Pharmabranche Boehringer holt auf gegen Bayer

Neue Diabetesmedikamente und die Übernahme der Sanofi-Tiermedizinsparte haben Boehringer Ingelheim einen Umsatzsprung von 27 Prozent beschert. Damit liegt der Pharmahersteller vor seinem Konkurrenten Bayer.

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Der Konzern kann sich damit derzeit zu den am schnellsten wachsenden Firmen der Pharmabranche zählen. Quelle: dpa

Frankfurt Nach mehreren Jahren mit mäßigem Wachstum ist Boehringer Ingelheim wieder zurück auf Expansionskurs. Für das erste Halbjahr meldete Deutschlands zweitgrößter Pharmahersteller einen Umsatzanstieg um 27 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Starken Anteil daran hat die Integration des Tierarzneigeschäfts von Sanofi, das Boehringer Anfang des Jahres übernommen hat. 

Aber auch das Pharmageschäft, das nach wie vor den Schwerpunkt des Ingelheimer Familienunternehmens repräsentiert, hat deutlich an Fahrt aufgenommen und im Halbjahr um zwölf Prozent auf 6,1 Milliarden Euro zugelegt. Währungsbereinigt errechnet sich laut Boehringer ein Plus von zehn Prozent.

Der Konzern kann sich damit neben den US-Firmen Celgene und Bristol-Myers Squibb (BMS) derzeit zu den am schnellsten wachsenden Firmen der Pharmabranche zählen. Erstmals seit einigen Jahren zeigt Boehringer auch wieder eine stärkere Dynamik als der heimische Konkurrent Bayer, der zwar ebenfalls überdurchschnittlich zulegte, aber währungsbereinigt nur knapp sechs Prozent Plus im Arzneimittelgeschäft erzielte.  

Auch für das Gesamtjahr stellt der Ingelheimer Konzern einen deutlichen Umsatzanstieg in Aussicht. „Nach einer Phase des intensiven Wandels haben wir die umfangreiche Neuausrichtung unseres Unternehmens weitestgehend abgeschlossen“,  kommentiert Firmenchef Hubertus von Baumbach die Halbjahreszahlen. Ziel sei es mit innovativen Medikamenten höchste medizinische Herausforderungen zu bewältigen. Um das zu erreichen, investiere man überdurchschnittlich in die Erforschung und Entwicklung neuer Therapieoptionen.

Erfolgreich war Boehringer mit dieser Strategie in den letzten Jahren vor allem in der Entwicklung neuer Diabetesmedikamente. Die neuen Produkte, die Boehringer in einer Allianz mit dem US-Partner Eli Lilly vertreibt, erweisen sich immer deutlicher als neuer Umsatztreiber. Im ersten Halbjahr legte der Umsatz um mehr als die Hälfte auf 1,2 Milliarden Euro zu. Boehringer ist damit derzeit der große Aufsteiger im Diabetesgeschäft. Während Konkurrenten wie Sanofi von Preisdruck und Generikakonkurrenz bei Insulinen gebremst werden, konnte Boehringer zuletzt mit positiven Studien für sein Diabetesmittel Jardiance punkten.


Vormarsch bei der Tierarzneisparte

Sehr stark entwickelt sich darüber hinaus das Medikament Ofev, das gegen Lungenfibrose, eine gefährliche Form von Gewebeverwachsungen, eingesetzt wird. Sein Umsatz stieg im ersten Halbjahr über 65 Prozent auf 429 Millionen Euro. Die Neuentwicklung von Boehringer hat damit Esbriet, das Konkurrenzprodukt des Schweizer Pharmariesen Roche, erstmals überrundet. Der Verkauf stieg nur um 16 Prozent.

Zudem zeigte der in Ovef enthaltene Wirkstoff Nintadenib auch in einer klinischen Studie gegen Brustfellkrebs (Mesotheliom) positive Resultate. In diesem Einsatzbereich verbuchte Bayer jüngst mit seinem Entwicklungskandidaten Anetumab einen Rückschlag.

Insgesamt verlagern sich die Gewichte in der Boehringer-Pharmasparte damit weiter in Richtung Diabetes- und Krebstherapie. Zum bisherigen Bestseller, dem Atemwegsmedikament Spriva, macht das Unternehmen dagegen keine Angaben mehr. Es erzielte im ersten Halbjahr 2016 noch knapp 1,5 Milliarden Euro Umsatz, dürfte 2017 aber Einbußen verzeichnet haben. Der Gerinnungshemmer Pradaxa legte zuletzt wieder etwas zu, liegt aber deutlich gegenüber Konkurrenzprodukten von Bayer (Xarelto) und BMS/Pfizer (Eliquis) zurück.

In der Tiermedizin ist Boehringer unterdessen durch die Übernahme der Sanofi-Tierarzneisparte zum Jahresbeginn zur Nummer zwei der Branche aufgestiegen. In dem Bereich erzielte der Konzern im Halbjahr satte 2,1 Milliarden Euro Umsatz. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr waren es noch 688 Millionen Euro.

Die komplette Sanofi-Sparte erzielte im Vorjahr rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz im Halbjahr, einen Teil der Aktivitäten musste Boehringer aber aus kartellrechtlichen Gründen abgeben. Das organische Wachstum in dem Bereich dürfte sich bei vier bis fünf Prozent bewegen. Boehringer hat sich vorgenommen, bei Tierarzneien zum Marktführer Zoetis aufzuschließen. Dieser ist im Moment noch etwa ein Zehntel größer.

Im Tausch gegen die Tierarznei gab Boehringer das eigene Geschäft mit verschreibungsfreien Arzneien (Selbstmedikation) an Sanofi ab. Der dadurch entfallene Umsatz ist mit etwa 750 Millionen Euro allerdings kleiner, sodass die Transaktion per Saldo einen positiven Umsatzeffekt von etwa 500 bis 600 Millionen Euro für Boehringer hatte.

Starkes Wachstum verbuchte Boehringer aber auch in der biotechnischen Auftragsproduktion, deren Erlöse um 18 Prozent auf 256 Millionen Euro zulegten. In der Sparte produziert Boehringer Biotech-Wirkstoffe für andere Hersteller. In diesem Geschäft sieht man in Ingelheim weiter großes Potenzial. Am Standort Wien investiert der Konzern daher gerade rund 700 Millionen Euro in den Ausbau der Kapazitäten.

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