Die großen deutschen Banken sind auf allen einschlägigen Steuersparinseln aktiv. Laut Bundesbank-Statistik besitzen Institute wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank neun Tochterfirmen sowie zwei Zweigstellen in der Karibik. Welches Kreditinstitut wo genau Standorte in Steueroasen betreibt, schlüsselt die Bundesbank nicht auf. Und die Banken selber schweigen sich über den Zweck dieser Niederlassungen aus. Begründung: Wettbewerber sollten keinen Einblick in "geschäftspolitische Motivationen" einzelner Standorte und Beteiligungen erhalten. Nur so viel wird verraten: Die internationalen Kunden sollen an allen wesentlichen globalen Finanzplätzen begleitet werden.
Was dies bedeuten kann, führte die Deutsche Bank vor, die vor der Finanzkrise 2007/08 US-Hypothekenpapiere an internationale Investoren über eine Gesellschaft auf den Caymans verkaufte. Gemstone, zu Deutsch: "Edelstein", tauften die Frankfurter das Vehikel, das ihre seit 1983 bestehende Treuhandgesellschaft namens Deutsche Bank Cayman verwaltete. Dass die Bank das Geschäft jenseits der Bilanz über die Caymans betrieb, dürfte kein Zufall gewesen sein. Dort konnte das Institut in sicherer Entfernung von der Finanzaufsicht in Frankfurt oder New York agieren.
Welche Strafen Steuertricksern drohen
Hier wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt, die in etwa einem Jahresnettoeinkommen des Steuerpflichtigen entspricht.
Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln die Geldstrafe nach so genannten Tagessätzen. Der Geldbetrag für einen Tagessatz soll dem Tagesnettoeinkommen entsprechen.
Hat jemand ein Jahreseinkommen von 50.000 Euro brutto und Abzüge von 20.000 Euro für Steuern, Versicherungen und ähnlichem, so wäre der Tagessatz 82 Euro (gerechnet: 30.000:365).
Bei einer Hinterziehung von 10.000 Euro werden in der Regel 365 Tagessätze verhängt. Das bedeutet im Beispielsfall 365x82 = 29.930 Euro. Die Geldstrafe läge also bei rund 30.000 Euro.
Bei hohen Einkommen kann laut Experten die Strafe durchaus höher als die hinterzogene Steuer sein. Schließlich soll sich Steuerhinterziehung ja nicht lohnen.
Bei 20.000 Euro kommt man zu rund 440 Tagessätzen. Die Strafe läge im Beispielsfall dann 36.080 Euro.
Es ist bekannt, dass in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich streng bestraft wird. Eine interne Tabelle weist dies nach. Insofern gelten die hier genannten Strafrahmen nicht absolut, sondern sind lediglich Faustregeln.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Az. 1 StR 525/11) ist die Chance, auch bei schweren Steuervergehen um eine Haftstrafe herumzukommen, deutlich gesunken. Die Karlsruher Richter haben mit ihrer Entscheidung ein Urteil des Landgerichts Augsburg kassiert, das einen Unternehmer wegen 1,1 Millionen Euro hinterzogener Steuern nur zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt hatte. Dieses Strafmaß sei zu gering, entschied der BGH. Das Urteil liegt im Trend, glaubt Martin Wulf von der auf Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Streck Mack Schwedhelm: „In der Tendenz ziehen die Sanktionen an“, sagt der Jurist.
Denn die Anlagen erwiesen sich nicht als Edelsteine, sondern als Schrottpapiere im Volumen von 1,1 Milliarden Dollar. Das ergab ein Untersuchungsbericht des US-Senats zu den Ursachen der Finanzkrise. Geschäftszweck des Cayman-Vehikels Gemstone war die Emission verbriefter Kreditpapiere. Mit solchen Produkten verbreitete sich die Blase auf dem US-Häusermarkt ins weltweite Finanzsystem, was die historische Krise 2008 auslöste.
Für Steuerexperten entbehren die abgabensparenden Nebenstandorte deutscher Konzerne aber in der Regel jeden Ruch des Kriminellen. Dafür sorgt das offenbar pragmatische Miteinander von Finanzchefs und Steuerbeamten hierzulande. "Gegen die steuersparende Verlagerung von Gewinnen ist die deutsche Finanzverwaltung vergleichsweise gut gerüstet", sagt Dieter Birk, langjähriger Leiter des Instituts für Steuerrecht an der Universität Münster. Auf der anderen Seite betont Lorenz Jarass, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule RheinMain: "Die legalen Gestaltungsmöglichkeiten sind so groß, dass am Ende keiner das Gesetz brechen muss."
Kommt es zum Konflikt, beantworten die Finanzbeamten die Frage nach Aufwand und Ertrag nicht selten zugunsten des widerborstigen Konzerns. „Es ist nicht ganz leicht, weiter zu prüfen, wenn unklar ist, ob wir am Ende wirklich mehr Steuern herausholen oder uns im Ernstfall vor Gericht durchsetzen können“, sagt ein Prüfer. "Da bescheiden wir uns oft lieber mit weniger Steuern und widmen uns einem anderen Unternehmen."
Zwar besitzt der Fiskus eine Art Wunderwaffe gegen allzu vordergründige Tricksereien mit Steueroasen. "Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden", heißt in Paragraf 42 Abgabenordnung (AO). Allerdings verlieren die Finanzämter regelmäßig, wenn sie mit dieser Vorschrift ein Unternehmen zu mehr Steuern verdonnern wollen. "Die Rechtsprechung tendiert dazu, den Paragrafen 42 AO nicht anzuwenden", sagt Steuerrechtler Birk. Dem Fiskus falle es schwer, Konzernen mit Niederlassungen in Steueroasen Missbrauch nachzuweisen.
Trotzdem tun sich die Unternehmen mit Auskünften über ihre zwielichtigen Töchter schwer. Der Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf etwa verfügt im mittelamerikanischen Steuerparadies Panama über zwei Beteiligungen: eine Vertriebstochter in einem Industriegebiet im Norden der Hauptstadt und eine 100-prozentige Tochter namens Hub Limited in einem Wohngebiet. Diese sei als Vertriebsgesellschaft gegründet, übe diese Funktion aber im Moment nicht aus, erklärt Beiersdorf.
Im vergangenen Jahr habe Hub Limited nur ein Ergebnis von 17.000 Euro erzielt. Unter den gut 150 Auslandsfirmen und Beteiligungen von Beiersdorf genießt Hub Limited allerdings eine Ausnahmestellung: Sie ist eine der wenigen Beteiligungen, die auf der Beiersdorf-Homepage ohne Telefon- und Faxnummer aufgelistet ist.
Die Softwareschmiede SAP im badischen Walldorf dagegen unterhält auf den Virgins sowie den Caymans nach eigenen Angaben nicht nur Briefkästen, sondern beschäftigt dort mehr als 220 Mitarbeiter. Die Erklärung scheint plausibel: Auch wenn die Inseln keine Einkommensteuer erheben, brauchen sie offenbar die Computerprogramme der Deutschen.
Einen besonderen Sinn hat das Wort Briefkastenfirma für die Deutsche Post. Denn auch diesen Unternehmen müssen ebenso Dokumente und eilige Sendungen zugestellt werden wie unverdächtigen Kunden. So wickelt die Expresstochter DHL in der Niederlassung auf den Caymans pro Tag 1.700 Sendungen ab - bei durchschnittlich zehn Frachtflügen wöchentlich.