Osram-Chef Berlien Wie Osram den LED-Boom unterschätzt hat

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Berlien drückt aufs Tempo

Berlien drückt aufs Tempo, und das mit gutem Grund: Die Nachfrage nach LED-Chips explodiert förmlich, getrieben durch immer neuen Anwendungsfelder. Ob Virtual-Reality-Brillen, Fitnessarmbänder, Scanner, die den Frischegrad von Obst anzeigen oder die Iris-Erkennung bei Smartphones: Osram ist mit seinen LED-Chips immer mit dabei – und von dem Boom ein bisschen überrascht worden. „Der Markt hat sich im Vergleich zu den Annahmen von 2015 radikal verändert“, sagt Berlien. Der Konzern baut darum derzeit auch seine Kapazitäten in Regensburg aus und stellt dort 1000 neue Mitarbeiter ein. Die Fertigung im ostchinesischen Wuxi will Osram verdoppeln. Das LED-Geschäft wuchs zuletzt um 19 Prozent.

Die neue Produktionsstätte in Kulim, Malaysia, bedeckt rund 100.000 m² Grund. Die letzte Bauphase soll 2020 abgeschlossen sein. Quelle: Osram

Einer der größten Treiber des LED-Booms bei Osram ist der rasante Wandel in der Automobilindustrie. Immer neue Fahrerassistenzsysteme und eine Fülle neuer Elektromodelle nach dem Dieselskandal, die zudem zum Teil schon bald fahrerlos unterwegs sein dürften, spielen Berlien in die Hände. „Klar profitieren wir davon, dass alle großen Hersteller ihre alten Pläne in den Mülleimer geworfen haben und in Richtung Elektromobilität und autonomes Fahren umplanen“, sagt der Osram-Chef. Für die Anwendungen beim autonomen Fahren braucht es Premium-Infrarot-Chips, gewissermaßen das Feinste vom  Feinsten unter den LED-Chips. Auch die will Osram demnächst in Kulim fertigen. Das dazu erforderliche Qualifizierungsverfahren für die Autoindustrie wollen die Münchner im kommenden Jahr angehen.

Traummargen von gut 28 Prozent

Schon 2020 dürfte die Konzernsparte Opto Semiconductors (OS), in die das LED-Geschäft fällt, die größte des Unternehmens sein. Zurzeit ist dies noch die Automobilbeleuchtung, die im Ende September abgelaufenen Geschäftsjahr 2,3 Milliarden Euro zum gesamten Osram-Umsatz von 4,1 Milliarden Euro beitrug. OS kam zuletzt auf einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro – und eine Traummarge von gut 28 Prozent.

Wichtigster Mann für Berlien, der vor fast drei Jahren zu Osram kam, ist darum schon jetzt OS-Chef Aldo Kamper, neben dem Konzernchef das zweite Mastermind hinter dem LED-Boom. Der gebürtige Niederländer mit Abschlüssen der Universitäten Limburg und Stanford kam schon 1994 zu Osram, kennt den Konzern in- und auswendig. Seit sieben Jahren leitet er das Geschäft mit den Opto-Halbleitern.

Osram: Die Welt in neuem Licht

Kopfzerbrechen bereitet Osram zurzeit nur eine Sparte: das Geschäft mit Leuchten und Lösungen (LSS), das zuletzt eine Milliarde Euro zum Konzernumsatz beisteuerte. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Minus von 21 Millionen Euro, die Ebitda-Marge war negativ. „Unsere Geduld mit LSS ist endlich“, sagt Berlien, „weil wir zwei andere Bereiche haben, die hungrig sind und wachsen wollen.“

Zur Sparte LSS gehören das Servicegeschäft in Nordamerika, das Geschäft mit der Beleuchtung von Gebäuden, Straßen oder auch Rennstrecken in Europa und das Geschäft mit der Beleuchtung von Brücken und Fassaden in Asien. „Richtig gruselig ist das Service-Geschäft in Amerika“, sagt Berlien. Ganz ordentlich liefen hingegen das Europa- und das Asiengeschäft. Berlien würde die Nordamerika-Aktivitäten darum im kommenden Jahr gerne abgeben.

Um dem Wachstum in den anderen Geschäften Rechnung zu tragen, hält Berlien auch Ausschau nach geeigneten Übernahmezielen, etwa in den Bereichen Sensorik oder Software. Zudem hat Osram vor gut zwei Wochen die Gründung eines Joint Venture mit dem Autozulieferer Continental angekündigt. Das Gemeinschaftsunternehmen soll innovative Lichttechnologien mit Elektronik und Software kombinieren und intelligente Lichtlösungen für die Autoindustrie entwickeln. Osram wandelt sich zum High-Tech-Konzern.

Umsatz der Osram Licht AG nach Segment

Im Herbst vergangenen Jahres hatten bereits Investoren aus China Osram ins Visier genommen; von einer Komplettübernahme war die Rede. Gegen solche Angriffe sieht Berlien sich heute gut gewappnet. „Wir waren vor zwei Jahren in einer kritischen Phase“, sagt der Osram-Chef, „40 Prozent unseres Umsatzes erzielten wir mit alten Technologien. Für die anderen 60 Prozent gab es keine strategische Gesamtausrichtung.“

Das ist heute sicherlich anders – und sollte den Konzern erst recht attraktiv für Angreifer machen. Wichtiger dürfte darum sein, dass die Bundesregierung signalisiert hat, Übernahmen von Hochtechnologieunternehmen sehr kritisch unter die Lupe nehmen zu wollen.

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