Osrams Zukunft beginnt in einem Gewerbegebiet neben der A 3 am Stadtrand von Regensburg. In langen, hell getünchten Hallen wachen rund 1000 Mitarbeiter über die Halbleiterproduktion. In kleinen Labors nebenan tüfteln Entwickler an ultraflachen und biegsamen Leuchten, die bald auf den Hecks von BMW, Audi und Mercedes kleben sollen. Ingenieure führen Kunden neue Anwendungen vor, etwa einen ins Smartphone integrierten Beamer, mit dem der Nutzer spontan eine Präsentation an die Wand werfen kann.
Der größte der weltweit mehr als 30 Osram-Standorte befindet sich im Niederbayrischen und will so gar nicht zum angestaubten Image des traditionsreichen Glühbirnenherstellers passen. In der Kantine wird an vielen Tischen Englisch gesprochen. Chinesen, Koreaner, Amerikaner und Deutsche diskutieren bei Salat und Steaks über die Vorteile von Sechs-Zoll- gegenüber Vier-Zoll-Wafern. Vor den Glasfronten erstrecken sich großzügige Grünanlagen – das Gelände in Regensburg könnte auch ein Campus im Silicon Valley sein.
Globaler Umsatz mit Leuchtmitteln 2011 und 2020
2011: 9 Milliarden Euro
2020: 64 Milliarden Euro
Quelle: McKinsey
2011: 39 Milliarden Euro
2020: 27 Milliarden Euro
2011: 11 Milliarden Euro
2020: 25 Milliarden Euro
Der Mann, der dafür sorgen soll, dass es künftig überall in der weitverzweigten Osram-Welt so aussieht, sitzt in einem schlichten Büro über den Fabrikhallen. Wolfgang Dehen ist seit gut drei Jahren Vorstandsvorsitzender bei Osram. Der 60-jährige Westfale hat dem Konzern einen harten Sanierungskurs verordnet und ihn nach vielen verlustreichen Jahren schließlich zurück in die Gewinnzone geführt.
Erfolgreich an die Börse
Im Juli 2013 hat Dehen mitgeholfen, das Unternehmen vom Mutterkonzern Siemens abzuspalten und erfolgreich an die Börse zu bringen. In dieser Woche schließlich hat er sich im Kampf um den künftigen Kurs und das Tempo des Umbaus gegen seinen 15 Jahre jüngeren Technikvorstand Peter Laier durchgesetzt. Der wird nun seinen Posten räumen.
Osram ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie man ein krisengeschütteltes Unternehmen auf Vordermann bringen kann. Die WirtschaftsWoche startet in dieser Ausgabe eine Serie, in der sie in loser Folge über Turnarounds berichten wird. Mit welchen Instrumenten haben die Chefs die Wende geschafft? Wie haben sie Widerstände überwunden? Wie sichern sie das Erreichte ab und treiben das Unternehmen voran?
Bündel von Maßnahmen
Bei Osram trug ein ganzes Bündel von Maßnahmen zum Erfolg bei:
- Konsequent hat der Osram-Chef das margenstarke Geschäft mit Spezialbeleuchtung und Lichtquellen für die Autoindustrie ausgebaut. Hier gilt Osram inzwischen weltweit als Platzhirsch.
- An allen Standorten hat Dehen die Produktion auf Effizienz getrimmt. Beim Materialeinkauf tut sich Osram jetzt mit anderen Abnehmern zusammen, um bei den Lieferanten günstigere Preise zu erzielen.
- Der Osram-Chef investiert große Summen in Zukunftstechnik wie halbleiterbasierte Leuchtmittel. Hier hat er die Forschungsaktivitäten massiv hochgefahren.
- Dehen hat die Organisation kräftig verschlankt und flexibler gemacht, indem er den Großteil der alten Führungsmannschaft entlassen hat. Die Bürokratie aus Siemens-Zeiten ist Vergangenheit.
- Massive Einsparungen konnte der Osram-CEO erzielen, indem er beim traditionellen Geschäft, etwa mit Leuchtstoffröhren, Kapazitäten abgebaut hat.
- Dehen investiert in den Boomstaaten Asiens, wo Urbanisierung und rasch zunehmender Wohlstand zu zweistelligen Wachstumsraten beim Geschäft mit Leuchtmitteln führen. Soeben hat Osram eine Fabrik in Wuxi bei Shanghai eröffnet, die LED-Leuchten für den chinesischen Markt herstellt. Das Werk kostete einen dreistelligen Millionenbetrag.
Trotzdem ist der Osram-Chef noch nicht am Ziel angekommen. Im aktuellen Geschäftsjahr (zum 30.9.) wird der Umsatz nur stagnieren, statt wie geplant um drei Prozent zu wachsen, gab das Unternehmen in der vergangenen Woche bekannt.
Der Umbruch, in den der rasante Wandel in der Lichtindustrie den Münchner Konzern gestürzt hat, ist tiefer greifend, als auch Sanierer Dehen zunächst geglaubt hat. Der kantige Manager aus Solingen muss noch stärker aufs Gas treten.
Das zeigt auch der Börsenkurs des MDax-Unternehmens. In den vergangenen drei Monaten hat das Papier, das vor einem Jahr mit knapp 24 Euro in den Handel kam und bis auf 50 Euro kletterte, ein Drittel seines Werts verloren. Mittelfristig, da ist sich Dehen allerdings sicher, sind die Chancen größer als die Risiken. „Wir haben auf einmal ein digitales Produkt“, sagt er und deutet auf die kleinen Leuchtdioden in der Deckenlampe über ihm.
Ungeahnte Möglichkeiten
Dadurch, dass traditionelle Leuchtmittel wie die Energiesparlampe – die alte Glühlampe mit dem Faden aus Wolfram sowieso – nach und nach durch Leuchtmittel auf der Basis von Halbleitern ersetzt würden, eröffneten sich Möglichkeiten, von denen heute noch niemand etwas ahne, so Dehen: „LED-basierte Produkte und Lösungen könnten in speziellen Anwendungen zum Beispiel einem Jetlag vorbeugen, ein Feuer melden oder einen Alarm auslösen.“
Die rasanten Umwälzungen in der Lichtindustrie vergleicht der Osram-Chef mit der digitalen Revolution in der Medienwelt oder in den Fabriken, wo unter dem Schlagwort Industrie 4.0 Fertigungsprozesse vollständig automatisiert werden.
Dehen will das Unternehmen, das vor fast 100 Jahren in Berlin als einfacher Glühlampenhersteller begann, nun noch schneller ins digitale Zeitalter führen.
Im März 1906 meldet die Deutsche Gasglühlicht-Anstalt das Warenzeichen Osram für die Produkte „Elektrische Glüh- und Bogenlichtlampen“ beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin an. Der Name ist eine Schöpfung aus den Bezeichnungen für die Elemente Osmium und Wolfram.
Mehr als 100 Jahre Tradition
Das Geschäft mit den Glühbirnen floriert. Schon in den Dreißigerjahren ist Osram einer der größten Hersteller der Welt, mit Niederlassungen unter anderem in Shanghai und Rio de Janeiro. In Deutschland kommt Osram auf einen Marktanteil von 70 Prozent.
Prominente Werbung
Kaum ein Haushalt im Nachkriegsdeutschland, in dessen Wohnzimmerlampen keine Osram-Birnen stecken. „Hell wie der lichte Tag“: So wirbt das Unternehmen seit Jahrzehnten an den historischen Geschäfts- und Bürogebäuden am Münchner Karlsplatz.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verlegt Osram den Sitz nach München. Die Leuchtstoffröhre kommt, die Halogenlampe, später die Energiesparlampe. Osram investiert, expandiert und mischt in allen Segmenten kräftig mit. So wird das Unternehmen zum Beispiel zu einem der wichtigsten Leuchtenlieferanten der Autoindustrie. 1978 schließlich übernimmt Siemens Osram komplett. Gut 35 000 Mitarbeiter erwirtschaften zuletzt einen Umsatz von fast 5,3 Milliarden Euro.
Doch der Vormarsch der LED-Leuchten beschert dem Konzern unruhige Zeiten, wie er sie in seiner langen Geschichte noch nicht erlebt hat. Denn das Geschäft mit traditionellen Leuchtmitteln – also Leuchtstoffröhren, aber auch Energiesparlampen – schrumpft, und das viel schneller, als auch Konzernchef Dehen erwartet hat.
Einer, der den Schrumpfkurs in dem Geschäft verwalten muss, ist Willi Sattler. An einem sonnigen Vormittag sitzt der Betriebsratschef des Osram-Werks in Augsburg in seinem Büro gleich hinter dem Fabriktor. Der Blick geht auf ein Stehcafé mit frühstückenden Rentnern auf der anderen Straßenseite. Gleich hinter Sattler beginnen die grauen Werkshallen mit den orangefarbenen Osram-Schriftzügen. Die Stimmung an den Fließbändern ist schlecht.
„Bis jetzt haben wir die Jobkürzungen hier ohne betriebsbedingte Kündigungen hinbekommen“, sagt Sattler. Denn noch gilt für den Stellenabbau in Augsburg der großzügige Sozialplan der einstigen Mutter Siemens. Doch die Unsicherheit ist groß. „Wie viele Arbeitsplätze fallen hier noch weg?“, fragt Sattler besorgt. Vor sieben Jahren haben bei Osram in Augsburg noch 2000 Menschen gearbeitet; heute sind es 1300. „Und weitere 300 Stellenstreichungen sind geplant“, rechnet Betriebsrat Sattler vor.
Weltweit prüft Osram derzeit seine Standorte auf Marktentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit. Osram soll schneller und effizienter werden. Weitere Sparrunden stehen bevor. Vorstandschef Dehen spricht von weiteren "Kapazitätsanpassungen im traditionellen Lichtgeschäft". Stellenabbau ist in solchen Fällen ein bedauerlicher, aber notwendiger Teil.
Massives Sparprogramm
Das Werk in Augsburg verkörpert den Abstieg einer alten, nicht mehr konkurrenzfähigen Industrie. In der 1922 eröffneten Fabrik erfanden Osram-Tüftler einst die Energiesparlampe. Hier wurden Blitzwürfel gebaut, die auf den einfachen Fotoapparaten der Siebzigerjahre saßen. Heute produziert Osram in Augsburg hauptsächlich Leuchtstoffröhren und das Glas dafür. Doch die Nachfrage schrumpft. Jährlich 200 Millionen Leuchten wurden in Augsburg vor sieben Jahren gefertigt. Heute sind es noch 135 Millionen, Tendenz fallend.
Große Chancen
Sattler weiß um die großen Chancen, die die Umstellung in der Beleuchtung auf energiesparende LEDs bietet. „Da stehen wir in der Entwicklung erst ganz am Anfang“, sagt der Betriebsrat und verweist auf mögliche Verwendungen in Smartphones. Doch für Augsburg hat die neue Entwicklung bislang nichts gebracht. „Natürlich würden wir hier auch gerne LED-Leuchten bauen“, sagt Sattler. Doch dafür gibt es bei Osram bisher keine Pläne.
Dehen ist im Moment vor allem damit beschäftigt, Osram weiter auf Effizienz zu trimmen. Hinter dem griffigen Titel „Push“ verbirgt sich ein Programm, mit dem er bis Ende des Jahres 1,2 Milliarden Euro einsparen will. 8700 Arbeitsplätze, davon 1450 in Deutschland, fallen weg. 11 von weltweit 44 Standorten will Dehen schließen.
Krisen bei Schwergewichten der deutschen Wirtschaft
4 Milliarden Euro Schulden hat das Immobilienunternehmen IVG angehäuft. Der Bau des Geschäftskomplexes Squaire am Frankfurter Flughafen verschlang fast das Doppelte der geplanten Kosten.
40 Prozent ihres Wertes verlor die K+S-Aktie zeitweise, nachdem Spekulationen über einen Absturz des Kalipreises kursierten.
12 Milliarden Euro an Fehlinve stitionen leistete sich der Essener Stahlkonzern Thyssen Krupp in sechs Jahren für seine Stahlwerke in den USA und Brasilien.
44 ihrer 170 Flugzeuge musste die Fluggesellschaft Air Berlin in den vergangenen zwei Jahren stilllegen. Mit mehreren Hundert Millionen Euro sprang Etihad ein.
Auf 504 Millionen Euro verzichten Gläubiger, um Sonnenkönig Frank Asbeck und seinen Konzern Solarworld vorerst zu retten. Die Aktionäre werden faktisch enteignet.
Der Osram-Chef legt großen Wert auf Begrifflichkeiten. „Push“ sei kein bloßes Restrukturierungsprogramm, bei dem nur gespart und gekürzt werde, betont er, sondern ein Verbesserungsprogramm: „Damit vollziehen wir den Wandel in der Lichtindustrie von analog zu digital nach.“
Lohnende Anstrengungen
Die Anstrengungen zahlen sich aus. Erstmals nach mehreren verlustreichen Jahren hat Osram im Ende September 2013 abgelaufenen Geschäftsjahr wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaftet. Und zwischen Oktober 2013 und März 2014 verdoppelte sich die Umsatzrendite (Ebita) im Vergleich zum Vorjahr auf acht Prozent. Dies ist auch die Zielvorgabe für das aktuelle Geschäftsjahr.
Das Problem: Weil das Geschäft mit den klassischen Leuchtmitteln schneller schrumpft als erwartet, sank der Umsatz zwischen Oktober und März um drei Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Dehen kündigte Ende April an, man werde das Geschäft mit konventionellen und halbleiterbasierten Leuchten organisatorisch voneinander trennen. Bei Letzteren verbucht Osram derzeit Zuwächse von fast 50 Prozent.
Feinde im Konzern
Dem Kapitalmarkt gefällt Dehens konsequentes Vorgehen. Im aktuellen Quartal werde Osram kräftig wachsen, meinen etwa die Analysten von Warburg Research. Dank des weitreichenden Umstrukturierungsprogramms habe Osram gute Chancen, die angepeilten Margen zu erreichen
Rabiate Methoden
Mit seinem forschen Vorgehen macht Dehen sich im Unternehmen auch Feinde. Nicht wenige sind über die rabiaten Methoden bei der Sanierung ihres Unternehmens entsetzt. Weltweit habe er mehr als zwei Drittel der Führungsmannschaft mit teils „sehr unschönen Methoden“ entfernt, sagt ein Mitglied des Aufsichtsrats. Der studierte Betriebswirt gilt manchen als skrupellos, eiskalt, als knallharter Sanierer.
Dehen fechten solche Vorwürfe nicht an. „Ich versuche, ein konsequenter und konsistenter Mensch zu sein“, sagt er und nuschelt dabei ein wenig, die Beine weit von sich gestreckt. Natürlich sei es für einen Manager manchmal leichter Ja als Nein zu sagen. „Ich gehe aber nicht den leichten Weg“, sagt Dehen.
Vielleicht braucht ein Unternehmen in einer Branche, die einem so raschen Wandel ausgesetzt ist, einen wie Dehen. Und der oft ein wenig spröde und unzugänglich wirkende Manager holzt ja nicht nur, sondern investiert auch und schafft neue Jobs.
Eichstätt ist ein Städtchen im Altmühltal in Bayern. Sträßchen mit Kopfsteinpflaster durchziehen den Ortskern. Rund um den Marktplatz gruppieren sich hell verputzte Häuser. Wenige Meter weiter beginnen die grünen Hügel oberhalb des Flusses. Kaum 12.000 Menschen wohnen in Eichstätt, und wer nicht in der Landwirtschaft oder einem der Geschäfte im Dorf arbeitet, der ist bei Osram beschäftigt.
Bislang fertigen die 700 Mitarbeiter vor allem Halogenlampen für die Autoindustrie, außerdem Spezialleuchten, etwa für Beamer oder Filmvorführgeräte in Kinos, mit denen Osram besonders hohe Margen erzielt. Doch das wird bald nicht mehr alles sein.
Zurzeit legen Arbeiter letzte Hand an eine neue Fertigungsstraße. Von diesem Sommer an werden rund 60 Osram-Mitarbeiter LED-Leuchten für den Privathaushalt fertigen. Die Technik: Strom wird in einen winzigen Halbleiterkristall geleitet und erzeugt dort einen Lichtblitz.
Preisverfall bei LEDs
Etwa zehn Euro dürfte die LED-Lampe in klassischer Birnenform mit einer Leistung von 40 Watt, die Osram europaweit anbieten will, im Baumarkt kosten. Viel Geld, doch vor wenigen Jahren musste der Kunde dafür noch 70 Euro zahlen. Das neue Osram-Produkt spart viel Energie und hat eine Lebensdauer von rund 25 000 Stunden. Eine klassische Glühlampe gibt nach etwa 2000 Stunden den Geist auf.
Gut zehn Millionen Euro investiert Osram in die neue Fertigung in Eichstätt. Dehen setzt damit auf die rasche Verbreitung der LED-Lampen. In Deutschland liegt der LED-Anteil schon bei 25 Prozent mit stark steigender Tendenz. Im Herbst, so erwarten Experten, wird für Endverbraucher erstmals die Preisschwelle von zehn Euro unterschritten. Das dürfte noch einmal für kräftigen Rückenwind beim Geschäft mit LED-Leuchten für Privathaushalte sorgen.
Osram erzielt 34 Prozent seines Umsatzes mit den neuen Leuchten auf Halbleiterbasis; in drei Jahren sollen es 50 Prozent sein. Insgesamt wächst der weltweite Lichtmarkt, vor allem dank der raschen Urbanisierung in Schwellenländern, jedes Jahr um sieben Prozent. In China sind es sogar gut 20 Prozent.
Das LED-Licht bietet, anders als traditionelles Licht, neue Möglichkeiten: Es sorgt nicht nur für helle Wohnungen, Büros oder Straßen, sondern beeinflusst auch die Befindlichkeit. Im Münchner Klinikum rechts der Isar etwa verwenden die Mediziner LED-Leuchten in der Schmerztherapie. Auf Langstreckenflügen kann das neuartige Licht den gefürchteten Jetlag mildern. Möglich machen dies die unterschiedlichen, sehr feinen Farbabstufungen, die sich mit LED-Licht erzielen lassen. Biodynamisches Licht nennen das die Forscher bei Osram in Regensburg.
Studenten als Tester
Zusammen mit der Hochschule München testet Osram, wie Licht die Aufmerksamkeit der Studenten beim Lernen beeinflusst. In einem Seminarraum der Hochschule hat Osram dazu zwölf LED-Deckenleuchten aufgehängt. Mit ihnen lässt sich das Licht jeder Tageszeit simulieren; vor allem das für die Steuerung aller biologischen Funktionen so wichtige blaue Licht. Die Augen haben spezielle Zellen, die nur dieses Licht aufnehmen und verarbeiten.
Erste Resultate zeigen, dass die Aufmerksamkeit durch das gesteuerte LED-Licht um 30 Prozent höher ist als bei traditionellem Licht. Vor allem das gefürchtete Mittagstief setze gar nicht mehr oder erst später ein, berichten die Studenten.
Um bei solchen Anwendungen vorne mitzuspielen, investiert Osram kräftig in die Forschung. 6,4 Prozent seines Umsatzes hat Osram im vergangenen Jahr konzernweit dafür ausgegeben. In Regensburg, dem Zentrum der LED-Aktivitäten mit gut 1500 Mitarbeitern in der Forschung, liegt die Quote sogar bei zehn Prozent.
Zukunftsmarkt Asien
Dehen macht Druck, denn anders als beim traditionellen Licht dauert ein Entwicklungszyklus in der LED-Technologie nur sechs bis neun Monate statt fünf Jahre.
Gleichzeitig sitzt dem Osram-Chef die Konkurrenz aus Asien im Nacken. Hoch innovative Schwergewichte wie Samsung, LG, Sharp und Toshiba drängen mit Macht ins LED-Geschäft. Nicht leichter wird Dehens Aufgabe durch den kontinuierlichen Preisverfall bei LEDs. Im Schnitt verbilligen sich die Chip-Leuchten jedes Jahr um 20 Prozent. Gut für den Kunden, doch Osram muss ständig nach Wegen suchen, die Kosten weiter zu reduzieren.
Notwendige Reformen
Dehen denkt darum bereits darüber nach, was nach dem Ende des Restrukturierungsprogramms „Push“ kommen könnte. Die stärker als erwarteten Rückgänge im traditionellen Lichtgeschäft machen weitere Schritte nötig. „Der Wandel im Lichtmarkt von den traditionellen zu den halbleiterbasierten Produkten hat sich weiter beschleunigt“, sagt Dehen. Daher werde es auch nach 2014 Restrukturierungen geben, die dann Teil des normalen Geschäftsverlaufs würden. So würden eben auch 2015 die Kapazitäten im traditionellen Lichtgeschäft der Marktentwicklung weiter angepasst. Der Abbau von 8700 Arbeitsplätzen dürfte daher noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Die wertvollsten Marken der Welt (Stand: Mai 2014)
Amazon
Markenwert: 64,3 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 41 Prozent
Marlboro
Markenwert: 67,3 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 3 Prozent
AT&T
Markenwert: 77,9 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 3 Prozent
Visa
Markenwert: 79,2 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 41 Prozent
Coca Cola
Markenwert: 80,7 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 3 Prozent
McDonald's
Markenwert: 85,7 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 5 Prozent
Microsoft
Markenwert: 90,2 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 29 Prozent
IBM
Markenwert: 107,5 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 4 Prozent
Apple
Markenwert: 147,9 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): minus 20 Prozent
Markenwert: 158,8 Milliarden Dollar
Veränderung zum Vorjahr (in Prozent): plus 40 Prozent
BrandZ
Auch in anderen Bereichen sind Dehens Leute ständig auf der Suche nach weiterem Sparpotenzial. In Eichstätt etwa arbeiten die Forscher daran, den Glasanteil an der Leuchte zu verringern. Auch tut Osram sich mit anderen Abnehmern zusammen, um bei Lieferanten von Rohstoffen wie Wolfram, Quarz oder Xenon bessere Preise erzielen zu können. Für die LED-Birne in Privathaushalten hat Osram eine Plattform entwickelt, mit der das Unternehmen viele Varianten zu relativ niedrigen Kosten anbieten kann.
Branchenkenner empfehlen den Deutschen allerdings deutlich radikalere Schritte. „Osram sollte die LED-Chips zukaufen, statt sie selbst herzustellen“, rät etwa Roger Chu, Chefanalyst und LED-Experte beim Branchendienst Trendforce in Taipei. Zudem sollte der Konzern noch viel stärker auf Lösungen mit höherer Wertschöpfung setzen, etwa Spezialbeleuchtungen mit den dazugehörigen Steuerungssystemen.
Triumph um jeden Preis
Dehen lässt solche Einwände nicht gelten. Um höchste Qualität zu gewährleisten, müsse Osram die Chips selbst herstellen. Außerdem benötige der Konzern das Know-how aus dem Massengeschäft, um bei den hochprofitablen Nischenprodukten wirklich erfolgreich zu sein.
Fast wie ein Besessener arbeitet der immer etwas unnahbar wirkende Westfale daran, den Traditionskonzern ins digitale Zeitalter zu führen. Dehen will den Triumph um jeden Preis, denn seine Mission bei Osram ist auch seine ganz persönliche Abrechnung mit der einstigen Konzernmutter Siemens, wo der Manager viele Demütigungen ertragen musste. Der Zeitpunkt ist für Dehen gekommen, es allen noch einmal zu zeigen.
Als Siemens 2001 den Autoelektronikhersteller VDO gekauft hatte, machte der Konzern Dehen zum Chef der neuen Tochter. Anfang 2007 bekam er die Order, VDO an die Börse zu bringen. Doch das misslang. Der Autozulieferer Continental war als Interessent aufgetaucht und übernahm im Sommer 2007 VDO für gut elf Milliarden Euro. Dehen konnte nur zuschauen.
Kernige Typen
Ein Jahr später rückte der Westfale in den Siemens-Vorstand auf und wurde gleichzeitig Chef des Energiegeschäfts. Doch bei der Mannschaft in Erlangen kam er nie richtig an. „Das sind kernige Typen in der Energiesparte“, sagt ein ehemaliger Siemens-Manager, „Ingenieure mit Öl an den Händen.“ Nichts für den nüchternen Zahlenmenschen Dehen.
Ein Briefing nach dem anderen habe er abgehalten und sehr viel Papier produziert, erinnert sich ein Ex-Siemens-Kollege, und dabei unablässig sein Mantra gepredigt: „Make your numbers, no surprises, no excuses.“ Erreicht hat Dehen damit wohl kaum einen der Siemensianer.
Selbst nachts an der Bar auf den Führungskräftetagungen am Starnberger See taute Dehen selten auf; stets blieb er die kalte Autorität. Im April 2001 schließlich schob der damalige Siemens-Chef Peter Löscher den Manager ab auf den Osram-Chefsessel. Dort sollte er den Börsengang des Leuchtenherstellers vorbereiten. Doch auch daraus wurde zunächst nichts. Wegen mangelnden Interesses wurde Osram vor einem Jahr mithilfe eines Spin-offs von der Mutter abgespalten und börsennotiert.
Dehen weiß, dass seine Mission noch nicht beendet ist. Das ist sie erst, wenn er Osram dauerhaft auf die Erfolgsspur gesetzt hat. Wie lange das noch dauert, ist ungewiss. Bei der Frage, ob er seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender über März 2016 hinaus verlängern wolle, taut Dehen auf: Der Osram-Chef antwortet, ohne etwas zu sagen – mit einem leichten Lächeln.