Opel-Verkauf an Peugeot Mary Barra bleibt unsichtbar

GM-Chefin Barra ist am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim, um über den möglichen Verkauf an Peugeot zu informieren. Doch zu Gesicht bekommt man sie dort nicht. Die Verunsicherung in der Belegschaft wächst. Ein Ortsbesuch.

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2014 besuchte die GM-Chefin das Werk in Rüsselsheim zum ersten Mal – und ließ sich dabei auch öffentlich blicken. Quelle: picture alliance/dpa

Rüsselsheim Die Sonne taucht Rüsselsheim an diesem Mittwoch in warmes Licht, die Vögel zwitschern, ein sanfter Wind spielt mit gelben Opel-Flaggen. Lauerten nicht ein paar Kamerateams vor der Zentrale des Autobauers, nichts würde darauf hindeuten, dass hier gerade ein Übernahmekrimi abspielt.

Inmitten der Debatte um einen möglichen Verkauf von Opel an die französische PSA Peugeot Citroën ist die Chefin des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) zum Stammsitz des Autoherstellers gereist, wie Opel mitteilt. Nur gesehen hat sie dort noch niemand. Weder die Reporter, die sich vor dem Haupteingang langweilen und hoffen, ein paar Bilder ihrer Entourage einzufangen, noch Mitarbeiter, die vereinzelt eine Kaffeepause im Foyer der Zentrale einlegen.

An die Belegschaft wendet sich Barra nur in einem Rundschreiben, aus dem die „Allgemeine Zeitung Mainz“ zitiert. Ein möglicher Deal würde „die PSA-Gruppe sowie Opel/Vauxhall aufgrund der sich ergänzenden Stärken beider Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Position auf dem sich rasch verändernden europäischen Markt zu verbessern“, schrieb die GM-Chefin darin. Nach Handelsblatt-Informationen wird Barra drei Tage im Rhein-Main-Gebiet bleiben.

Die wenigsten Opel-Mitarbeiter wollen mit Journalisten sprechen. Man müsse abwarten, man wolle nicht spekulieren, sagen viele. Zwei ältere Opel-Angestellte aus dem Einkauf geben schließlich Auskunft. Beide sind seit 38 Jahren im Unternehmen, haben schon viele Chefs erlebt. Dass GM Verhandlungen führt, ohne den Betriebsrat und den Opel-Vorstand frühzeitig einzubinden, finden sie aber „schockierend“. „Mir tut es auch leid für den Herrn Neumann, der muss sich brüskiert gefühlt haben", sagt einer der beiden Männer. Beide wollen ihre Namen nicht in in der Zeitung lesen. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann wurde selbst erst kurz vor Bekanntwerden der Verhandlungen informiert, heißt es aus dem Unternehmensumfeld.

„Ich will Frau Barra nicht verurteilen, noch ist ja gar nicht klar, ob wir verkauft werden“, sagt der Mann, weißer Schnauzer, fahles Haar. Er hat genau wie sein Kollege miterlebt, wie die GM-Chefin bei ihrem ersten Besuch in Rüsselsheim 2014 sagte, Opel sei lebenswichtig für GM und den Angestellten zurief: „Habt keine Angst.“ Applaudiert habe er ihr. Drei Jahre später, räumt er ein, gebe es schon Kollegen, die wieder eine „Heidenangst“ hätten. „Manche haben Schulden, einer gerade ein Haus gebaut.“

Große Sorgen macht er sich trotzdem nicht, dafür sei es zu früh. Vielleicht, so hoffen die beiden, werde die Zusammenarbeit zwischen GM und PSA nur vertieft und Opel gar nicht verkauft. „Wir sind doch gut aufgestellt, ein schlankes Unternehmen mit niedrigen Personalkosten. Ohne diesen komischen Brexit und die sinkende Absätze wegen der Russlandsanktionen würden wir dicke fette schwarze Zahlen schreiben.“

Eine andere Opel-Mitarbeiterin erzählt von Kollegen, die nicht wissen, wie es bei ihnen weitergehen soll, wenn sie ihren Job verlieren. Bei Opel stehen nach Einschätzung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer Tausende Jobs auf dem Spiel. Vor allem am Stammsitz Rüsselsheim könnten zentrale Einheiten verkleinert oder ganz abgebaut werden, weil ihre Aufgaben im Konzern übernommen werden könnten, betonte Dudenhöffer am Mittwoch.

Die 56-jährige Opel-Mitarbeiterin, die ihren Namen ebenfalls nicht nennen will, zieht an einem Zigarillo und streicht eine graue Strähne aus dem Gesicht. „Was die Wichtigen da oben entscheiden, darüber haben wir keinen Einblick. Ich mache den Job aber schon zu lange, um zu hoffen, dass alles doll bleibt.“

Auch sie findet, dass Opel gute Autos baue. Die Amerikaner verstünden nur nicht, wie unterschiedlich die Verkaufssituation in Europa sei. „Wir sind auf zwölf bis 20 Märkten unterwegs, jedes Land ist anders, hat andere Konsumenten. Anders als in den USA informieren die sich intensiv, bevor sie sich für ein Auto entscheiden“. Das sei alles komplexer. „Und ja“, sagt sie, während sie ihren blauen Anorak zuknöpft, „vielleicht ist es auch sehr amerikanisch, Entscheidungen einfach im Alleingang zu treffen“.

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