Orthomol Dieser Mittelständler verkauft zweifelhafte Produkte mit vorbildlichem Marketing

Seite 2/2

Geschickte Kundenbindung

Die ersten Kisten verpackt der Alte noch selbst zusammen mit Mitarbeitern in seinem Wohnhaus in Langenfeld – 14 Packungen für 650,59 DM. Bei der ersten Umsatzmillion gibt es Pizza für alle. 2009 stirbt Glagau senior überraschend. Sohn Nils, der das Unternehmen zuvor wegen Auseinandersetzungen mit seinem dominanten Vaters verlassen hatte, steigt wieder ein. Vitaminpräparate zu verkaufen war nicht sein Plan: Nils Glagau hat Altamerikanistik studiert. Sein Faible gilt der Archäologie, die Tür zum Konferenzraum in der Zentrale schmücken ägyptische Hieroglyphen.

Glagau nimmt die neue Rolle rasch an, trimmt die Firma auf Tempo. In rascher Folge bringt er neue Varianten auf den Markt. Er bindet Kunden geschickt an seine Produkte. Etwa Sportler: Ihnen bietet er Nährstoffriegel aus Datteln und Nuss für die Phase vor dem Wettkampf, ein Elektrolytgetränk mit Koffein für den Wettkampf selbst und ein Molkenproteinisolat für danach.

Der Orthomol-Chef will auch vom Trend zur Selbstoptimierung profitieren: Als „Alternative zu Red Bull“, preist er Quickcap, das Energiegetränk zum Selbermixen, erhältlich in den Variationen „Beauty“ und „Brain“. Der Verkauf läuft über das Internet und über die Parfümeriekette Douglas. Das neueste Produkte der Orthomol-Familie ist Neumuri, ein medizinisch angehauchtes Heißgetränk für den Abend.

Mit Orthomol für Kinder („Mit Immun- und Brain-Power ins neue Schuljahr“) hat er sich kurzfristig Ärger ins Haus geholt. Orthomol Junior Omega Plus enthalte mindestens zehn Vitamine oder Mineralstoffe, die die Referenzwerte für Kinder von vier bis sieben Jahren überschreiten, warnte die Verbraucherzentrale Hamburg. Mögliche Folgen: Kopfschmerzen, Übelkeit oder Müdigkeit. Doch die Mahnung verhallte – Orthomol verspürt angeblich keinen Nachfrageeinbruch.

Der Unterstützung der Apotheker, die an den Präparaten gut verdienen, kann sich Glagau sicher sein. Etwa 100 der 400 Beschäftigten arbeiten im Außendienst – die Truppe gilt als exzellent aufgestellt. Vertriebler schauen regelmäßig bei den Pharmazeuten vorbei, sind auch mal beim Befüllen der Regale behilflich. Ein- bis zweimal im Jahr lädt das Familienunternehmen Apotheker aus der jeweiligen Region für einen Umtrunk ein – und stellt die neusten Ideen vor.

Wann immer etwa die Easy Apotheken-Gruppe ihre rund 100 Franchise-Apotheker fragt, mit welchen Unternehmen sie am besten zusammenarbeiten, landet der Orthomol-Außendienst weit vorne. Auch für Konditionen oder Zuverlässigkeit erhält das Unternehmen ständig Bestnoten.

„Mir gefällt, dass die Außendienstmitarbeiter immer ansprechbar und flexibel sind“, sagt der Düsseldorfer Apotheker Hubertus Minuth: „Dass die Stoffe weitgehend in Deutschland hergestellt und kontrolliert werden. Und dass Orthomol sein Geld vor allem in Schulung und Fortbildung steckt.“
Einen Persilschein will aber auch Minuth, der drei Apotheken betreibt, nicht ausstellen. Von einem dauerhaften Einsatz rät er ab: „Hoch dosierte Vitaminpräparate entfalten im Körper geballt ihre Wirkung. Da kann auch schon mal etwas schiefgehen.“ Dabei es ist es wohl genau diese Hochdosierung, die manche Kunden von einer schnellen Genesung träumen lässt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%