Pandora Papers Milliardär in Nöten

Tschechiens Premierminister Andrej Babiš sieht sich durch Veröffentlichung der Pandora Papers mit Geldwäschevorwürfen konfrontiert. Quelle: imago images

Wenige Tage vor den Parlamentswahlen ist der tschechische Premier Andrej Babiš mit Geldwäschevorwürfen konfrontiert. Können die Vorwürfe den Milliardär das Amt kosten?

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Sein Vermögen ist Andrej Babiš nicht anzusehen. Der Milliardär und Premierminister von Tschechien trägt schlichte Anzüge, fliegt Holzklasse und wirkt auch sonst ziemlich geerdet. Statt goldener Protz-Uhren führt der drahtige 67-Jährige meist einen klobigen Taschenrechner mit sich herum. Den fischt er schon mal gerne aus dem Sakko, tippt eifrig darauf herum und zeigt dann das Zahlenergebnis als Beweis seiner Ausführungen.

Die aktuellen Enthüllungen der sogenannten „Pandora Papers“ – einem Datenleak, das durch die Arbeit von weltweit Hunderten Journalisten zu Steuerschlupflöchern von Politikern und Prominenten führt – bringen Babiš gerade in Beweisnot. Er soll über Briefkastenfirmen ein Landschloss in Frankreich für 15 Millionen Euro erworben und damit möglicherweise Geldwäsche betrieben haben. Babiš wies die Vorwürfe öffentlich zurück und sprach von einem Verleumdungsversuch. Schaden könnten ihm die Enthüllungen dennoch: Diesen Freitag beginnt in Tschechien die Parlamentswahl – und damit das Ringen um die politische Zukunft von Babiš und dessen Partei ANO.

Andrej Babiš ist einer der umstrittensten Politiker Europas. Und einer der erfolgreichsten. Mit seiner Protestpartei ANO hat es der gebürtige Slowake innerhalb weniger Jahre bis zum höchsten Regierungsamt gebracht: 2014 wurde Babiš Finanzminister von Tschechien, 2017 schaffte er es zum Premierminister. Mit seinem radikalen Anti-Flüchtlingskurs und seiner Rhetorik gegen den Euro gilt Babiš vielen Amtskollegen in Europa als Populist. Überschattet war seine Amtszeit zudem von Korruptionsvorwürfen. So ermittelt etwa das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegen Babiš. OLAF untersucht den Vorwurf, dass ein Luxushotel des Milliardärs nahe Prag zu Unrecht EU-Subventionen bekommen habe. Auch Subventionen für den von Babiš gegründeten Agrar- und Chemiekonzern Agrofert sorgen regelmäßig für Vorwürfe, dass bei dem tschechischen Premier ein Interessenskonflikt bestehen könnte.


Die Vorwürfe wurzeln in der früheren Unternehmerkarriere von Babiš. Wie als Politiker schaffte er schon zuvor als Unternehmer einen beeindruckenden Aufstieg. 1993 gründete er mit einem Kollegen den Düngemittellieferanten Agrofert, der damals gerade eine Handvoll Mitarbeiter zählte. Heute beschäftigt der Konzern rund 34.000 Mitarbeiter, erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 6,6 Milliarden Euro und umfasst die gesamte Lieferkette von der Saat bis zum fertigen Brotlaib. Mit seinem Einstieg in die Politik hat Babiš offiziell alle Funktionen in dem Konzern zurückgelegt.

Die Ausläufer von Agrofert reichen dabei bis nach Deutschland. In Lutherstadt-Wittenberg in Sachsen-Anhalt gilt Babiš als einer der wichtigsten Investoren. So gehört etwa der Chemiepark SKW Piesteritz und die Großbäckerei Lieken, bekannt für Marken wie „Golden Toast“, zum Agrofert-Konzern. Weil Babiš sich in der Stadt auch sonst spendierfreudig zeigte und etwa eine Kita, ein Ärztezentrum oder eine Feuerwache spendierte, steht er bei Landespolitikern hoch im Kurs. Wie gefährlich können die neuen Vorwürfe Babiš werden?

Als die WirtschaftsWoche Babiš vor einigen Jahren in Wittenberg getroffen hat, stellte der Milliardär eindrücklich klar, dass er mit den Geschäften von Agrofert nichts mehr zu tun habe. Als Babiš sich auf dem Marktplatz einen Glühwein gönnte und über die Renaissance-Häuser um den Platz blickte, fragte er einen seiner Manager: „Wie viele der Häuser haben Sie gekauft?“ – „Sie haben die Häuser gekauft. Es sind Ihre! Die zwei Linken gehören Ihnen“, antwortete der Manager. Auch mit dem Preis der Immobilien hatte der Milliardär sich zuvor offenbar nicht beschäftigt. „Und was hat es gekostet“, fragte Babiš den Manager. „Alles zusammen zwölf Millionen Euro“, gab der zurück. Babiš war zufrieden: „Sieht ja toll aus!“

Nun könnte Babiš der Kauf eines französischen Landschlosses nahe Cannes zum Verhängnis werden. Laut „Süddeutscher Zeitung“ umfasst das Areal rund 30.000 Quadratmeter und 16 Flurstücke. 2009 soll Babiš das Anwesen für rund 15 Millionen Euro erworben haben. Allerdings trat er offenbar nicht direkt als Käufer in Erscheinung. Laut „Süddeutscher Zeitung“ sei das Geld über Briefkastenfirmen in den USA, Monaco und den Britischen Jungferninseln geschleust worden, ehe es in Frankreich angekommen ist. Gegenüber den tschechischen Behörden habe Babiš laut dem Medienbericht keine Angaben über den Kauf gemacht. Der Medienbericht äußert den Verdacht der Geldwäsche, was Babiš öffentlich bestreitet.

Für den tschechischen Milliardär kommen die Vorwürfe auch deshalb zur Unzeit, weil der Kampf gegen Korruption zu den Leitthemen von Babiš Partei ANO gehört. Festgehalten hat der Politiker seinen Kampf gegen die angeblich korrupte Elite in dem Buch „Wovon ich träume, wenn ich zufällig schlafe“. Babiš hat es schon vor einigen Jahren in einer Auflage von 300.000 Stück drucken lassen und verteilt es gerne bei Terminen und Veranstaltungen. Darin legt er dar, wie ihn der Ärger über die Korruption in Tschechien in die Politik getrieben habe.

Auch im persönlichen Gespräch gibt der Milliardär gerne den Kämpfer gegen Filz und Korruption. „Warum bin ich wohl in die Politik gegangen? Weil alle korrupten Parteien in Tschechien sich demokratisch nennen! Das ist unser System!“, sagte Babiš der WirtschaftsWoche nach seinem Wahlsieg im Jahr 2017. Auch sein Konzept gegen Korruption erläuterte er damals. Er wolle den Staat führen wie eine Firma.

Babiš hat in seiner Amtszeit viel von dem geliefert, was er seinen Wählern versprochen hatte. Die Renten hat der Milliardär mehrfach erhöht. Auch die Gehälter für Lehrer, Polizisten und Feuerwehrmänner sind in seiner Amtszeit gestiegen. Seinen Anti-Flüchtlingskurs verfolgt Babiš in ungedämpfter Radikalität. Für die Wahlen ab Freitag galt Babiš vielen Demoskopen daher als Favorit.

Dass der selbsternannte Korruptionsbekämpfer sich nun – wenige Tage vor dem Urnengang – selbst mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen muss, könnte die Favoritenrolle bedrohen. Babiš betont regelmäßig, dass Agrofert nicht von seiner Stellung in der Politik profitiere. Geschadet dürfte sie dem Konzern allerdings auch nicht haben. So hat sich laut dem Magazin „Forbes“ das Vermögen von Babiš in dessen Zeit als Finanzminister von 2014 bis 2017 nahezu verdoppelt. Babiš kritisierte die Berechnungsmethode des Magazins und sah seine Firma sogar als Verlierer seines politischen Engagements. „Meine damalige Firma hat mindestens 20 Millionen Euro verloren, nur weil ich in die Politik gegangen bin“, so Babiš in einem Gespräch aus dem Jahr 2017.


Abgerechnet wird nun ab Freitag an den tschechischen Wahlurnen. Auch wenn die Vorwürfe für Babiš ungünstiger nicht kommen konnten, ist die Wahl für ihn keineswegs verloren. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er Wahlen trotz Korruptionsvorwürfen gewinnt.

Mehr zum Thema: Rückschau auf 2017 – Populist und Milliardär Andrej Babiš hat beste Aussichten Tschechiens nächster Premier zu werden. Das geschäftliche Netzwerk von Babiš reicht damals schon bis in die Lutherstadt Wittenberg, dort hat „Tschechiens Trump“ kräftig investiert.

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