Öko-Erfolg der Hybridautos - eine halbe Sache

Nur die CO2-Emissionen oder den Benzinverbrauch zu reduzieren genügt nicht: Wer nachhaltig wirtschaften will, muss die Lebenszyklen all seiner Produkte auf den Ressourcenverbrauch überprüfen. In vielen Branchen ist das Sparpotenzial oft beträchtlich.

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Berlin Vor allem aus einem Grund gilt der Toyota Prius als Vorbild für die gesamte Autobranche: Weil der Prius von einem Hybridmotor angetrieben wird, verbraucht er weniger Benzin als vergleichbare konventionelle Modelle. So hat sich der Prius zum Lieblingsgefährt vieler Umweltbewegter gemausert, denen ihre individuelle Mobilität teuer ist.

Friedrich Schmidt-Bleek hält das für ökologischen Unfug: „Um nur etwas CO2-Masse einzusparen, verdoppelt das gefeierte Toyota-Hybrid-Auto im Motorenbereich den ,ökologischen Rucksack’, da es zwei Motoren statt einen benötigt“, kritisiert Schmidt-Bleek. Der Professor leitete in den 90er-Jahren das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Heute ist der 69-Jährige Präsident des Faktor-10-Instituts in Frankreich.

Wahre Nachhaltigkeit bedeutet für ihn, sich in die für das menschliche Leben nötigen Dienstleistungen der Natur einzupassen. Gelinge es nicht, Nachhaltigkeit bis in jedes Produkt über eine bessere Ressourceneffizienz zu bewirken, seien auch andere Nachhaltigkeitsanstrengungen verzichtbar, sagt der Wissenschaftler: „Wenn es gelänge, die Wirtschaft mit zehn Prozent des heutigen Ressourcenverbrauchs zu gestalten, könnten wir die Hälfte der Energie einsparen.“

Schmidt-Bleeks Ansatz hat einen Vorteil: Ressourceneffizienz ist messbar. Darum solle man Nachhaltigkeit der Wirtschaft über die Ressourcenproduktivität definieren, fordert er. Ein Beispiel: Um ein Kilo eines Autos zu schaffen, werden 30 Kilogramm Material verbraucht, hat Schmidt-Bleek errechnet. Angesichts dieser Dimension relativiert sich das Umweltziel der Branche, die CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge zu senken. So werde nur ein einziger Faktor optimiert, egal was es ökologisch bedeute, befürchtet Schmidt-Bleek. Das sei sogar kontraproduktiv: Ein Fahrzeug verbrauche im Schnitt 450 Gramm Naturmaterial pro Kilometer – viel mehr, als es CO2-Emissionen verursache.

Das gilt analog für viele andere Branchen. „Würde der westeuropäische Konsumstil auf die Welt übertragen, bräuchten wir die natürlichen Ressourcen von zwei bis vier Erden, bei dem der USA mehr als vier“, schildert Michael Kuhndt, Leiter des Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) der Uno-Umweltorganisation Unep und des Wuppertal Instituts. Angesichts des Heißhungers auf Konsumgüter in den Schwellenländern sei das eine reale Gefahr, sagt Kuhndt.

Ein „Vier-Erden-Konsumstil“ bedeutet im Schnitt einen Verbrauch von 55 Tonnen Ressourcen pro Person pro Jahr, hat das CSCP berechnet. Dieser Ressourcen-Fußabdruck „müsste bis 2025 auf acht Tonnen sinken, damit die Regenerationsfähigkeit der Erde erhalten bleibt“, sagt Kuhndt.

Wer weniger Ressourcen verbraucht, spart Geld. Die meisten Unternehmen könnten heute schon durch Ressourceneffizienz die Betriebskosten um fünf bis zehn Prozent senken, in ressourcenintensiven Branchen gar um 15 Prozent, schätzt Kuhndt. Doch lediglich ein Viertel der 21 Millionen klein- und mittelständischen Firmen in Europa und nur knapp die Hälfte der Konzerne habe bereits eine Strategie für mehr Ressourceneffizienz, ergab eine EU-Studie Ende März.

„Effizienz allein ist aber nicht genug, um die heutigen Konsummuster auf ein nachhaltiges Niveau zu heben“, mahnt Kuhndt, „denn Effizienzgewinne sind in der Vergangenheit durch Mehrverbrauch aufgefressen worden: Es bedarf beträchtlicher Änderungen des Verbraucherverhaltens und der Lebensstile.“ Daher müssten Unternehmen den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte beachten. Das gelte selbst für Gütesiegelanbieter wie Fair Trade. Unabdingbar sei die Kooperation von Rohstofflieferanten, Herstellern, Einzelhandel und Verbraucherexperten.

Beispiel Mobilität: Zurzeit legt ein Europäer pro Jahr im Schnitt 17900 Kilometer per Auto, Flugzeug oder Bahn zurück. Dabei verbraucht er 1,44 Kilo Ressourcen pro Kilometer. „Künftig bedarf es intelligenterer Gefährte und Mobilitätssysteme, einer besseren Nutzung von Fahrzeugen und Infrastrukturen sowie einer praktisch autofreien Gesellschaft“, sagt Kuhndt.
Für einen „Eine-Erde-Konsumstil“ könnten sich etwa Autobauer zu Car-Sharing-Anbietern wandeln, – hier sei aber bisher noch keiner richtig eingestiegen.

Ansätze gibt es bei BMW: 800 Car-Sharing-Pkw fahren in München, Berlin und Düsseldorf. Seit Ende März besteht eine Kooperation mit einer Mitfahrzentrale. „DriveNow“ will in deutschen, europäischen und Übersee-Metropolen bis 2020 eine Million Mitglieder weltweit binden.

Auto- könnte auch mit Haustechnik verknüpft werden. Das demonstriert etwa das „Zuhause-Kraftwerk“ von VW und dem Ökostromerzeuger Lichtblick. 450 sind schon in Betrieb. Langfristig wollen die Anbieter 100000 Mini-Kraftwerke verkaufen. Mit zwei Gigawatt Leistung würden sie so viel Strom liefern wie zwei Kernkraftwerke.

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