Öl- und Gaskonzerne unter Druck Russlands Krise trifft den deutschen Mittelstand

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Erlaubnis zum Bedienen am staatlichen Wohlfahrtsfonds

Rosneft ist angezählt – auch wenn das so niemand in Moskau aussprechen würde. Zu mächtig ist Chef Setschin, der den direkten Draht zu Putin hat und einst der Strippenzieher gewesen sein soll, als Rosneft die Filetstücke des zerschlagenen Yukos-Konzerns von Ex-Oligarch Michail Chodorkowski billig einsammeln konnte.

Überstehen wird der Konzern die Krise dennoch. Das Unternehmen hat bereits um Budgethilfen in Höhe von 42 Milliarden Dollar gebeten – und die Erlaubnis bekommen, sich bei Investitionen aus dem staatlichen Wohlfahrtsfonds bedienen zu dürfen. Der diente eigentlich der Diversifizierung der russischen Wirtschaft und sollte für den Aufkauf neuer Technologien im Ausland verwendet werden.

Nun werden die angesparten Milliarden zur Rettung des Dinosauriers der russischen Rohstoffwirtschaft zweckentfremdet. Zugleich hat die russische Regierung angekündigt, Anteile an Rosneft zu veräußern: Putin braucht offenbar liquide Mittel, um das Land durch die Krise zu steuern.

Gazprom ist weniger massiv vom makroökonomischen Desaster betroffen. Zwar folgt der Gaspreis für europäische Endkunden mit sechsmonatiger Verzögerung dem Ölpreis. Doch traditionell muss Russlands Gasmonopolist nur geringe Steuern an den russischen Fiskus entrichten.

Pipeline „Sila Sibiri“

Die Gazprom-Manager stehen allerdings unter dem Druck strategischer Entscheidungen. „Kraft Sibiriens“, die neue Pipeline von der Region Irkutsk bis ins fernöstliche Chabarowsk, muss laut Vertrag bis 2018 betriebsbereit sein.

„Es ist kaum möglich, den Zeitplan einzuhalten“, glaubt Berater Kilzie. Das 50 Milliarden Euro teure Projekt sei viel ambitionierter als „South Stream“. Denn China habe einen Vertrag über reines Methangas abgeschlossen – kein Naturgas wie jenes, das die europäischen Kunden beziehen und selbst verarbeiten. Ehe der Gazprom-Konzern das verarbeitete Gas nach China liefern kann, müsste er verfahrenstechnische Anlagen aufbauen. Und das könnten nur Deutsche und Franzosen, sagt Kilzie: „Technologisch ist Russland auf den Westen einfach angewiesen.“

Für Europa sollte es von Interesse sein, dass russische Chemieanlagen verarbeitetes Gas nach China liefern und kein billiges Naturgas, sagt Kilzie. „Das würde die Preise am Weltmarkt durcheinander bringen und den Druck etwa auf die deutsche Chemieindustrie erhöhen.“ Denn der Gaspreis in den China-Verträgen sei ohnehin billiger als jener für Europa. Falls Russlands dem neuen Partner gestatte, das Gas zu verarbeiten und dann billige chemische Produkte zu exportieren, würde BASF am Standort Ludwigshafen den Preisverfall spüren.

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