Carnes sagt. Sneaker-Sammler würden ihm den Schuh, den das Magazin „Time“ gerade zu einer der 25 besten Erfindungen des Jahres erkor, aus den Händen reißen. Auf stockx.com, einer Onlinebörse für Sportschuhe, wurde er zeitweise für mehr als 4000 Dollar gehandelt. Allerdings dürfte der Preis bald sinken. Halten die 3-D-Drucker in Ansbach, was ihr Erfinder verspricht, will Adidas bis Ende des Jahres 100 000 Paar Futurecrafts auf den Markt bringen. Und in einigen Jahren sollen Drucker und Strickmaschinen Schuhe auf Kundenwunsch im Laden produzieren.

So arbeiten 3D-Drucker
Das gewünschte Werkstück wird - wie bisher schon - im Computer als 3-D-Modell entworfen...
Die Software zerlegt das Modell in nanometerdünne Schichten und sendet die Konstruktionsdaten an den 3D-Drucker. Quelle: Premium Aerotec
Laserlicht, Elektronenstrahlen und Infrarotlicht lassen im Drucker Metall- oder Kunststoffpulver zu festem Material verschmelzen.
Ist eine Schicht fertig, wird neues Pulver aufgetragen und die nächste Lage verschmolzen. Quelle: Premium Aerotec
Ist der Druck beendet, wird der Rohling weiterverarbeitet.
Ungenutztes Pulver wird für den nächsten Druck verwendet. Quelle: Premium Aerotec

Damit erhöht Adidas den Druck auf die Konkurrenz, nachzuziehen. Bis auf Weltmarktführer Nike mit seinen 29 Milliarden Dollar Umsatz ist der Abstand zu den übrigen Marken jedoch riesig.

Selbst Puma und Under Armour sind mit Erträgen von rund vier Milliarden Euro deutlich kleiner. Entsprechend geringer fällt auch ihr Etat für Forschung und Entwicklung aus. Das gilt umso mehr für Anbieter wie den noch kleineren französischen Outdoorkonzern Salomon. Der kommt auf geschätzte Erträge von gerade 1,2 Milliarden Euro. Um nicht abgehängt zu werden, setzen die Franzosen auf eine andere Innovation: Modulsysteme.

An einem grauen Dezembertag sitzt Kilian Jornet in Garmisch-Partenkirchen vor einer Tasse Tee. Der 28-jährige Katalane ist der beste Ausdauersportler der Welt. Er gewann die schwierigsten und längsten Bergrennen und ist das Idol der stetig wachsenden Trailrunning-Szene. Jean-Yves Couput, bei Salomon für die Entwicklung verantwortlich, nennt den schmalen Mann „unseren Chief Visionary Officer“. Denn wie die anderen Sportkonzerne fertigt Salomon für seine Spitzenathleten eigens angepasste Schuhe und Kleidung. „Ich habe dann mal gefragt, warum sie das nicht auch für alle anderen Sportler tun können“, sagt Jornet und grinst.

Die Provokation des Beraters fiel auf fruchtbaren Boden. Salomon-Manager Couput hatte sich schon länger über die starren Vorgaben der Branche geärgert: „Eine Größe für alle plus Massenproduktion plus made in Asia – das war lange das Gesetz in der Sportschuhindustrie“, sagt der Franzose.

In einem kleinen Team nahm Couput den Herstellungsprozess auseinander und suchte Möglichkeiten, die Fertigung zu vereinfachen. Er dachte über neue Materialien nach. Und kam auf eine ganz eigene Lösung. Statt die Grundzutaten in ihre Bestandteile aufzulösen wie Adidas die Schuhsohle, bietet Salomon seinen Kunden die Auswahl aus vorgefertigten Komponenten, die anschließend angepasst werden.

Bei der Sohle etwa kann der Sportler die Art der Dämpfung wählen. Für das Obermaterial setzt Couput auf eine Art mehrlagigen Strumpf, der, dem Fuß angepasst, mit einem Kunststoffskelett verbunden und dann verbacken wird. Handwerker setzen anschließend den Wunschschuh zusammen.

Brauchte es zuvor 180 Arbeitsschritte, reduziert die neue Technik diese auf gerade einmal 30. Und statt wie bisher aus 50, besteht der neue Schuh nur noch aus zwölf Komponenten. Unter dem Strich, sagt Couput, „haben wir die Entwicklungszeit von 18 Monaten auf 6 reduziert.“ Fabriken braucht Salomon für diese Art der Fertigung nicht mehr – sie kann sogar in Läden stattfinden: „Und damit überall da, wo unser Kunde ist.“ In Frankreich und wenigen Läden in Belgien bietet Salomon den Schuh bereits an, weitere Märkte sollen in diesem Jahr folgen.

Chance für kleinere Marken

Den großen Konkurrenten wird Couput nicht richtig wehtun, dafür sind die Stückzahlen zu gering. Doch das Grundprinzip will der Franzose auch auf andere Produkte wie Bekleidung ausdehnen. Ihm dürfte entgegenkommen, dass gerade im Sportmarkt die Kunden anspruchsvoll sind und auch kleineren Marken mit Qualitätsanspruch eine Chance geben.

Davon profitiert auch eine Marke wie On. Das 200-Mitarbeiter-Unternehmen aus der Schweiz gibt es erst seit 2011. Und Olivier Bernhard, ein früherer Weltklasseläufer, der On mit zwei Freunden gründete, sitzt in der Firmenzentrale im Westen von Zürich und gibt sich bescheiden: „Auf uns hatte in dem gesättigten Markt ja keiner gewartet.“ Dennoch gelingt es den Eidgenossen von Jahr zu Jahr besser, den großen Konkurrenten Marktanteile abzunehmen. Im Heimatmarkt sieht sich Bernhard mit einem Anteil von einem guten Drittel gar als Marktführer. Die Jungunternehmer sind 2017 weltweit im Schnitt mehr als 70 Prozent gewachsen. Und geht es nach dem ehemaligen Weltklasseläufer Bernhard, setzt sich das 2018 so fort: „Seit der Gründung konnten wir den Umsatz jeweils verdoppeln. Das soll in diesem Jahr auch so sein.“ In Deutschland peilen die Schweizer immerhin Rang drei an.

Das alles gelingt On dank einem sehr eigenständigen Design, das die Schuhe schon auf den ersten Blick von denen der Konkurrenz abhebt – und einer ganz neuen Sohlenarchitektur. Statt aus einer durchgehenden Sohle besteht die Lauffläche aus bis zu 18 hohlen Einzelelementen, die beim Auftreten gestaucht werden und den Aufprall dämpfen. Bei ersten Versuchen experimentierten sie mit klein geschnittenen Gartenschläuchen. Inzwischen ist daraus ein Hightechprodukt entstanden.

Von Beginn an setzten Bernhard und seine Mitgründer zudem beim Personal auf Quereinsteiger: Sie heuerten Industriedesigner an statt versierter Branchenkräfte. Und sie nervten ihren Hersteller in Vietnam mit Sonderwünschen. Sagte der zu einer Idee, das sei in Ordnung, das habe er auch für andere schon gemacht, war Bernhard sauer: „Ich will eigentlich hören: Das ist unmöglich – nur so können wir Innovation schaffen.“

Aus seiner Nische heraus beobachtet Bernhard die Bemühungen der größeren Wettbewerber Adidas, Nike und Co. Der 49-Jährige sieht sie mit einer Mischung aus Respekt und Verwunderung. „Bei der Konkurrenz nehme ich vermehrt wahr, dass am Laufkunden vorbei entwickelt wird. Es geht meiner Auffassung mehr darum, eine tolle Marketinggeschichte zu erzählen: Wir können 3-D, wir können Technologie.“

Namen mag er nicht nennen. Doch in der Branche waren viele verwundert, als etwa Under Armour vor zwei Jahren mit viel Getöse seinen ersten 3-D-Schuh vorstellte: „Da wurde schlicht ein kleines Teil an die Ferse geklebt“, spottete ein hochrangiger Manager eines deutschen Herstellers.

Mehr versprechen, als eigentlich drin ist: Darin liegt eine der großen Gefahren des neuen Innovationsreigens. Schnell ist dann die Arbeit zunichte, das Image lädiert. In diese Falle wollen sie bei Adidas nicht treten. Deshalb wartete man ab, bis die Technologie stand. Jetzt soll ein Marketingfeuerwerk die Geschichte der Schuhe, die aus dem 3-D-Drucker kommen, erzählen. Wie man solche Storys am besten erzählt, schaute sich die Truppe von Vorstand Liedtke ab, bei Experten von Google, Red Bull und Pixar. Der Ex-Pixar-Kreative Matthew Luhn etwa hielt Workshops mit Adidas-Leuten.

On-Gründer Bernhard überlegt, wo es sich lohnt, in die Aufrüstung zu investieren, und ob es sich wirklich rechnet, Turnschuhe wieder in Europa herzustellen, wenn das Material wie etwa für die neuen Stricktechniken aus allen Ecken der Welt importiert werden muss. Ganz zu schweigen von der Frage, wie viel der Kunde bereit sei für das neue Maß an Individualisierung zu zahlen.

Um sicher zu sein, will der Außenseiter seine Kunden besser kennenlernen. Dazu werden die Schweizer in diesem Jahr noch mehr Mitarbeiter anstellen, darunter Programmierer, Datenanalysten, Zahlenfreaks. „Das soll uns helfen, möglichst schnell auf Trends reagieren und ressourcenoptimiert die richtigen Schlüsse ziehen zu können“, sagt Bernhard, „wir müssen schlicht weiter schnell sein.“

Und als gelte es, das zu beweisen, schlüpft Bernhard in seine Laufsachen und schnappt sich ein Modell, das erst im Sommer in die Läden kommt. Bei einem zügigen Mittagslauf entlang dem Fluss Limmat will er die Prototypen noch einmal testen. „Im Grunde sind die Schuhe wie die ganze Firma“, sagt der Chef und ist schon auf dem Sprung. Wirklich fertig seien die eigentlich nie.

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