Outdoor-Unternehmer Schöffel „Nein, wir schneidern nicht für die Reichen“

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„Eine Marke wie Schöffel muss Haltung zeigen“

Und wie verfahren Sie mit der Ware für den kommenden Winter?
Schöffel: Das ist herausfordernder, denn Skibekleidung, die neben unserem Hauptstandbein Outdoor und demnächst neben Bike für einen spürbaren Anteil unseres Umsatzes steht, ist aufwendig in der Herstellung und hat entsprechend lange Vorlaufzeiten. Wir müssten die in diesen Tagen bestellen. Es kann uns aber natürlich niemand sagen, ob, wann und wo wir im Winter 2021 / 22 überhaupt Skifahren können. Das fordert uns alle gerade richtig, weil da Planung praktisch endet. Wir sind abhängig von politischen Entscheidungen, und das macht Investitionen sehr schwierig. Insofern fahren wir bei den Vorbestellungen einen restriktiven Kurs.

Wie reagieren Ihre Lieferanten?
Schöffel: Die verstehen die Problematik in vollem Umfang. Wir sitzen alle in einem Boot und müssen alle flexibler werden. Damit ist das Thema nicht komplett gelöst, denn irgendwann müssen wir auf den Knopf drücken und bestellen. Aber zum Glück bin ich CEO und Shareholder gleichzeitig, ich muss das nur mit mir selbst ausmachen und nicht mit Aktionären. Wir können in dieser Situation mutiger entscheiden, als wenn wir von Fremdkapital abhängig wären.

Gehört zu diesen Entscheidungen auch, mal eben Ihren seit Jahren gültigen Werbespruch zu ändern? Aus „Ich bin raus“ wurde auf einmal „Ich bleib drin“ – hat das Ihre Kunden nicht irritiert?
Reiner Gerstner: Wenn Sie Konsumenten nach Marken fragen, dann antworten sie, dass sie 77 Prozent der Marken für überflüssig halten und ersetzbar finden. Nur 23 Prozent der Marken haben echte Relevanz. Das bedeutet, dass eine Marke wie unsere in Zeiten mit großen Herausforderungen mit ihrem Einfluss und ihrer Reichweite dazu betragen muss, die Situation zu verbessern. Sie muss Haltung zeigen, und dazu gehört eben auch, im Notfall den eigenen Markenclaim möglichst sinnvoll zu nutzen, wenn das hilft – etwa indem man ihn ändert. Deshalb haben wir direkt Mitte März eine Kampagne gestartet und die Leute dazu aufgerufen, drinnen zu bleiben.

Reiner Gerstner ist der Marketingchef von Schöffel.  Quelle: Presse

Wenn es um Haltung geht, gehen andere Marken allerdings weiter – Ihr Wettbewerber Patagonia hat schon mal clever mit Werbung gepunktet, die Kundschaft aufrief, seine Produkte nicht zu kaufen? Traut sich Schöffel das nicht
Gerstner: Schöffel ist die Marke für das individuelle Erleben in der Natur. An Nachhaltigkeit kommen Sie da gar nicht vorbei, sie ist bei Schöffel fest in der Philosophie verankert. Im sozialen Bereich stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt und erreichten 2020 als Mitglied der Fair Wear Foundation zum sechsten Mal in Folge den Leader Status – und das mit dem besten Ergebnis unter den Outdoormarken. Im Bereich Produkt stehen bei uns Langlebigkeit und Hochwertigkeit im Vordergrund. 75 Prozent der Klimaauswirkungen eines Produktes entstehen bei Produktion und Transport. Je länger also die Jacke hält, umso nachhaltiger ist sie aus unserer Sicht. Deshalb haben auch wir unsere Kunden dazu angeregt, sich sehr genau zu überlegen, was sie denn wirklich brauchen, und sich über die Produkte zu informieren.

Und was tun Sie praktisch?
Gerstner: Wir haben hier am Standort etwa Spezialisten, die auch 20 Jahre alte Jacken von Kunden noch reparieren oder neu imprägnieren. Und wenn wir Profis einkleiden wie die Mitarbeiter von Bergbahnen oder Skischulen, dann sagen wir denen auch ganz klar, dass wir ihnen nicht jedes Jahr ein neues Outfit verkaufen wollen. Sie können uns ihre Sachen nach der Saison schicken, und wir bereiten sie dann pünktlich wieder für sie auf. Oder wir ändern die Kleidung für sie. So können wir Ärmel oder Hosen kürzen oder verlängern oder unserem Kunden auch ein paar Zentimeter Bauchumfang in seine Lieblingsjacke für den nächsten Winter einbauen oder rausnehmen.

Und wie wollen Sie dem dann mal was Neues verkaufen, Herr Schöffel? Wo bleibt der Umsatz?
Schöffel: Unsere Kunden sind treu. Ich kenne genug Bergsteiger, die an ihrer Jacke hängen, weil sie mit der schon auf den Bergen von vier Kontinenten waren. Die wollen nicht ständig etwas Neues. Natürlich haben wir auf den ersten Blick einen geringeren Umsatz, wenn der Kunde die Jacke zwölf statt zehn Jahre lang trägt. Aber er empfiehlt uns weiter. Und vielleicht kauft er bei uns noch eine Fleecejacke oder eine Mütze. Wir sind das Gegenteil von Fast Fashion. Sehen Sie sich die Entwicklung an – Corona wird mit dazu führen, dass die Schere zwischen denen, die Geld haben, und denen, die weniger zur Verfügung haben, weiter auseinander geht…

…also schneidert Schöffel für die Reichen?
Schöffel: Nein, wir schneidern nicht für die Reichen, sondern für diejenigen, die ihr Herz im Outdoor-Sport haben. Die Menschen zieht es raus in die Natur, Wandern ist der totale Trendsport geworden in diesem Jahr. Das ist auf der ganzen Welt zu beobachten. Und wenn ich in die Natur gehe, dann doch besser in hochwertigen Produkten, von denen ich lange etwas habe. Deshalb ist der Markt für uns auch noch riesig. Aber den wollen wir mit unseren Mitteln und nach unserer Haltung bedienen; wir sind ein Familienunternehmen, und wir werden unseren Generationen-Auftrag erfüllen, egal, was in der bottom-line steht.

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Und was heißt das praktisch?
Schöffel: Das heißt zum Beispiel, dass wir unsere Kunden in unserem Onlineshop haben entscheiden lassen, ob sie die drei Prozent Mehrwertsteuersenkung abgezogen haben möchten. Oder ob sie den Betrag für die Aufforstung von Bergwäldern in Oberbayern stiften wollen. Mehr als 90 Prozent unserer Kunden haben sich fürs Spenden entschieden. Und die Schöffel-Stiftung hat dann die gleiche Summe noch einmal draufgelegt. Auf die Weise haben wir mittlerweile 30.000 Bäume gepflanzt. Und falls die Steuersenkung länger beibehalten wird, setzen wir die Aktion im kommenden Jahr fort.

Mehr zum Thema: Sport-Discounter: Decathlon ist wie Aldi, nur anders

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