Offshore-Töchter Das zieht deutsche Konzerne an sonderbare Standorte

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Kriminalität entgehen

Diese Banken verschoben Geld in Steueroasen
UBSIn den bislang veröffentlichten Erkenntnissen aus den Offshore-Leaks Enthüllungen ist die Schweizer Großbank UBS eine der treibenden Kräfte in der Schaffung von Firmengeflechten in Steuerparadiesen. Die UBS ist demnach in 2900 Offshore-Konstruktionen involviert. Quelle: REUTERS
Crédit SuisseAuch diese Schweizer Bank hat das Versteckspiel mit den Vermögen kräftig vorangetrieben. Die Crédit Suisse war an 700-Offshore-Lösungen für wohlhabende Kunden beteiligt. Quelle: dpa
Deutsche BankÜber ihre Niederlassung in Singapur bietet die Deutsche Bank noch immer Lösungen für die „steuerneutrale“ Geldanlage in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands oder auf Mauritius an. Nach den Offshore-Leaks-Daten, die von den zwei führenden Anbietern von Steueroasen-Trusts entwendet und der Presse zugespielt wurden, hat die führende Bank Deutschlands bei 309 Trusts und Firmen - überwiegend auf dem britischen Jungferninseln – die Finger drin. Quelle: REUTERS
JP MorganDie größte Investmentbank der Welt soll den Berichten zufolge ebenfalls in Offshore-Leaks-Dokumenten auftauchen – so wie nahezu alle großen Geldhäuser. Quelle: REUTERS
BNP ParibasDie Zeitung Le Monde hat mit den Daten festgestellt, dass die französische Großbank BNP Paribas hinter etlichen zwielichtigen Briefkastenfirmen steckt. Offenbar sind BNP-Manager zugleich Geschäftsführer einer Scheinfirma namens 888 Fortune Limited auf den Jungferninseln. Quelle: dapd
Crédit AgricoleDie Crédit Agricole soll ebenso wie BNP eine ganze Reihe von Briefkastenfirmen in den Steueroasen British Virgin Islands, Samoa und Singapur gegründet haben. Quelle: dpa
ING (NL)Insgesamt 21 ehemalige und aktuelle Mitglieder des Verwaltungsrates der niederländische Großbank ING, deren Tochter ING Diba in Deutschland führender Anbieter von Tagesgeldkonten ist, tauchen in den Offshore-Leaks-Dokumenten im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen auf. Quelle: dapd

Die großen deutschen Banken sind auf allen einschlägigen Steuersparinseln aktiv. Laut Bundesbank-Statistik besitzen Institute wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank neun Tochterfirmen sowie zwei Zweigstellen in der Karibik. Welches Kreditinstitut wo genau Standorte in Steueroasen betreibt, schlüsselt die Bundesbank nicht auf. Und die Banken selber schweigen sich über den Zweck dieser Niederlassungen aus. Begründung: Wettbewerber sollten keinen Einblick in "geschäftspolitische Motivationen" einzelner Standorte und Beteiligungen erhalten. Nur so viel wird verraten: Die internationalen Kunden sollen an allen wesentlichen globalen Finanzplätzen begleitet werden.

Was dies bedeuten kann, führte die Deutsche Bank vor, die vor der Finanzkrise 2007/08 US-Hypothekenpapiere an internationale Investoren über eine Gesellschaft auf den Caymans verkaufte. Gemstone, zu Deutsch: "Edelstein", tauften die Frankfurter das Vehikel, das ihre seit 1983 bestehende Treuhandgesellschaft namens Deutsche Bank Cayman verwaltete. Dass die Bank das Geschäft jenseits der Bilanz über die Caymans betrieb, dürfte kein Zufall gewesen sein. Dort konnte das Institut in sicherer Entfernung von der Finanzaufsicht in Frankfurt oder New York agieren.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Denn die Anlagen erwiesen sich nicht als Edelsteine, sondern als Schrottpapiere im Volumen von 1,1 Milliarden Dollar. Das ergab ein Untersuchungsbericht des US-Senats zu den Ursachen der Finanzkrise. Geschäftszweck des Cayman-Vehikels Gemstone war die Emission verbriefter Kreditpapiere. Mit solchen Produkten verbreitete sich die Blase auf dem US-Häusermarkt ins weltweite Finanzsystem, was die historische Krise 2008 auslöste.

Für Steuerexperten entbehren die abgabensparenden Nebenstandorte deutscher Konzerne aber in der Regel jeden Ruch des Kriminellen. Dafür sorgt das offenbar pragmatische Miteinander von Finanzchefs und Steuerbeamten hierzulande. "Gegen die steuersparende Verlagerung von Gewinnen ist die deutsche Finanzverwaltung vergleichsweise gut gerüstet", sagt Dieter Birk, langjähriger Leiter des Instituts für Steuerrecht an der Universität Münster. Auf der anderen Seite betont Lorenz Jarass, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule RheinMain: "Die legalen Gestaltungsmöglichkeiten sind so groß, dass am Ende keiner das Gesetz brechen muss."

Kommt es zum Konflikt, beantworten die Finanzbeamten die Frage nach Aufwand und Ertrag nicht selten zugunsten des widerborstigen Konzerns. „Es ist nicht ganz leicht, weiter zu prüfen, wenn unklar ist, ob wir am Ende wirklich mehr Steuern herausholen oder uns im Ernstfall vor Gericht durchsetzen können“, sagt ein Prüfer. "Da bescheiden wir uns oft lieber mit weniger Steuern und widmen uns einem anderen Unternehmen."

Zwar besitzt der Fiskus eine Art Wunderwaffe gegen allzu vordergründige Tricksereien mit Steueroasen. "Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden", heißt in Paragraf 42 Abgabenordnung (AO). Allerdings verlieren die Finanzämter regelmäßig, wenn sie mit dieser Vorschrift ein Unternehmen zu mehr Steuern verdonnern wollen. "Die Rechtsprechung tendiert dazu, den Paragrafen 42 AO nicht anzuwenden", sagt Steuerrechtler Birk. Dem Fiskus falle es schwer, Konzernen mit Niederlassungen in Steueroasen Missbrauch nachzuweisen.

Trotzdem tun sich die Unternehmen mit Auskünften über ihre zwielichtigen Töchter schwer. Der Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf etwa verfügt im mittelamerikanischen Steuerparadies Panama über zwei Beteiligungen: eine Vertriebstochter in einem Industriegebiet im Norden der Hauptstadt und eine 100-prozentige Tochter namens Hub Limited in einem Wohngebiet. Diese sei als Vertriebsgesellschaft gegründet, übe diese Funktion aber im Moment nicht aus, erklärt Beiersdorf.

Im vergangenen Jahr habe Hub Limited nur ein Ergebnis von 17.000 Euro erzielt. Unter den gut 150 Auslandsfirmen und Beteiligungen von Beiersdorf genießt Hub Limited allerdings eine Ausnahmestellung: Sie ist eine der wenigen Beteiligungen, die auf der Beiersdorf-Homepage ohne Telefon- und Faxnummer aufgelistet ist.

Die Softwareschmiede SAP im badischen Walldorf dagegen unterhält auf den Virgins sowie den Caymans nach eigenen Angaben nicht nur Briefkästen, sondern beschäftigt dort mehr als 220 Mitarbeiter. Die Erklärung scheint plausibel: Auch wenn die Inseln keine Einkommensteuer erheben, brauchen sie offenbar die Computerprogramme der Deutschen.

Einen besonderen Sinn hat das Wort Briefkastenfirma für die Deutsche Post. Denn auch diesen Unternehmen müssen ebenso Dokumente und eilige Sendungen zugestellt werden wie unverdächtigen Kunden. So wickelt die Expresstochter DHL in der Niederlassung auf den Caymans pro Tag 1.700 Sendungen ab - bei durchschnittlich zehn Frachtflügen wöchentlich.

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