
Das gab es noch nie: Drei Vorstände müssen gehen, zwei davon verantworteten Kerngeschäfte von ThyssenKrupp, einer war ein Major Domus von Stiftungschef Berthold Beitz, ein Lordsiegelbewahrer und das Gedächtnis von Krupp und ThyssenKrupp in einem.
Zunächst zu den ersten zweien: Ex-Stahlchef Edwin Eichler und Ex-Technologiechef Olaf Berlien standen vor zehn Jahren, als sie der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme zu ThyssenKrupp holte, für einen bahnbrechenden Neuanfang im Fusionskonzern. Denn gerade war die alte Garde der einst verfeindeten Ruhrgebietskonzerne Krupp und Thyssen abgetreten, da holte Cromme, der Anstifter und Antreiber der ungeliebten Fusion, zwei junge Männer, so um die vierzig, ins Haus. Keiner von ihnen kam von Krupp oder Thyssen, keiner stammt aus dem Ruhrgebiet. Das war Absicht und Kalkül von Cromme und Berthold Beitz, Chef der Stiftung, die als größter Aktionär 25.3 Prozent am Unternehmen hält und dort den Takt vorgibt.





Den Neuen wurde eine klar definierte Rolle zugewiesen: Eichler und Berlien sollten als Frischlinge, ungeachtet der Intrigen und Flügelkämpfe zwischen Thyssen- und Kruppfraktion, den Fusionskonzern in eine neue Zukunft als Technologieunternehmen von Weltrang führen und sich um Geschäft draußen auf den Märkten kümmern und nicht um intern verkämpfte Seilschaften und alte Rechnungen. Sie sollen ihr Geschäftsbereiche umbauen, als unbelastete Freidenker, objektiv und schmerzfrei, weil sie kein Herzblut verschwendeten beim Gedanken an Stahlwerke oder liebgewonnene Traditionen auf dem Essener Hügel, dem Sitz der Stiftung.
Sie waren auch Kandidaten für die Nachfolge von Ekkehard Schulz, dem früheren Vorstandschef von ThyssenKrupp, der als Hütteningenieur und mit lebenslanger Biographie beim Arbeitgeber Thyssen versehen, entsprechend betriebsblind war, aber auch kernig und zuverlässig. Und als der Stahl Konjunktur hatte, fielen die Fehler im Stahl zunächst nicht auf, man investierte, als der Höhepunkt der Stahlkonjunktur längst überschritten war. Das führt zu einem finanziellen Engpass bei ThyssenKrupp. Folge: Eichler und Berlien haben ihre Schuldigkeit als Outsider getan, sie müssen gehen. Cromme hat genug von ihnen.
Die Aktionärsstruktur von ThyssenKrupp
Die Stiftung hält mit 23,03 Prozent den Großteil aller Aktien.
Der schwedische Finanzinvestor hält 15,08 Prozent der Aktien.
51,89 Prozent der Aktien werden von internationalen institutionellen Anlegern gehalten.
Privatanleger halten zehn Prozent der ThyssenKrupp-Papiere.
Gehen musste auch der Kruppianer Jürgen Claassen, der zusammen mit Cromme die Idee hatte, mit Eichler und Berlien ein ganz neues personelles Fundament bei ThyssenKrupp zu legen. Claassen war Intimus von Beitz, Helfer von Cromme, Claassen kennt die Gedankengänge von Beitz und seinen Reminiszenzen an Alfried Krupp, der 1967 verstarb und einen historisch schwer belasteten Konzern, der früher Rüstungsgüter herstellte, dem Testamentsvollstrecker Beitz hinterließ. Nicht dass Eichler und Berlien nun entlassen werden, zeigt die Kühle der Entscheidung von Cromme und Beitz, sondern der Rauswurf von Claassen, einem alten Freund. Doch diese nur freundschaftlich wirkende Bande zerreißen innerhalb weniger Stunden, wenn das Management der „Firma“, wie Beitz den Konzern nennt, in Hotelzimmern auf Spesen nächtigt, die sich sonst nur Lakshmi Mittal leistet, wenn er auf Tour geht. Es gibt da auch keine Entschuldigung gegenüber dem Aufsichtsrat. Ein „Sorry“ wird natürlich gern gehört, ist aber unerheblich für den Auflösungsvertrag, der auch mit einem "Sorry" überreicht wird.
Wer ist jetzt eigentlich ThyssenKrupp? Wer steht für den Technologiekonzern? Es ist Konzernchef Heinrich Hiesinger, der vor zweieinhalb Jahren noch bei Siemens arbeitete und Guido Kerkhoff, der Finanzchef, der vor einem Jahr noch bei der Telekom als Leiter des Finanzressorts fungierte. Es sind nach zehn Jahren wieder Fremdlinge, unbelastete Outsider mit objektivem Blick auf das Biotop ThyssenKrupp, auf die Beitz und Cromme mal wieder setzen.