Pharma Keine Genesung am Generika-Markt

Die günstigen Imitate von Markenmedikamenten drücken den Gewinn von forschenden Pharmaherstellern. Und durch wachsende Konkurrenz machen sich die Hersteller sogenannter Generika auch gegenseitig zu schaffen.

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Einblick in ein Novartis-Werk: Die Konkurrenz im Generikamarkt macht vor allem der Sparte Sandoz zu schaffen. Quelle: REUTERS

Der Konkurrenzdruck kommt von allen Seiten: Das Geschäft mit Imitaten von Markenmedikamenten, sogenannten Generika, ist attraktiv. Dementsprechend wollen viele Anbieter ein Stück vom Kuchen abhaben. Die Generikahersteller machen sich jedoch nicht nur gegenseitig zu schaffen, sondern auch den forschenden Pharmakonzernen. Läuft ein Patent aus, stehen Generikaunternehmen schon mit Kopien bereit.

Davon kann der Schweizer Pharmariese Novartis ein Lied singen, der heute seine Quartalszahlen veröffentlicht hat. „Die Pharmaindustrie ist in den kommenden Jahren mit einer beispiellosen Zahl von Patentabläufen konfrontiert“, hieß es schon im Geschäftsbericht 2011. Vergangenen November lief in einigen EU-Ländern das Patent für den Bluthochdruck-Arzneistoff Valsartan aus, den der Konzern unter dem Markennamen Diovan vertreibt. Konkurrenten aus dem Generikabereich haben bereits eigene Produkte auf den Markt gebracht. Im September 2012 wird auch das Valsartan-Patent in den USA ablaufen, 2013 in Japan.

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Einsparungen drücken die Rentabilität

Ebenso hat Novartis schon Generika-Konkurrenz für sein Krebsmittel Femara bekommen, dessen Patent 2011 in den USA und in wichtigen europäischen Märkten abgelaufen ist. 2013 enden in den USA außerdem Patentrechte für Zoledronsäure, ein Wirkstoff, der zur Krebs- und Osteoporose-Behandlung genutzt wird. 2015 folgt das Krebsmittel Gleevec/Glivec.

Dementsprechend schlecht fallen die Unternehmenszahlen aus, die Novartis heute veröffentlicht hat. Der Gewinn sank im ersten Quartal um 18 Prozent auf 2,3 Milliarden Dollar, der Umsatz nahm um zwei Prozent auf 13,7 Milliarden Dollar ab. Insgesamt will der Konzern den Umsatz dieses Jahr allerdings auf dem Niveau von 2011 halten. Doch Generika-Konkurrenz und die Einsparungen im Gesundheitswesen drücken die Rentabilität. Die bereinigte operative Marge wird unter den 24 Prozent des Vorjahres erwartet. Im ersten Quartal betrug sie 26,8 Prozent.

Milliarden-Übernahme

Übernahmen können helfen, sich im harten Generikamarkt zu behaupten. Quelle: dpa

Die Verkaufserlöse sanken vor allem bei Sandoz, der Generika-Marke von Novartis. Schon bei Abschluss des Geschäftsjahres 2011 konnte der Konzern das absehen. Zwar wuchs das operative Ergebnis von Sandoz noch 2011 um acht Prozent, allerdings wies keine Novartis-Sparte derartige Schwankungen auf, wie Sandoz. Das Unternehmen erklärt das mit der geringen Marktexklusivität, die das Generikageschäft ausmacht. Ist ein Generikum neu auf dem Markt, lässt das nächste Konkurrenzprodukt nicht lange auf sich warten.

Übernahmen in der Branche

Um sich im Generikamarkt zu behaupten, können Zusammenschlüsse helfen, wie sie etwa zwischen dem US-Pharmakonzern Watson und seinem Schweizer Rivalen Actavis wahrscheinlich bevorsteht. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Watson morgen die Übernahme von Actavis bekanntgeben wolle. Dabei beruft sich Reuters auf eine mit den Plänen vertraute Person. Der Kaufpreis liege voraussichtlich bei rund 4,25 Milliarden Euro.

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Seit einigen Jahren findet ein Konzentrationsprozess unter den Herstellern von Medikamentenkopien statt. Watson würde mit Actavis nach Daten des Pharmadaten-Anbieters IMS Health auf die vierte Stelle unter den Top-Konzernen der Branche vorrücken.
Mit seiner neuen Größe könnte das Unternehmen Konkurrenten, wie dem israelischen Konzern Teva und der Novartis-Tochter Sandoz, besser die Stirn bieten. Beide Konzerne hatten ihrerseits in den vergangenen Jahren Milliarden-Übernahmen gestemmt.

Teils können Fusionen aber auch helfen, der Generikabranche zu entfliehen. Das hat laut der Nachrichtenagentur Bloomberg etwa der indische Milliardär Ajay Piramal vor. Er sehe sich derzeit nach Übernahmen um, die es seiner Firma Piramal Healthcare ermöglichen, sich von der Generikaherstellung weg zu bewegen und sich auf die Entwicklung patentgeschützter Medikamente zu konzentrieren.

Medikamente aus Indien

Novartis versucht Patente in Indien vor Gericht durchzusetzen. Quelle: AP

Indien ist der weltweit größte Generikaproduzent. 70 Prozent aller Generika stammen von dem Subkontinent. Durch ihre niedrigen Preise sind sie wichtig für die weltweite Gesundheitsversorgung – nicht nur in Drittweltländern. In Europa steigt die Schuldenlast vieler Staaten, gleichzeitig werden die Menschen immer älter und müssen versorgt werden. Um Kosten zu sparen, greifen Regierungen zu Maßnahmen, wie der obligatorischen Behandlung mit Generika, erhöhtem Druck auf Ärzte, weniger patentgeschützte Medikamente zu verschreiben, und zunehmende Arzneimittelimporte aus Niedriglohnländern – wie Indien.

Kein Schutz in Indien

Auch die großteils arme Bevölkerung des Subkontinents selbst, profitiert von der Generikaindustrie des Schwellenlandes. Die Branche konnte sich dort so prächtig entwickeln, da Indien eine sehr lockere Patentregelung hat. So gilt für eine nur geringfügig andere Wirkstoffzusammensetzung kein Patenschutz mehr. Der Schutz kann jedoch auch entfallen, wenn ein Pharmaunternehmen sein Medikament zu teuer anbietet.

Diese Entscheidung traf das indische Patentamt Mitte März etwa bei Bayer für dessen Krebsmedikament Sorafenib Tosylate. Nun muss der Leverkusener Pharamriese eine dafür eine Generikalizenz an den indischen Herstellern Natco abgeben. Dafür erhält Bayer eine geringe Abgabe auf den Umsatz, den Natco mit dem Generikum macht. Laut der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ sinken die Behandlungskosten mit Sorafenib Tosylate dank der Zwangslizenz voraussichtlich um fast 97 Prozent – von mehr als 5500 US-Dollar pro Monat auf ungefähr 175 US-Dollar.

„Mit dieser Entscheidung hat das Patentamt in Indien klar gemacht, das Patentmonopole kein Freifahrtschein für überhöhte Preise sind“, kommentierte Philipp Frisch von „Ärzte ohne Grenzen“ im März die Entscheidung. „Die Patienten haben ein Recht auf den Zugang zu innovativen Medikamenten. Er darf nicht durch hohe Monopolpreise eingeschränkt werden.“

Seit dem 28. März fechtet Novatis vor einem indischen Gericht, da dem Unternehmen kein Patent für dessen Krebsmedikament Imatinib Mesylate gewährt wurde, das die Schweizer unter den Markennamen Gleevec/Glivec vertreiben. In dem Verfahren geht es jedoch nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um ethische Fragen. Denn arme Menschen auf der ganzen Welt profitieren von Generika.

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