Online-Konkurrenz Alarm in der Druckindustrie

Onlineunternehmen wie Flyeralarm zeigen der darbenden Branche, dass zweistellige Wachstumsraten möglich sind. Selbstläufer sind aber auch sie nicht. Neue Ideen müssen her.

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Onlineunternehmen machen den Etablierten zu schaffen. Quelle: dpa

Würzburg Wie selbstverständlich hängen die Trikots von Bayern München und Borussia Dortmund im Foyer nebeneinander. Bei beiden stand Flyeralarm zwar nie auf der Brust, man gehörte einst aber zum Sponsorenpool. Berührungsängste mit den Großen der Branche kennen sie hier im Würzburger Industrieviertel nicht. „Entscheidend ist, dass es auf die Marke Flyeralarm einzahlt. Das war immer gegeben“, weiß Finanzvorstand Hartmut Kappes. Also Bekanntheit aufzubauen für eine vor Jahren noch ungewöhnliche Geschäftsidee.

Wer sich weltweit mit Druck-Erzeugnissen beschäftigt, der trifft auf erstaunliche Zahlen. 400 Milliarden Euro werden quer über den Erdball jedes Jahr umgesetzt. Genauso viel wie in der Autoindustrie. Nur mit ungleich geringerer medialer Wahrnehmung. 90 Milliarden Euro sind es in Europa. Über fünf Milliarden Euro davon entfallen auf den Onlinedruck, also die Domäne von Flyeralarm, dem Marktführer.

Genau hier liegt auch der Unterschied. Während die Druckindustrie nach schweren Jahren gerade erst dabei ist, die Trendwende einzuleiten, erzielen die allermeisten Onlinedruckereien zweistellige Wachstumsraten. Visitenkarten, Flyer oder Briefpapier ordern die Kunden per Internet, die Abläufe sind standardisiert, die Lieferung erfolgt schnell. Die Bandbreite geht von Fahnen über Messewände, Kissen und Stühle bis hin zu Getränken und Textilien.

„Online-Druckereien bedrucken Materialien wie andere Druckereien auch. Aber sie steuern Prozesse überwiegend digital – von der Auftragsannahme bis zum Start der Druckmaschinen und der Weiterverarbeitung zum fertigen Produkt“, zeigt Bettina Knape vom Branchenverband BVDM die Unterschiede. Damit haben sie der Branche auch einen Teil ihrer früheren Identität zurückgegeben. Denn der Arbeitsschritt der sogenannten Druckvorstufe, dass nämlich Endkunden direkt mit dem Drucker über Gestaltung und Preis verhandeln, wanderte über die Jahre zu Werbeagenturen. Erst mit den Onlinedruckern rückten Kunde und Drucker wieder zusammen.

Die wiederum haben längst erkannt, welchen Trumpf sie hier in Händen haben. Zehn Filialen hat Flyeralarm mittlerweile, alle in guten Innenstadtlagen von Berlin, München, Düsseldorf oder Frankfurt. Demnächst soll der erste Laden in Paris dazukommen.


Das Geschäft ist kein Selbstläufer

Die Würzburger gehörten im Jahr 2002 zu den Ersten, heute sind sie Marktführer in der Nische. 330 Millionen Euro Umsatz waren es im vergangenen Jahr. Erst im Jahr davor wurde die Hürde von 300 Millionen Euro genommen. Die Gewinnmarge lag da knapp unterhalb des zweistelligen Bereichs.

Dabei ist das Geschäft für die Unterfranken weiß Gott kein Selbstläufer. Weit über ein Dutzend Wettbewerber tummeln sich mittlerweile in der Branche. Sie haben so einprägsame Namen wie diedruckerei.de, wirmachendruck.de oder druckportal.de. Vergleichsportale im Internet berechnen auf den Cent, wer am günstigsten 1.000 Visitenkarten oder 5.000 Flyer liefern kann.

Deswegen wissen sie bei Flyeralarm, dass sie sich weiterentwickeln müssen. Drei Millionen Produktvarianten haben sie seit der Gründung im Sortiment. Auf einer Tafel im loftartigen Besprechungsraum hängen zehn Unternehmensgrundsätze. „Trial and Error wird bei uns großgeschrieben“, betont Finanzvorstand Kappes. Auch deswegen wächst die Zahl der angebotenen Produkte täglich.

Und das auch abseits der eingeschlagenen Wege. „Future Labs“ heißt das Kreativbüro, das sie vor einiger Zeit in Berlin eingerichtet haben. Mehr als hundert Ideen sind daraus entstanden. Auch das zu Flyeralarm gehörende Moving Pictures. Weil immer mehr Unternehmen die Macht der bewegten Bilder auf ihrer Website entdecken, bedienen sie bei Flyeralarm neuerdings auch diesen Markt. Ab 399 Euro für den einfachsten Film. Wieder ein Kampfpreis, wie einst bei den Flyern.

„Bei den Online-Druckern handelt es sich heute häufig um Manager und Unternehmer, die zur Druckindustrie gestoßen sind, während früher aus gelernten Druckern mitunter auch Unternehmer wurden“, bringt Verbandssprecherin Knape den Spirit auf den Punkt, der bei den Neulingen herrscht. Den Charakter eines Start-up wollen sie sich bei Flyeralarm bewahren. Trotz der mittlerweile mehr als 2.000 Mitarbeiter und der Eigenkapitalquote jenseits der 90 Prozent. Noch immer duzen sie sich alle. Und das schon beim Vorstellungsgespräch. Noch vor den Trikots im Foyer.

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