




850 Millionen Dollar ist es dem US-Konzern Pfizer wert, mit dem deutlich kleineren Unternehmen Merck aus der hessischen Provinz zusammenarbeiten zu dürfen. Die 850 Millionen Dollar (680 Millionen Euro) zahlt Pfizer, um von der Entwicklung einer neuen Krebssubstanz bei Merck profitieren zu können. Das Erstaunliche daran: Von einer Markteinführung ist das Merck-Medikament noch Jahre entfernt, das Projekt kann sogar noch scheitern. Verläuft die Kooperation erfolgreich, kann Merck weitere 1,6 Milliarden Euro einstreichen. Selten zuvor wurde für ein Medikament in einer so frühen Phase so viel Geld bezahlt.
Das Beispiel zeigt, wie sehr die Pharma-Forschung von Merck mittlerweile auch bei der Konkurrenz anerkannt ist. Und das, obwohl die Darmstädter in den vergangenen Jahren mehrere Entwicklungsprojekte, etwa bei einem Mittel gegen Multiple Sklerose, in den Sand gesetzt haben.
Doch offensichtlich traut die Branche Merck wieder zu, die Entwicklung von Medikamenten wieder in Schwung zu bringen. Konzernchef Karl-Ludwig Kley, sein Vize Stefan Oschmann und Pharma-Chefin Belen Garijo haben in jüngster Zeit die Forschungsabteilung komplett umgekrempelt, Manager ausgetauscht, gründlichere Tests eingeführt und schnellere Entscheidungswege durchgesetzt.
Merck versus Merck
In Darmstadt erwirbt Friedrich Jacob Merck die Engel-Apotheke, die Keimzelle von Merck.
Merck expandiert und gründet eine Niederlassung in New York, aus der 1891 die Tochtergesellschaft Merck & Co. entsteht.
Infolge des Ersten Weltkrieges enteignen die Amerikaner die deutschen Eigentümer von Merck & Co. Zwischen beiden Unternehmen gibt es heute keine Verflechtungen mehr. Merck aus Darmstadt tritt in den USA unter EMD (Emanuel Merck Darmstadt) auf; Merck & Co. nennt sich außerhalb der USA und Kanada MSD (Merck Sharp & Dohme).
Auch in einer anderen Sparte hat Kley im vergangenen Jahr wichtige Weichen gestellt. Seit einigen Jahren baut sich Merck zu einem der weltweit führenden Anbieter für Laborausrüstung auf. Die Darmstädter verkaufen Geräte und Zubehör für spezielle Analyseverfahren, stellen Enzyme und Zellkulturen her.
Im Herbst vergangenen Jahres überraschten die Darmstädter mit der Übernahme des US-Unternehmens Sigma Aldrich für stolze 17 Milliarden Dollar – trotz des hohen Preises eine sehr gute Ergänzung der bisherigen Aktivitäten.
Merck-Aktie ist ein Gewinner im Dax
Hinzu kommt noch das Chemiegeschäft von Merck. Das Unternehmen setzt dabei auf Spezialitäten. Flüssigkristalle, die etwa in Flachbildfernsehern oder Smartphones verwendet werden, sorgen dabei immer noch für sehr auskömmliche Margen.
Die Folge: Die Merck-Aktie zählt zu den Gewinnern im Dax. Allein 2014 legte das Papier um gut zwanzig Prozent zu. Da stört es die Investoren auch nicht mehr, dass die Eigentümerfamilie die Mehrheit der Stimmrechte hält und es sich bei Merck um eines der letzten chemisch-pharmazeutischen Konglomerate handelt. Selbst Bayer will in absehbarer Zeit die Chemie abspalten und nur noch die Sparten Gesundheit und Pflanzenschutz behalten.
Entsprechend hatte sich Unternehmenschef Kley zuletzt zur Entwicklung im Jahr 2014 geäußert: Umsatz und Gewinn sollen jeweils zulegen. Nach seiner Prognose steigen die Erlöse von 10,7 Milliarden Euro (2013) auf elf Milliarden Euro; der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereinflüssen von 3,2 auf 3,4 Milliarden Euro.